Romanverfilmung:Patrouille im Blumenbeet

Die schwedische Tragikomödie "Ein Mann namens Ove" über die Läuterung eines alternden Grantlers, nach dem Bestseller von Fredrik Backman.

Von Anke Sterneborg

In Hollywood werden Filme über das Altern gerne als lustiges Wohlfühlkino über wütende alte Männer inszeniert, die durch ihre liebenswerten Mitmenschen resozialisiert werden müssen. Jack Nicholson zum Beispiel bestreitet große Teile seines Spätwerks als launischer Chefgrantler in Tragikomödien wie "Besser geht's nicht" oder "About Schmidt". Älter werden, lehren diese Filme, ist wirklich eine schrullige und komische Angelegenheit.

Um diese Form der reinen Gutelaune-Unterhaltung ein bisschen zu untergraben, hat sich in den letzten Jahren im skandinavischen Kino eine kleine Gegenbewegung gebildet. Wenn sich der norwegische Lokführer "O'Horten" in seinem Leben als Pensionär einrichten muss oder der schwedische Hundertjährige aus dem Fenster steigt und verschwindet, dann sieht das - allem skurrilen Potenzial zum Trotz - doch sehr viel realistischer aus, als in Hollywood. Die Skandinavier wagen sich näher ran an die unbequemen Nebenwirkungen des Alterns und die nicht immer lustigen Verschrobenheiten ihrer Protagonisten.

Auf den ersten Blick spricht auch sehr wenig für die Hauptfigur der Romanverfilmung "Ein Mann namens Ove", diesen 59-jährigen Witwer, der gerade seinen Job und seine Frau verloren hat. Er ist ein grauer Mann mit fahler Haut und schlecht sitzenden Altmänneranzug, der sich in einer schwedischen Vorortsiedlung als selbst ernannter Blockwart aufspielt. Jeden Morgen, noch vor dem Frühstück, patrouilliert er zwischen den sterilen Reihenhausneubauten, um Regelübertretungen jeder Art zu ahnden.

Hat ein Jugendlicher sein Fahrrad unerlaubt abgestellt, dann sperrt er es kurzerhand in seine Garage. Die Einhaltung des Fahrverbots fordert er unerbittlich auch von Krankentransporten und Versorgungsfahrzeugen. Hunden, die möglicherweise in die Rabatten pinkeln könnten, versetzt er vorsorglich einen Tritt. Unerbittlich fordert er von der Frau seines besten und schwer kranken Freundes den Gartenschlauch zurück, den sie, wie er seinem schwarzen Büchlein entnimmt, schon seit Ewigkeiten ausgeliehen hat.

Romanverfilmung: Dauerhaft schlecht gelaunt und auf der Suche nach seinem Gartenschlauch: Ove (Ralf Låssgard, vorne) macht seinen Nachbarn das Leben schwer.

Dauerhaft schlecht gelaunt und auf der Suche nach seinem Gartenschlauch: Ove (Ralf Låssgard, vorne) macht seinen Nachbarn das Leben schwer.

(Foto: Concorde)

Dieses Theater veranstaltet der renitente Mann, obwohl er plant, sich sein Leben zu nehmen. Alles in allem also ein scheinbar hoffnungsloser Fall, der geradezu nach Zähmung schreit. Und die kommt in Gestalt der neuen Nachbarn, die beim Einzug mit dem Anhänger erst mal seinen Briefkasten umnieten. Kein guter Einstand, aber die junge, schwangere Iranerin Parvaneh (Bahar Pars) hat eine so entwaffnend offene, lebenslustige und herzliche Art, dass sie Oves Schlechte-Laune-Panzer damit einfach zersetzt. Wenn sie handwerkliche Unterstützung braucht oder jemanden, der sie zum Arzt fährt, dann klingelt sie einfach trotzdem bei ihm und lockt ihn langsam aber stetig aus der Reserve. Wobei allein schon der Größenunterschied zwischen der kleinen, quirligen Frau und dem hochgewachsen, steifen Mann einen dezent komischen, aber nie kalauernden Effekt hat.

Überhaupt spielt Regisseur Hannes Holm in seiner Adaption des Bestsellers von Fredrik Backman alle naheliegenden Klischees recht geschickt herunter. Damit konnte er in seiner schwedischen Heimat beeindruckende 1,6 Millionen Zuschauer ins Kino locken - das sind immerhin knapp zwanzig Prozent der Bevölkerung. Sein wohl nicht ganz falsches Kalkül: Fast jeder kennt so einen Problemfall in der Verwandtschaft oder im Bekanntenkreis, und kennt die Griesgrämigkeit seines Hauptdarstellers also aus eigener Erfahrung.

Bei allem schwedischen Realismus, den er in seiner Charakterzeichnung walten lässt, hat Holm sich aber doch auch noch ein bisschen vom Wohlfühl-Optimismus der Altersstudien seiner amerikanischen Regiekollegen James L. Brooks und Alexander Payne inspirieren lassen. Die beiden haben die eingangs erwähnten Grantelfilme mit Jack Nicholson gedreht. Auch Holm zelebriert zumindest ein bisschen das Vergnügen, das es bereitet, im Kino dabei zuzuschauen, wie einem traurigen Menschen neuer Lebensmut eingehaucht wird. Wenn langsam Licht und Luft in die abgeschiedenen Wege der trostlosen Neubausiedlung eindringt, spürt man die frische Brise. Wenn über das Gesicht von Hauptdarsteller Ralf Låssgard, der bisher in Deutschland vor allem als besonnener TV-Kommissar Wallander bekannt war, das erste Lächeln huscht, kann man gar nicht anders als mitschmunzeln. Und wenn der störrische Einzelgänger immer stärker in ein Netz aus nachbarschaftlichen Beziehungen eingebunden wird, dann freut man sich für ihn.

Es mag eine Binsenweisheit sein, dass es jedem Menschen gut tut, gebraucht zu werden, doch hier ist das so lakonisch, charmant und zurückhaltend inszeniert, dass man diesem Allgemeinplatz gerne folgt. So wird das erste Bild, das der Film sich von Ove gemacht hat, stetig ausgehöhlt. Nicht nur von der quirligen Nachbarin, sondern auch durch eine Serie von Rückblenden, die zu jedem der vergeblichen Selbstmordversuche von Ove ein neues Fenster in sein Leben eröffnen, das seit der frühen Kindheit vom Schicksal gebeutelt wurde.

En man som heter Ove, Schweden 2015 - Regie: Hannes Holm. Buch: Hannes Holm nach der Romanvorlage von Frederick Backman. Kamera: Göran Hallberg. Schnitt: Fredrik Morheden. Musik: Gaute Storaas. Mit: Ralf Låssgard, Bahar Pars, Filip Berg, Ida Engvoll, Tobias Almborg, Chatarina Larsson. Verleih: Concorde. 117 Minuten.

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