Roman: Der Garten der letzten Tage:Willkommen im Club

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Ein neuer 9/11-Roman startet in einer Stripbar mit fragwürdigem Publikum und endet in den brennenden Türmen des World Trade Centers.

Christoph Schröder

Der Puma Club ist kein guter Ort für Kinder. Genau genommen, ist das Etablissement überhaupt kein guter Ort: Eine Stripbar mit fragwürdigem Publikum, in der die Frauen für ein Zusatzsalär im Hinterzimmer mehr zu tun bereit sind als bloß zu tanzen und in der das Ordnungspersonal bei der kleinsten Unregelmäßigkeit sofort zuschlägt.

April nennt sich Spring, wenn sie im Puma Club auftritt: Eine junge, gut aussehende Frau mit einer dreijährigen Tochter, Franny. Der Vater ist in Drogen versackt und verschwunden; die Vermieterin, bei der das Kind nachts schläft, wenn die Mutter arbeitet, liegt im Krankenhaus. Also muss April Franny mit in den Club nehmen.

Das ist die Ausgangssituation des Romans, eines 600 Seiten starken Werks, das in einer verrauchten Bar in Florida seinen Anfang und in den brennenden Türmen des World Trade Center sein Ende findet.

Bis zum Scheitel voll von Wut

Doch das erste Drittel des Romans verharrt geradezu mikroskopisch im engen Kosmos des Nachtclubs: April, die sich umziehen muss und nicht rechtzeitig fertig wird. Franny, die im Hinterzimmer Videos gucken muss und zu ihrer Mutter will. Lonnie, einer der Rausschmeißer, der aufpasst, das sich keine Inseln, wie er es nennt, im Raum bilden. Inseln bedeuten Ärger. AJ, der es sich nicht leisten kann, hier zu sein, sich aber aus Einsamkeit in eine der Tänzerinnen verknallt hat und schließlich von Lonnie gewaltsam vor die Tür gesetzt wird. Und Bassam, ein Mann, der hier nicht sein dürfte; angeekelt von der Sündhaftigkeit der Ungläubigen und seinen eigenen Trieben.

Langsam und durchaus subtil baut Andre Dubus III ein Beziehungsgeflecht auf, springt kapitelweise zwischen den Erzählstimmen hin und her. Durch biografische Rückblenden kommen die Verlustgeschichten zum Vorschein: Bei AJ sind es Frau und Kind, die er per Gerichtsurteil nicht mehr sehen darf, weil er zu oft die Beherrschung verloren hat. Bei Bassam ist es der ältere, westlich orientierte Bruder, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Es braut sich etwas zusammen in dieser Spätsommernacht des Jahres 2001, und der Roman nimmt sich reichlich Zeit, um so etwas wie eine Handlung in Gang zu setzen.

Gerade, als man denkt, dass nun endlich auch einmal etwas passieren müsste, passiert etwas: Während April im Hinterzimmer mit dem betrunkenen Bassam ein merkwürdiges Gespräch führt, schlüpft Franny durch die Hintertür des Clubs und landet in AJs Armen. In einer Panikreaktion packt der das Kind ins Auto, fährt los und manövriert sich so in eine aussichtslose Lage. Die Dinge geraten in Bewegung.

Die großen Fragen

"Der Garten der letzten Tage" verhandelt im Subtext unaufdringlich die großen Fragen: Wer hat warum Macht über wen? Woran kann man glauben? In welchen Spielarten kommt das Böse in die Welt?

Der psychologische Relativismus, der sich aus dem gleichberechtigten Nebeneinander der authentischen Erzählstimmen ergibt, hat dabei etwas wohltuend Zurückhaltendes. Gut ist hier niemand, aber ist einer böser als der andere? Ist der bis zum Scheitel mit Wut aufgeladene AJ eher im Unrecht als April, die sich zunehmend als rein an Besitzstand orientierte Zynikerin entpuppt?

Andre Dubus III ist ein intelligenter Erzähler ohne Neigung zu klischeehaften Kurzschlüssen. Und doch stößt der Roman an seinem Gravitationspunkt, dem 11. September 2001, an seine Grenzen:

Die Passagen, die sich einem der Attentäter von 9/11 aus der Innenperspektive nähern, sind eindeutig die schwächsten. Und wenn April am Ende gegenüber der Polizei angibt, Bassam sei ihr bloß vorgekommen wie "ein betrunkener und einsamer Junge", ist die Grenze zum Schwulst nicht weit. Was ihm dagegen glücklicherweise abgeht, ist eine Tendenz zum Raunen, zum pathetischen Stochern in den Trümmern. Und so bleibt "Der Garten der letzten Tage" letztlich ein realistisches, gerade erzähltes Stück Literatur.

ANDRE DUBUS III: Der Garten der letzten Tage. Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. C.H. Beck Verlag, München 2009. 600 Seiten, 24,90 Euro.

© SZ vom 01.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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