Süddeutsche Zeitung

Die 500 besten Pop-Alben:Die Verlierer sind die Beatles

Der "Rolling Stone" hat über seine berühmt-berüchtigte Liste der 500 besten Alben aller Zeiten abstimmen lassen, unter anderem von Stars wie Beyoncé, Billie Eilish, Raekwon und The Edge. Sehr gute Idee.

Von Moritz Fehrle

Der amerikanische Rolling Stone hat seine berühmt-berüchtigte Liste der 500 besten Alben aller Zeiten runderneuert. Zum ersten Mal gab es die Liste des Magazins im Jahr 2003, zum zweiten Mal 2012. Doch während es die aufgefrischte Version von 2012 bei einigen kleineren Änderungen beließ und sonst immer noch stark von weißem Gitarren-Rock und großen Pop-Traditionalismus geprägt war, ist die neue Liste eine gründliche Neuausrichtung - und ein deutliches Zeichen für die großen Veränderungen im Pop in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Für die neue Liste wurden 300 Journalisten und Musiker, darunter Stars wie Beyoncé, Billie Eilish, Raekwon und The Edge nach einer Liste ihrer 50 Lieblingsalben gefragt. Zum neuen besten Pop-Album aller Zeiten kürten sie Marvin Gayes 1971 erschienenes politisches Konzeptalbum "What's Going On", das "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" von den Beatles entthronte. Es folgen "Pet Sounds" von den Beach Boys und Joni Mitchells "Blue". Die politischen Ereignisse der vergangenen Monate dürften hier Spuren hinterlassen haben, in den jüngsten Debatten um Polizeigewalt, Black Lives Matter und die gesellschaftliche Polarisierung gewann Marvin Gayes vom Vietnamkrieg und sozialer Ungleichheit inspiriertes Meisterwerk neue Relevanz. Im Titelsong der Platte heißt es: "We've got to find a way to bring some loving here today."

Auch sonst gibt es einige bemerkenswerte Veränderungen. Dafür etwa, dass der Rolling Stone nicht den Ruf hat, musikalisch besonders progressiv zu sein, verwundert wie jung und divers die Liste jetzt ist. 154 Alben sind zum ersten Mal dabei. Mit Kendrick Lamar, Beyoncé oder Kanye West sind endlich prägende Popkünstler der Gegenwart weit vorne vertreten. Sechs Alben aus dem 21. Jahrhundert sind auf einem der ersten 50 Plätze (insgesamt sind 86 Alben aus dem 21. Jahrhundert in der Liste), und etwa die Hälfte der hier vertretenen Künstler ist schwarz. 2003 waren es zwölf.

Auch in der Geschlechterverteilung zeigen sich Zeichen der Zeit. War in der ursprünglichen Fassung noch Joni Mitchell auf Platz 30 die höchstplatzierte Frau, finden sich in der neuen Liste immerhin fünf Soloalben weiblicher Künstler in den Top-50. Besonders überraschend: "The Miseducation Of Lauryn Hill", das Debütalbum der Sängerin und Rapperin Lauryn Hill kommt auf Platz 10.

Offensichtlicher Verlierer sind zweifellos die Beatles, die nicht nur nicht mehr auf dem ersten Platz stehen. Waren 2003 noch vier Alben in den Top 10 zu finden, ist es nun mit "Abbey Road" an fünfter Stelle nur noch eines. Andere Ikonen wie Elvis, Van Morrison oder Led Zeppelin finden sich nicht einmal mehr unter den ersten 50. Dafür zeigt sich die deutlich gestiegene Bedeutung von Hip-Hop. Schaffte es 2003 gerade einmal Public Enemys samplelastige Kampfansage "It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back" als einziges Rap-Album gerade so noch Erwähnung in den besten fünfzig Alben aller Zeiten (Platz 48), ist dort mittlerweile jede fünfte Platte ein Hip-Hop-Album - und "It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back" auf Platz 15.

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SZ vom 30.09.2020/cag
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