Rockfotografie: A Star Is Born:Als Bowie mit der Zunge zupfte

Ein blutverschmierter Sid Vicious neben Chagall, Marilyn Manson in Beißhaltung neben Kandinsky. Was ist passiert? Rock 'n' Roll ist passiert.

Nadine Barth

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Quelle: Daniel Kramer

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Ein blutverschmierter Sid Vicious neben Chagall, Marilyn Manson in Beißhaltung neben Kandinsky. Was ist passiert? Rock 'n' Roll ist passiert.

Soundduschen, Audioguides, Videoloops, Rockbüro. Mick Jagger an der Außenwand des ehrwürdigen Hauses. Gerade feierte man den 200000 Besucher, der die Ausstellung "Das schönste Museum der Welt" mit Werken von Chagall, Kandinsky, Marc und Beckmann besuchte und zum Dank ein Abendessen bekam.

Janis Joplin at Filmore East, 1968, Foto: Daniel Kramer.

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Quelle: Michael Ochs Archive / Corbis

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Der Neubau des Architekten David Chipperfield, dieses Jahr eingeweiht, hat das ohnehin schon angesehene Museum Folkwang in Essen in die vorderste Linie der internationalen Kulturstätten katapultiert. Und nun das. Verschwitzte, wilde Rocker in unzüchtigen Posen, Crossdresser, Halbnackte und Kiffer, ein blutverschmierter Sid Vicious von den Sex Pistols, Kinderschreck Marilyn Manson in Beißhaltung, Fans, entrückt und mit irrem Blick. Was war passiert?

Prince, 1985, Foto: Anonym.

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Quelle: Mark Seliger, aus: The Music Book

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Vor drei Jahren hatte Ute Eskildsen, die Leiterin der fotografischen Sammlung und Vize-Direktorin des Museums, die Idee, dem Genre der Musikfotografie zum RUHR.2010-Jahr eine würdige Bestandsaufnahme zu gönnen. Mit der RWE AG, die seit zehn Jahren besondere Projekte des Museums unterstützt, fand sich ein Partner für das Groß-Unternehmen - Motto "Kultur elektrisiert". Der Leiter des Museums, Hartwig Fischer, sagt, die Grenzen des musealen Kanons seien mit dieser Ausstellung eindeutig überschritten.

Chuck Berry, St. Louis, MO, 2001, Foto: Mark Seliger.

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Quelle: Elvis Initiativkreis Gelsenkirchen e.V.

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So ganz stimmt das natürlich nicht. Längst ist natürlich über die Bedeutung der Rockmusik auf die Entwicklung der Gesellschaft, auch die ihrer ikonographischen Bilder, geforscht, geschrieben, gestritten worden. Was Elvis' Hüftschwung auslöste, das Gitarrenzertrümmern von Jimi Hendrix oder Freddy Mercurys Siegesgeste, sind geklärt und in das kollektive Bewusstsein eingegangen.

Elvis in Memphis Auditorium, 1956, Foto: Anonym.

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Quelle: Ron Galella

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Man weiß, dass die Revolte der Nachkriegsgeneration zunächst durch den Rock'n'Roll eines Chuck Berry oder Little Richard beflügelt, später die Protestbewegung der 68er durch Gruppen wie The Who oder Festivals wie Woodstock kanalisiert wurde und der Punk als Lebenshaltung seinen Nährboden in der dazugehörigen Musik oder Anti-Musik fand. Aber was es wirklich bedeutete, mit einem Bild an der Konstruktion eines Images mitzuarbeiten - mit dieser Frage haben sich bisher höchstens ein paar Hardcore-Fans aus dem Bereich der Fotografie auseinandergesetzt.

Mick Jagger nach einem Konzert im Madison Square Garden 1981, Foto: Ron Galella.

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Quelle: Patrick Pantano

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Man weiß, dass die Revolte der Nachkriegsgeneration zunächst durch den Rock'n'Roll eines Chuck Berry oder Little Richard beflügelt, später die Protestbewegung der 68er durch Gruppen wie The Who oder Festivals wie Woodstock kanalisiert wurde und der Punk als Lebenshaltung seinen Nährboden in der dazugehörigen Musik oder Anti-Musik fand. Aber was es wirklich bedeutete, mit einem Bild an der Konstruktion eines Images mitzuarbeiten - mit dieser Frage haben sich bisher höchstens ein paar Hardcore-Fans aus dem Bereich der Fotografie auseinandergesetzt.

The White Stripes, 2001, Foto: Patrick Pantano.  

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Quelle: Jill Furmanovsky

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Die wenigstens Exponate, betont die Ko-Kuratorin Christiane Kuhlmann, sind auf dem klassischen Kunstmarkt, also in Galerien oder Sammlungen, verfügbar. Gedacht für eine zeitnahe mediale Verwertung, ob in Magazinen, als Tourplakate oder Autogrammkarten, wurden die Original-Negative und -Dias meist in den Verlagen oder Musikfirmen abgegeben und direkt für den Druck benutzt. Der reguläre Print, vielleicht sogar als limitierte Edition, war äußerst selten.

Morgan Webster / Menace, Roxy Club, London, 1977, Foto: Jill Furmanovsky.

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Quelle: Ron Galella

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Dieses rare Vintage-Material hängt nun hier, neben Neuprints und Orginial-Plattencovern (etwa der legendären "Sticky Fingers"-Hülle mit Reißverschluss von den Stones) und sogar Kaugummi-Sammelkarten von Elvis oder den Beatles. Die Kuratorinnen nahmen Kontakt mit Agenturen und Archiven in der ganzen Welt auf, besprachen sich mit den Fotoredakteuren von Bravo oder Rolling Stone und wurden auch in ihrer eigenen Sammlung fündig.

Mick Jagger und Jerry Hall auf dem Weg zu einer Party für Reid Rogers, 1984, Foto: Ron Galella.

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Quelle: Iggy Pop

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So gesellen sich Werke legendärer Musikfotografen wie Mick Rock (allein "Guitar Fellatio" von 1972, das einen knienden David Bowie zeigt, der die Gitarren-Saiten seines Bandkollegen mit der Zunge bespielt, ist schon den Eintritt wert) neben die ausgewiesener Fashionstars wie David LaChapelle (der eine poppig-religiöse "Courtney Love, Pieta, 2006-2008" beisteuert) oder Albert Watson (das Glam-Konterfei "Prince, 2004").

Iggy Pop, 5th St. Gym, Miami, 2001, Foto: Olaf Heine.

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Quelle: David Belisle

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Im Katalog sind penibel Titel und Entstehungsjahr, auch Größe und Printart der Exponate aufgelistet, so erfährt man etwa, dass eines der ersten Bilder der Beatles, das Astrid Kirchherr nach deren Auftritt im Star Club 1960 in Hamburg gemacht hat, ein Bromgelatineabzug ist, oder Kevin Westenbergs Schattenbild der springenden Coldplay-Members in Tokio von 2005 die Ausmaße von 127 x 157,4 cm hat. Sogar die Internet-Stars von heute dürfen mitspielen. Der visuelle Parcours durch gut fünfzig Jahre Rockgeschichte endet mit dem YouTube-Star Justin Bieber, der im Wohnzimmer auf seiner Gitarre klampft.

R.E.M. Encore Bow, 2005, Foto: David Belisle.

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Quelle: Charles Peterson

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Eine Zeitleiste der Ereignisse und Entwicklungen, der Konzerte und der Medienvorkommnisse, von der Erfindung der Jukebox 1915 über Erstverwendungen der Begriffe "Rock'n'Roll" oder "Heavy Metal" und markante Abgänge ("stirbt an einer Überdosis Heroin") bis zum "Hope for Haiti"-Benefiz-Konzert 2010, erdet die auf den zweiten Blick gar nicht mehr so ungewöhnlich wirkende Ausstellung.

"A Star is born - Fotografie und Rock seit Elvis", Museum Folkwang, Essen, bis 10. Oktober 2010. Der Katalog Folkwang/Steidl kostet 50 Euro im Buchhandel, 30 Euro im Museum. Informationen unter www.museum-folkwang.de oder unter der Telefonnummer 0201-8845 444.

Kurt Cobain, Commodore Ballroom, Vancouver B.C., 8.3.1991, Foto: Charles Peterson.

© sueddeutsche.de/luc
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