Das Spektakel beginnt bereits am Flughafen, wenn die "Ed Force One" landet. Das ist die Präsidentenmaschine des Heavy Metal, mit dem Zombie-Maskottchen Eddie auf der Heckflosse und Iron Maiden samt Equipment und Bier im Rumpf. Wie immer sitzt der Sänger und ehemalige Charter-Pilot Bruce Dickinson selbst am Ruder und steuert nicht etwa einen popeligen Lear-Jet wie irgendwelche Möchtegerns dereinst in den Flegeljahren des Rock, sondern er fliegt einen Jumbo. Für die neue 747-400 hat die britische Band ihre 757 aufgegeben. "Die war einfach nicht groß genug für das, was wir vorhaben auf der Tournee", sagt Dickinson. Gerade ist ein Bildband über das Statussymbol von Iron Maiden erschienen. Fans, denen das nicht reicht, bietet der Flughafen am Samstag und Sonntag Führungen zu "Flight 666" an, ohne Ausstieg auf dem Rollfeld und Besichtigung der Privatgemächer allerdings.
Mehr von den Altvorderen des British-Steel wird man auf jeden Fall am Sonntag haben, wenn sie das Finale des zweiten Rockavaria-Festivals im Olympiapark bestreiten. Außer alten Haudrauf-Hymnen wie "The Number of The Beast" lassen sie Stücke des neuen Albums "The Book of Souls" auf die Menge los, mit dem sie in 40 Ländern auf Platz eins gelandet sind.
Ob das reicht, die Massen in den Olympiapark zu locken? "Es ist schwer, das Line-up vom ersten Jahr zu toppen", sagt Andrea Blahetek-Hauzenberger, Geschäftsführerin vom örtlichen Veranstalter Global Concerts. Bei der Premiere kamen angeblich an jedem Tag im Schnitt 49 000 Besucher, um Kiss, Muse, Metallica und andere zu feiern. Es war nicht leicht, würdige Nachfolger zu finden: Heuer seien weniger Stars unterwegs und einige waren nicht zu haben. Rammstein etwa, die das Partnerfestival in Wien beehren, sind auch beim Konkurrenten Southside am Bodensee gebucht und fallen unter den Gebietsschutz. "Aber ich denke, wir brauchen uns nicht zu verstecken", sagt die Rockavaria-Chefin.
Stimmt. Mit 45 Bands ist das Open-Air der heftigen Töne zwar kleiner als zuletzt und reicht mengenmäßig nicht an den Branchenführer Wacken heran und auch nicht an Rock im Park am Wochenende darauf in Nürnberg, hat aber etliche Spezialitäten im Angebot. Etwa die Deutschland-Premiere des Films "Gutterdämmerung". Der "lauteste Stummfilm aller Zeiten" auf der Hauptbühne eines Rock-Festivals? Gewagt, aber spannend: Zumal viele Giganten der Szene (sogar der verstorbene Lemmy Kilmister) in dem Epos vom Kampf der bösen Langweiler gegen die guten Rocker auftreten, der Punkpoet Henry Rollins live dazu spricht und die Band von Iggy Pop Rock-Klassiker schmettert. Meister Pop selbst - im Film der Engel Vicious - tobt sich danach leibhaftig auf der Bühne aus. Und kann sich noch jemand erinnern, wann der seit mehr als 50 Jahren hyperaktive Godfather of Punk zuletzt in München war? Er vermutlich nicht.
Melodiesatter Symphonic Metal von den Finnen Nightwish, den Mannheimer Pop-Akademie-Absolventen Beyond The Black und den Cello-Rockern Apocalyptica kollidiert mit ultrabösem Grollen von Trash-Metallern wie Slayer oder Anthrax. Im kantigen Rahmen findet isländischer Elfen-Metal von Solstafir ebenso Platz wie Alpen-Core von Tuxedoo und Mittelalter-Rock von In Extremo. Da spielen die Punker Betontod, die Powerpopper Mando Diao und gar Garbage, die schon einmal für einen 007-Film den Titelsong lieferten. Spaß für die ganze Rocker-Familie.
So hartgesotten sie hören, so gemütlich wünschen sich die Gäste das Fest. Das haben die Organisatoren in Umfragen herausgefunden. Kritik gab es 2015 vor allem für die Theatronbühne, auf deren Tribüne man sitzen musste, wenn man überhaupt Platz fand. Daher wird diesmal ein schwimmendes Podium im Olympiasee installiert; die breiten Grasterrassen sind stets zugänglich und bieten genügend Platz, selbst wenn die alten Crossover-Helden Dog Eat Dog dort auftreten. Die Olympiahalle wird nicht mehr bespielt, dafür gibt es im Stadion auf zwei nebeneinanderliegenden Bühnen ein Konzert-Ping-Pong ohne Umbaupausen. Kein Warten, kein Anstehen, kein Hin- und Her-Gerenne, "chilliger" soll es werden. Da ist der Hard-Rocker anspruchsvoll - es muss ja nicht gleich ein eigenes Flugzeug sein.