"Rock The Kasbah" im Kino:"Rock the Kasbah" - ein Komödien-Desaster, bei dem man nicht wegschauen kann

Lesezeit: 3 min

Kabul sucht den Superstar: Bill Murray (rechts) als erfolgloser Rockmanager auf den Spuren afghanischer Talente. (Foto: Tobis)

Eben noch komplett schwachsinnig, plötzlich sentimental: Die Afghanistan-Persiflage "Rock The Kasbah" hat Bill Murray - aber sonst nicht viel.

Filmkritik von Tobias Kniebe

Sollten Menschen in Afghanistan, was ein gnädiges Schicksal verhindern möge, eines Tages "Rock The Kasbah" sehen, wird ein Schrei durch die karstigen Täler des Hindukusch hallen: warum?

Nach den Russen, den Warlords, nach Osama bin Laden, nach einem Bürgerkrieg von solcher Grausamkeit, dass anschließend sogar die Taliban als Ordnungskräfte begrüßt wurden, nach inzwischen fast vierzig Jahren Krieg und Besatzung und Tod: Musste jetzt auch noch dieser Film sein?

Die Antwort ist ja, höhere Mächte wollten es so. Die fanden schon die Grundidee von "Rock The Kasbah" - Bill Murray spielt einen weiteren seiner ausgebrannten, knuddelig depressiven Schwerenöter, diesmal aber in Afghanistan - richtig komisch. Denn die Möglichkeiten liegen doch auf der Hand: Kugeln pfeifen um seinen Kopf, Murray macht sein Saure-Zitronen-Gesicht. Ein Jeep explodiert vor ihm, Murray schaut herrlich ungläubig. Ein Jeep explodiert mit ihm drin, Murray, leicht derangiert, die wirren Haare angesengt, hat einen lustigen Tobsuchtsanfall. Ein Warlord lädt ihn zum Tee, Murray greift sich eine Ukulele und krächzt minutenlang "Smoke on the Water".

Ein bisschen Hoffnung für das gequälte Land? Sollten wir schon auch bieten, fanden die Macher

Man kann ansatzweise sogar verstehen, warum Barry Levinson, der mit "Rain Man", "Good Morning, Vietnam", vor allem aber mit dem unsterblichen "Diner" einer der Großregisseure der Achtzigerjahre war, sich auf solche Szenen eingelassen hat. Ein Teil war sicher Verzweiflung - seit etwa fünfzehn Jahren gelingt ihm, obwohl er unbeirrt weiterarbeitet, gefühlt überhaupt nichts mehr.

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Und ein Teil war vielleicht der Reiz der Respektlosigkeit: Terror, Krieg und Verwüstung konsequent als Komödienkulisse zu verwenden, kann ja was Subversives haben - siehe etwa "M.A.S.H" von Robert Altman.

Aber dann sollte man das auch eisern durchziehen, so wie The Clash mit ihrem Song "Rock The Kasbah", der hier den Titel liefert. Der war seinerzeit von Ayatollah Khomeini inspiriert, der nach der Revolution in Iran die ganze westliche Rockmusik verboten hatte. Aber The Clash waren natürlich nicht von der plumpen Idee beseelt, dass man islamistische Fanatiker nur mal richtig durchrocken müsse, um sie auf den rechten, sprich westlichen Weg zu bringen. Wie lächerlich man sich macht, wenn man solche Hoffnungen hegt, erlebt Europa gerade wieder. Und doch: Barry Levinson und sein Drehbuchautor Mitch Glazer können der Idee nicht ganz widerstehen.

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Es liegt wohl daran, dass sie Gewissensbisse bekommen haben: Ein bisschen müssen wir die Afghanen doch ernst nehmen, und ein bisschen Hoffnung für das gequälte Land sollte unsere Geschichte schon auch bieten. Zwar wird jedes nur denkbare Stereotyp aufgefahren, vom Kalaschnikow-schwingenden Wegelagerer bis zum selbstlosen Taxifahrer-Übersetzer-Welterklärer, aber der Ton des Films schwankt: Eben noch komplett schwachsinnig, mit haarsträubenden Auftritten von Zooey Deschanel über Kate Hudson bis Bruce Willis im Yippee-yay-yay-Söldnermodus, kippt er plötzlich ins Sentimentale.

Themen wie die Skrupellosigkeit von Waffenhändlern, Opiumanbau und Ehrenmorde werden angerissen und dann lieber schnell wieder vergessen, und als Bill Murray schließlich eine echte Mission bekommt, nimmt das Unheil endgültig seinen Lauf.

Richie heißt seine Figur, von Beruf ist er Rockmanager, randvoll mit Anekdoten über alles von Woodstock bis Madonna, die aber wegen chronischer Erfolglosigkeit allesamt erfunden sind. Doch dann passiert es, tief in den Bergen der tiefreligiösen Paktia-Provinz - und man fragt besser erst gar nicht, wie Richie dort hingekommen ist. Jedenfalls hört er nachts in einer versteckten Felsengrotte, die strengen Imame schlafen wohl, die zauberhafte Stimme einer jungen Afghanin. Sie singt Lieder von Cat Stevens. Und das ist, wie sich dann herausstellt, auch ihr ununterdrückbarer Wunsch und Lebenstraum: mit Coverversionen von Cat-Stevens-Songs weltberühmt zu werden.

Dieser Lebenstraum soll allerdings kein Witz sein, sondern ein bewegendes Motiv - die mutige Salima (Leem Lubany) muss ihrer Berufung folgen, trotz Verboten und Todesdrohungen ihres schwarz gelockten und wildäugigen Stammesführer-Vaters. Aber warum Cat Stevens? Weil man afghanische Musik niemandem zumuten kann, Cat Stevens aber immerhin Muslim ist? Ja, das hat seine eigene Logik.

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Richie alias Murray jedenfalls wittert seine Chance. Den Steinzeit-Islam in die Schranken weisen, endlich mal was für die Emanzipation der Frau tun, gleichzeitig reich werden und seine Schulden loswerden, zudem einem traumatisierten Volk ein wenig Hoffnung bringen - Salima könnte die Lösung vieler Probleme sein. Er hilft dem Supertalent bei der Flucht und bringt sie in der tatsächlich existierenden und sogar populären Fernseh-Talentshow "Afghan Star" groß heraus. So groß, dass nicht nur der Vater, sondern gleich das ganze Land seinen religiösen Zwangsvorstellungen schlagartig abschwören muss: die Macht der Musik, Sie wissen schon.

Als finale Verhöhnung eine Widmung

War den Beteiligten wenigstens klar, wie gratismutig, beiläufig imperialistisch, die schlimmsten Befürchtungen über das weiße, männliche, halbverschrumpelte Alte-Säcke-Hollywood bestätigend das erhebende Finale mit Cat Stevens' "Peace Train" ist? Man sollte wohl nicht drauf wetten.

Denn als finale Verhöhnung wird das ganze Desaster auch noch einer realen Afghanin namens Setara Hussainzada gewidmet. Die trat wirklich mal bei "Afghan Star" auf, zeigte dabei zu viel Haar unter dem Schleier, wurde prompt abgewählt muss bis heute versteckt leben. Denn die Todesdrohungen gegen sie nehmen einfach kein Ende.

Rock the Kasbah , USA 2015 - Regie: Barry Levinson. Buch: Mitch Glazer. Kamera: Sean Bobbitt. Mit Bill Murray, Bruce Willis, Kate Hudson, Zooey Deschanel, Leem Lubany. Tobis, 106 Minuten.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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