Roberto Saviano:Zwischen Politik und Plagiat

Roberto Saviano, italienischer Autor und prominenter Vertreter der Antimafiabewegung, dementiert das Gerücht, er wolle eine Partei gründen. Aber der Neapolitaner sorgt auch wegen seines Umgangs mit Quellen für Gerede.

Henning Klüver

Italien ist auf der Suche nach unverbrauchten Gesichtern, die den politischen Parteien die verlorene Glaubwürdigkeit zurückbringen können. Viele Namen werden ins Spiel gebracht. Und während etwa die Diskussion um eine künftige politische Rolle des Ferrari-Chefs Luca di Montezemolo durchaus realistische Hintergründe hat, stammen andere aus der Gerüchteküche. So haben vor allem rechtsorientiere Medien Roberto Saviano nachgesagt, er wolle bei kommenden Wahlen mit einer eigenen Liste kandidieren.

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Mafiamonologe: Roberto Saviano.

(Foto: dpa)

Dagegen wehrt sich jetzt der Autor des Antimafia-Buches "Gomorrha" in einem Interview mit dem Wochenmagazin L'Espresso: Er sei ein "Erzähler", der sich eine politische-kritische Haltung gestatte, fühle sich aber keiner politischen Gruppierung verpflichtet und wolle auch keine eigene gründen. Dass er nun der "Politiklust" verdächtigt werde, solle seine Glaubwürdigkeit erschüttern.

Saviano, der wegen Todesdrohungen der Mafia unter Begleitschutz lebt, hat sich in letzter Zeit besonders bei Fernsehauftritten zu Wort gemeldet. Zusammen mit dem Moderator Fabio Fazio machte er 2010 im dritten Kanal des Staatsfernsehens RAI die Sendereihe "Vieni via con me/ Geh mit mir weg" zu einem Publikumserfolg. Die gelungene Mischung von Unterhaltung und Gesellschaftskritik war auf Dauer in der damals von der Berlusconi-Regierung kontrollierten Sendeanstalt nicht tragbar, eine geplante zweite Staffel kam nie zustande.

Die Monologe, die Roberto Saviano in der Sendung vortrug, wurden dann als Buch bei Feltrinelli veröffentlicht und liegen inzwischen auch auf Deutsch unter dem etwas pathetischen Titel "Der Kampf geht weiter" bei Hanser vor. In den Monologen geht es etwa um das Erdbeben von L'Aquila, um die Aushöhlung der Verfassung unter Berlusconi oder die Untergrabung der italienischen Einheit durch die Lega Nord. Aber natürlich spielt "das" Saviano-Thema eine Hauptrolle: die organisierte Kriminalität. Wie kaum ein anderer hat der Autor dem in Italien eher ungeliebten Thema Mafia eine breite Öffentlichkeit gesichert.

Sein Publikum feiert ihn wie einen Helden, übersieht aber manchmal, dass es in Italien Dutzende von weniger berühmten Journalisten und Künstlern gibt, die wegen ihrer Antimafia-Tätigkeiten ebenso wie Saviano mit Begleitschutz leben müssen - von den bedrohten Staatsanwälten und Justizbeamten ganz zu schweigen.

Die Welle der Sympathie für die Antimafiabewegung kann im Übrigen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich besonders in Wirtschaftskreisen eine Grauzone der Mitwisser- und Mittäterschaft gebildet hat, weil es genügend Gruppen gibt, die von der Zusammenarbeit mit der organisierten Kriminalität profitieren. Das sei in der Bundesrepublik nicht viel anders, schreibt Saviano im Vorwort für die deutsche Ausgabe seines Buches: "Wenn die Mafiaorganisationen in Deutschland erfolgreich sind, dann deshalb, weil die deutsche Wirtschaft und Politik, ja die deutsche Kultur von dieser Allianz profitieren." Allerdings bleibt der Autor konkrete Belege für diesen recht globalen Vorwurf schuldig.

Zuletzt ist Saviano wegen des Umgangs mit seinen Quellen ins Gerede gekommen. Bereits nach der Veröffentlichung von "Gomorrha" gab es Stimmen, die seine "romanhafte Ausbeutung" dokumentierter Vorgänge kritisierten. Jetzt sind es linke Kreise, die ihn unter Plagiatsverdacht stellen. In einer vom privaten Kanal "La 7" ausgestrahlten neuen Show von Fabio Fazio hielt der Schriftsteller unter anderem einen Monolog über einen Asbest-Skandal in der Stadt Casale Monferrato (Piemont) und trug dabei - wie die linke Tageszeitung Il Fatto Quotidiano ausführlich dokumentierte - über weite Strecken Passagen aus dem Buch eines anderen Autors vor.

Und schließlich fragen sich auch viele Freunde von Saviano, warum er in einer eher nebensächlichen Angelegenheit eine Klage gegen die Zeitung Corriere del Mezzogiorno, die Regionalbeilage des Corriere della Sera in Süditalien, mit einer Schadenersatzforderung von sage und schreibe 4,7 Millionen Euro angestrengt hat. Die Zeitung hatte einen Brief von Marta Herling, der Enkelin des Philosophen Benedetto Croce, veröffentlicht, in dem sie eine Aussage Savianos über ihren Großvater widerlegt - was der Schriftsteller als "verleumderische Kampagne" ansieht.

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