Robert-Crumb-Ausstellung in Paris:In der Umklammerung von Monsterfrauen

Skeptische Selbstporträts, die Schöpfungsgeschichte und ein Tunnelblick mit Brüsten: Eine Ausstellung in Paris zeigt unbekannte Zeichnungen und drastische Strips des Comic-Genies Robert Crumb. Die missglückte Schau ist typisch für die Probleme der Museen mit der Comic-Kunst.

Catrin Lorch

11 Bilder

Robert Crumb

Quelle: Abb.: Katalog

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Skeptische Selbstporträts, die Schöpfungsgeschichte und ein Tunnelblick mit Brüsten: Eine Ausstellung in Paris zeigt unbekannte Zeichnungen und drastische Strips des Comic-Genies Robert Crumb. Die missglückte Schau ist typisch für die Probleme der Museen mit der Comic-Kunst.

Als vor einigen Jahren das Werk von Robert Crumb in Köln mit einer ersten Retrospektive geehrt wurde, entwarf der Comic-Zeichner als Plakat ein Selbstporträt, darunter stand als Ausstellungstitel ein skeptisches: 'Yeah, but is it art?' Das war natürlich im Jahr 2004 schon längst nicht mehr die Frage.

Seit den siebziger Jahren haben sich Museen für alle Formen der Bildproduktion geöffnet; wo Magazinseiten oder Industriefotografie gewürdigt werden, kann ein Zeichner wie der 1943 in Philadelphia geborene Crumb kein Fremder sein.

Robert Crumb

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Wer in das Werk gut eingelesen war, konnte allerdings die Frage auch umdrehen in dem Sinn, dass sich da einer in den Armen des Museums und in den Fängen der Kunstgeschichte nicht recht aufgehoben fühlt, weil er die Umklammerung von Monsterfrauen vorzieht: Robert Crumb hat Mitte des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff Comix eine Erzählform vorangetrieben, die als die tiefe Penetration des amerikanischen Unbewussten gelten muss. Sein Stift hinterließ Images, die wirken, als seien Sex- und Gewaltphantasien, subkultureller Alltag direkt in sie gefahren.

Robert Crumb

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Wer so mit Bildern und Buchstaben umgeht wie Robert Crumb, dem dürfen die Gebäude der Kunst, aufgeschüttet aus Rhetorik, Theorie und weißen Hallen, mindestens suspekt sein. Deswegen bleibt jede museale Präsentation eine Herausforderung - das Scheitern seiner Schau in Paris ist symptomatisch dafür, dass sich das Museum mit der Comic-Kunst immer noch schwertut. Allerdings nicht, weil es zu unbeweglich wäre, im Gegenteil, es fasst die Außenseiter nach wie vor zu vorsichtig an.

Robert Crumb

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Crumb selbst dagegen hat seine Serie 'Abstract Expressionist Ultra Super Modernistic Comics' im Jahr 1967 bissig-satirisch angelegt. Er lässt dafür musizierende Wasserwerfer auffahren, setzt Abstraktionen im riffeligen Crumb-Zeichenstrich um, hängt Textblasen voller Noten und spickt einen Tunnelblick mit Brüsten. Und auch die Ausstellung im Museum Ludwig wurde nicht von Comic-Ignoranten kritisiert, die sich vor dem Rohen oder Sexuellen grausten, sondern von den Fans.

Die störten sich daran, dass Crumb als Zeichner vorgestellt wurde. Dass starke Einzelmotive, fein durchgearbeitete Bleistiftskizzen, Zeichnungen im Stil von August Sander ausgewählt wurden, als gelte es, einen verhinderten Künstlers heimzuholen.

Robert Crumb

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Doch Crumbs fleddrige Comic-Bücher sind seit Jahrzehnten dem Underground Kult und Legende, einer Szene also, die es goutiert, dass Figuren wie Mr. Natural, Eggs Ackley, Shuman the Human nicht etwa einer Genealogie von Zeichner-Urahnen bis hin zu Breugel oder den zeichnenden Deutschen der Renaissance-Zeit entspringen, sondern LSD-Trips.

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Das Pantheon, in dem sich Genies wie Art Spiegelman und Robert Crumb begegneten, ist nicht der akademische Zeichensaal. Es war eine Entscheidung dieser Generation - deren atemberaubendem Talent sich keine Kunstschule verschlossen hätte -, einen Raum namens 'Underground' für das eigene Werk zu schaffen.

Crumb war schon damals der Meister, der Janis Joplin ein Album-Cover zeichnete und den Rolling Stones eine Abfuhr erteilte (weil er deren Musik nicht ausstehen konnte). Und er wurde über die Jahre zur Legende einer Szene, die sein OEuvre in lückenlosen Sammlungen besitzt. Vergriffene, billig kopierte, im Eigenvertrieb an der Haustür verscherbelte Heftchen aus den Sechzigern sind als Erstauflagen fast so rar wie Originale.

Zu Recht fürchtet niemand seine Nerd-Fans so wie amerikanische Kult-Autoren. Weshalb Robert Crumb Mitte der neunziger Jahre mit Frau und Tochter nach Südfrankreich zog.

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Dass sich jetzt ein renommiertes französisches Haus wie das Musée d"Art moderne de la Ville de Paris des Werks annimmt, ist auch deshalb folgerichtig. Und mit großer Selbstverständlichkeit zeigt man in Frankreich - wo Comics einen anderen kulturellen Stellenwert haben als in Deutschland - den ganzen Crumb, in aller Vollständigkeit, vorsichtig chronologisch sortiert.

Doch das tut dem Werk nicht gut - unter dem Titel "R. Crumb. De l"underground à la Genèse" steht es fast hermetisch da, gefangen in einer Chronologie, für die mehr als dreihundert Arbeiten gerahmt und gehängt wurden, manche umfassen viele Blätter, die in noch mehr Einzelbildchen zerfallen. Was man kaum ansehen kann. Nicht nur weil ein mit Bildern austapezierter White Cube keiner mehr ist. Sondern auch weil Comic-Zeichner die einzelnen Motive ihrer Strips nicht ruhen lassen, sondern das Bild stets mit der Geschichte auf dem Sprung ist, während auch der Text weiter will - Comic ist Literatur, zum Strip gehören Dialoge, Erzählung, Geräusch.

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Das weiche Fell der Yeti-Frau muss genauso verführen, wie ihr Sound: Smack, Shlerp, Smeerp. Dass man viele Seiten eines Comic-Bandes zügig durchqueren kann, ist anarchische Freude der Comic-Leser. Doch eben weil die Motive nie stillhalten, verurteilen sie den Ausstellungsbesucher dazu, an der Wand entlangzustreifen, haltlos und monoton.

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Weil Comics zudem insoweit ein Produkt der Popkultur sind, als sie im wieder erkennbaren Strich und Tonfall ihrem Publikum allwöchentlich oder monatlich angeboten werden. Dass Robert Crumb seit gut fünfzig Jahren zeichnet, ist für seine Anhänger auch deswegen faszinierend, weil die minimale Bewegung seines Werks suggeriert, dass da einer in Kalifornien noch immer ungebeugt am Kopierer rattert.

Dabei bedarf es eigentlich der genauen Betrachtung, dass sich mit dem Umzug der Familie Crumb - seine Frau Aline Kominsky-Crumb, selbst eine Größe der Comic-Szene, ist als Partnerin ins Werk eingestiegen - das Zentrum des Comix-Mythos nicht nur um einige Längengrade, sondern auch um ein paar Schnittmengen verschoben hat: R. Crumb zeichnet jetzt auch den Alltag der Expats in Frankreich.

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Verdichtet sich hier ein anarchischer Ansatz schlussendlich in Titelbildern für den New Yorker oder Zeichnungen für die New York Times, oder wird es zu seinem eigenen Image?

Und wie verhält sich ein Mammutprojekt wie das nach der Jahrtausendwende begonnene Projekt, das Alte Testament in einen Comic zu transformieren, zu der Sinnsucher-Anarchie eines Mr. Natural? Gott und Freak sehen sich phänotypisch ziemlich ähnlich. Doch die Schau konfrontiert nicht, sondern richtet der Genesis-Bilderfolge weihevoll einen eigenen Saal ein.

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Vielleicht ist das Spätwerk des fast 70-jährigen Autors nicht milde, aber doch zumindest sehr selbstbezogen. Dieser Künstler verlässt sich auf die Marke Crumb, die Drastik, die Komik, den bösen Strich. Man nennt das in der Kunstgeschichte Alterswerk. Robert Crumb, dem immer noch Radikalen, ist dieser Stillstand nicht vorzuwerfen. Wie es auch sein Werk nicht diskreditiert, dass er es inzwischen über internationale Galerien verkauft und von den Grafikabteilungen großer Museen verwahren lässt.

Doch warum ist die Kunst so vorsichtig? Warum traut man sich nicht mehr, als Crumb genauso vollständig, nur irgendwie originaler, zu zeigen als jede Gesamtausgabe? Die Institution Museum hat sich geöffnet - jetzt werden es Zeichner, Fotografen, Typografen aushalten müssen, dort nicht nur aufgesockelt, sondern kritisch gewürdigt zu werden.

"R. Crumb. De l"underground à la Genèse" im Musée d"Art moderne de la Ville de Paris. Bis zum 19. August. Der Katalog kostet 30 Euro.

© SZ vom 05.06.2012/mahu
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