Süddeutsche Zeitung

Robert Atzorn verlässt den Tatort:Unter Zwangspensionierten

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Er ist der vierte Kommissar in neun Monaten, dessen Rücktritt die Branche beschäftigt, doch bei Robert Atzorn liegt der Fall anders: Er war immer herausragend - doch die meisten Tatorte dann irgendwie doch nicht.

Christopher Keil

Als Robert Atzorn vor fünf Wochen, vielleicht waren es sechs, mit Doris Heinze über sein Engagement im Hamburger Tatort sprach, stand am Ende "Einvernehmlichkeit". Einvernehmlichkeit beschreibt einen Zustand, in dem zwei nicht mehr das gleiche, sich aber sonst nichts Böses wollen.

Seine Tatort-Figur Jan Casstorff, sagt Atzorn, sei nach sieben Jahren einfach auserzählt. Heinze, die Fernsehspielverantwortliche des Norddeutschen Rundfunks (NDR), legt Wert darauf, dass "eine gemeinsame Haltung" festgelegt worden sei. Atzorn wird demnächst den 15. und letzten Tatort seit 2001 drehen, von Herbst 2008 an braucht das Hamburger Kommissariat ein neues Team. Anfang Mai, sagt Heinze, werde die Besetzung bekannt gegeben.

Auch Ursula Karven, die als Staatsanwältin und Casstorff-Geliebte Ende November 2005 in die Episoden eingebunden wurde, wird verabschiedet. Es werde, lässt der NDR verbreiten, bereits ein Stoff für Karven und Atzorn entwickelt. Ach, hoch im Norden ist die Fernsehwelt noch anständig.

Robert Atzorn, 62, ist der vierte Tatort-Kommissar in neun Monaten, dessen Rücktritt die Branche beschäftigt. Der von Jochen Senf, 64, dargestellte Saarländer Palu wurde sommers 2006 zwangspensioniert (und von Maximilian Brückner ersetzt). Im Februar trat Dietz-Werner Steck, 70, als Schwaben-Bulle Bienzle letztmals in Erscheinung (Nachfolger: Richy Müller).

Kollege Peter Sodann, 70, hätte gerne noch zehn Jahre als Leipziger Ermittler Ehrlicher gearbeitet. Vom MDR, der Simone Thomalla und Martin Wuttke unter Vertrag nahm, fühlt sich der Mime "vor die Tür gesetzt". Auf die 45. Folge folgt nur noch sein Ausstieg.

Senf war 18 Jahre im Dienst des Tatorts, Sodann und Steck je 15. Atzorns Fall liegt, man erkennt es schon an der Dauer, anders. Als Nachfolger der populären Swing-Schnüffler Stoever/Brockmüller (Manfred Krug/Charles Brauer) hatte er einen schweren Einstieg, sein Rückzug hat wohl damit zu tun, dass er noch ein paar andere Geschichten erzählen möchte - in Hauptrollen.

Der Quotendurchschnitt seiner Tatorte war passabel: 8,06 Millionen. Zum Vergleich: die beliebten Kölner Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt/Dietmar Bär) kommen auf 8,62 Millionen.

Tatorte schenken zwar Sicherheit, aber sie legen fest. Atzorn, der bekannt wurde als Lehrer Doktor Specht, sagt, er sei Wassermann und müsse beweglich bleiben. Er ist ein beweglicher Schauspieler und war zuletzt an ambitionierten Projekten beteiligt: am Kanzleramt (ZDF), an der Affäre Semmeling (ZDF), auch am 90-Minüter "Die Frau des Architekten" (ARD). Atzorn war immer herausragend, die Mehrteiler und Filme und die meisten Tatorte waren es dann irgendwie doch nicht.

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Quelle:
SZ vom 11.4.2007
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