Robert Bly ist gestorben:Vielleicht zu frei

Jan 09 2008 Minneapolis Minnesota USA Portrait of poet ROBERT BLY at his home PUBLICATIONxIN

"Hubschrauber flattern oben. Die Todes-/biene kommt": Dichter, auch gegen den Vietnamkrieg, Robert Bly.

(Foto: imago stock&people/imago/ZUMA Press)

Robert Bly dichtete, blieb Außenseiter und versuchte den modernen Mann vor sich selber zu retten. Jetzt ist er mit 94 gestorben.

Von Willi Winkler

Der Tag begann mit ein paar Versen, das Schreiben fiel ihm leicht. "Er schaute hoch in einen Baum", sagt seine Tochter, "und verwandelte ihn in ein Gedicht." Tausende davon sind entstanden, dazu Übertragungen von Neruda bis Tranströmer und Trakl, aber berühmt geworden ist Robert Bly als Herold einer Bewegung, die den amerikanischen Mann vor sich selber retten wollte. Bly berief sich auf das Grimm'sche Märchen vom Eisenhans, der rostig auf dem Grund eines "tiefen Pfuhls" haust und doch ein unerlöster König ist. Diesen Mann wollte er wieder in seine Rechte eingesetzt haben, ihn in bester deutscher Therapiesprache befreien von der Unfähigkeit zu trauern.

Im Amerika der Konzerne, verkündete Bly ab 1990 einer grundverstörten Anhängerschaft, werden den Männern alle Gefühle ausgetrieben, dafür lernen sie den "Kampf Mann gegen Mann". Amerika sei eine vaterlose Gesellschaft, auch die Mütter böten keine Hilfe mehr, die Popkultur habe die Religion abgelöst, ohne sie ersetzen zu können, der Mann sei deshalb steckengeblieben in einer ewigen Adoleszenz.

Unter Blys Anleitung zog man sich gruppenweise in die Wälder zurück, verkleidete sich, trommelte ein bisschen, erzählte sich Träume und beklagte den Verlust des Vaters, der das Kind, kaum dass es geboren ist, verlässt, um ins Erwerbsleben zu fliehen. Bly litt an seinem eigenen Vater, der sich ins Saufen gerettet hatte. Der Sohn wollte weg und allein Dichter sein. Vom subpolaren Minnesota zog er an die Ostküste, studierte in Harvard und gab eine Zeitschrift heraus.

Mythen und Märchen sollten helfen, den Formalismus der Moderne zu umgehen

In New York fand er keinen Anschluss an Altersgefährten wie Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Jack Kerouac und kehrte wieder zurück in seine nördliche Heimat, beschrieb den frühen Schnee dort, das Licht in den Bäumen, die Arbeit auf der Farm, das einfache Leben, das doch längst von der Mechanisierung der Landwirtschaft aufgefressen war. Als Tolstoianer engagierte sich Bly gegen den mörderischen Vietnamkrieg, sah in die Bäume hoch, wo jetzt der Tod kam. "Hubschrauber flattern oben. Die Todes-/biene kommt. Überschalljäger schießen/hin und her wie Knäuel neurotischer Energie .... Jetzt sitzen wir neben den Sterbenden und halten ihre Hand./Keine Zeit für einen Abschied."

Trotz Bestsellerruhm und National Book Award war Bly seinen Zeitgenossen kaum als Dichter bekannt, dafür war er zu wenig modern, waren seine freien Verse allzu frei. Was er dem amerikanischen Mann empfahl, den Blick nach innen, wie er ihn bei den europäischen Lyrikern sah, war maßgeblich auch für sein eigenes Werk.

Mythen und Märchen sollten helfen, den Formalismus der Moderne zu umgehen und zum Ursprungsempfinden der reinen Bilder zu gelangen. In dem Band "Snowbanks North of the House" (Schneebänke nördlich vom Haus), 2007 in deutscher Übersetzung beim "Verlag im Wald" erschienen, denkt er gut rilkesch über sein Leben nach: "Gern hätte ich mein Leben damit verbracht,/Wäscheklammern herzustellen. Nichts hätte darunter gelitten,/Außer ein paar Kiefern, die wahrscheinlich auf meinem Grund/Gestanden hätten und nachgewachsen wären." Noch einfacher, noch schöner ist dieses Bild: "Nach vielen seltsamen Gedanken/Gedanken an ferne Häfen, ein neues Leben/Kam ich herein und entdeckte das Mondlicht, wie es im Zimmer lag." Am Sonntag ist der Mythopoet Robert Bly 94-jährig in Minneapolis gestorben.

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