PopInsgesamt viel Politik

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„Ich mag Golf und Fußball – hin und wieder singe ich.“ Robbie Williams bei einem Auftritt während der Fifa-Club-WM 2025.
„Ich mag Golf und Fußball – hin und wieder singe ich.“ Robbie Williams bei einem Auftritt während der Fifa-Club-WM 2025. (Foto: Angela Weiss/AFP)

Istanbul sagt ein Konzert von Robbie Williams ab. Wegen Sicherheitsbedenken? Weil seine Frau Jüdin ist? Über die fortgesetzten politischen Grabenkämpfe um Konzertbühnen.

Von Jakob Biazza

Man tritt Robbie Williams wohl nicht zu nahe, wenn man ihn als politisch eher semi-engagierten Geist bezeichnet. Er betont das ja selbst. In dieser Zeitung auch schon. Es liege ihm nicht, sagte er vor ein paar Jahren in einem Interview, sich um die Details zu kümmern, die wichtig werden, wenn man sich zu Politischem sinnvoll äußern will. „Ich mag Golf und Fußball – hin und wieder singe ich.“ Das vorweg, wenn es jetzt mal wieder um Politik geht. Und vielleicht auch um Details.

Am Wochenende war das Konzert des Sängers in Istanbul von der Stadtverwaltung abgesagt worden. Zur Begründung, so schrieb Williams das auf Instagram, habe man ihm gegenüber „das Interesse der öffentlichen Sicherheit“ genannt. Ob es Terrorwarnungen oder Ähnliches gegeben hatte, ist nicht bekannt. Williams hätte am 7. Oktober in der türkischen Stadt als Abschluss seiner aktuellen „Britpop“-Tour auftreten sollen. Ein reguläres Konzert also, das zufällig auf den Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel fiel, bei dem die Terroristen etwa 1200 Menschen getötet und Hunderte als Geiseln genommen haben. So viel erst mal zu den Details.

Was die Politik betrifft: Unter den ersten Kommentatoren waren sich die meisten schnell sicher, dass die Absage in Wahrheit damit zusammenhängt, dass die Schauspielerin Ayda Field, mit der der Brite verheiratet ist, einen türkischen Vater und eine jüdische Mutter hat. Williams soll während eines Konzerts außerdem erklärt haben, das Paar erziehe seine Kinder im jüdischen Glauben. Die internationale Boulevard-Presse berichtete, wie man das gerade wohl besonders schnell macht, von „massiven“ Anfeindungen. Unter anderem sei der – siehe oben – einigermaßen hanebüchene und völlig unbelegte Vorwurf aufgetaucht, der 51-Jährige sei Zionist.

Im Sommer wollte die SZ mit 15 Veranstaltern über die aufgeheizte Stimmung sprechen. Drei waren zu einem Gespräch bereit

Das wäre mal wieder die sogenannte Lage, zu der man womöglich noch ergänzen kann, dass sich, wenigstens mit kurzer Recherche, gar nicht sonderlich „massiv“ viele Anfeindungen im Netz finden.

Sicher ist immerhin, dass derartige Debatten gerade oft auftauchen, in dieser Zeit, in der Konzert- und Festivalbühnen regelmäßig zum Ort politischer Grabenkämpfe werden. In der Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood gemeinsame Konzerte mit dem israelischen Musiker Dudu Tassa in Bristol und London absagen muss, weil es „hinreichend ernst zu nehmende Drohungen“ gab. In der die Aktivisten der in Teilen antisemitischen BDS-Bewegung, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, dazu aufrufen, die anstehende Radiohead-Tour zu boykottieren. Begründung: „Complicity must have consequences“ (Komplizenschaft muss Konsequenzen haben).

In einer Zeit auch, in der Jan Böhmermann den Rapper Chefket von seinem Kunstfestival auslädt, nachdem Kulturstaatsminister Wolfram Weimer dem Musiker vorgeworfen hatte, das Existenzrecht Israels zu leugnen. Grund: Videos, in denen Chefket T-Shirts trägt, die die Landkarte eines palästinensischen Staates ohne Israel zeigen. Im Sommer erhielten die Bands Kneecap und Bob Vylan für antisemitische und menschenverachtende Aussagen mehr Aufmerksamkeit, als es mit Blick auf ihre kommerzielle Größe üblich gewesen wäre. Ein paar Veranstalter sagten Shows der Künstler ab. Viele Fans feierten sie umso inniger. Insgesamt aufgeheizte Lage – auch und gerade für Veranstalter. Während der Festivalsaison wollte die SZ deshalb von möglichst vielen von ihnen hören, wie sie mit dem Thema umgehen. Von 15 Agenturen, die dabei angefragt wurden, waren nur drei zu einem Gespräch bereit.

Williams wiederum kommentierte die Absage. Ebenfalls auf Instagram schrieb er: „Ich bin äußerst traurig, dass ich nächste Woche nicht in Istanbul auftreten kann.“

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