Kinderbuch:Maybelle auf dem Weg in die Music City

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Das Roadmovie erzählt davon , wie ein Mädchen zusammen mit ihren Freunden, auf der Suche nach ihrem Vater in Nashville ist.

Von Siggi Seuss

Ausgangspunkt: Davenport in Louisiana - ein fiktiver Ort, der schnell real wird, wenn man die elfjährige Maybelle Dorothy Lane kennenlernt, die Erzählerin in Kate O'Shaughnessys Debütroman "Das Glück wartet nur bis um vier". Ende der Reise: Nashville/Tennessee, wo May an einem Gesangswettbewerb des Radiosenders WKBC 101.3 teilnehmen will. Dazwischen: tausend Meilen on the road. Im Wohnmobil mit Mrs. Boggs, einer Lehrerin, und mit dem gleichaltrigen Tommy, der sich als blinder Passagier eingeschlichen hat. Das ist das Grundgerüst der von Barbara Lehnerer ins Deutsche übertragenen Geschichte: Ein Mädchen auf dem Weg in die Music City. Nicht vorrangig um am Wettbewerb teilzunehmen, sondern um ihren Vater - einen beliebten Radiomoderator - kennenzulernen. Der sitzt in der Jury und ahnt wohl nichts von der Existenz seiner Tochter, die mit der Mutter in einer Wohnmobilsiedlung lebt.

Gleichzeitig spielt die Autorin mit den Sehnsüchten, die amerikanische Roadmovies wecken.

Um diesen Grundkonflikt herum hat die Autorin ein filigranes Netz aus Ereignissen und Erinnerungen, aus Nebenhandlungen und überraschenden Wendungen, aus Stimmungen und Geräuschen geflochten, das ihre Mission dorthin führt, wo Maybelle Dorothy Lane am Ende sein soll: in einen Zustand des Selbstvertrauens, in dem sie nicht mehr so von ihren Ängsten und Selbstzweifeln gepiesackt wird wie am Anfang der Geschichte.

Deshalb streut Kate O'Shaughnessys immer wieder Hinweise auf das "Learning by Doing" von Mut, Verstand und Herzensgüte in die Handlung ein, so wie das Löwe, Vogelscheuche und Blechmann im "Zauberer von Oz" erfahren haben. Auch die drei Musketiere bleiben nicht unerwähnt ("Alle für einen. Einer für alle."). Gleichzeitig spielt die Autorin mit den Sehnsüchten, die amerikanische Roadmovies nun mal wecken. Man fühlt sich etwa an die Hollywood-Tragikomödie "Little Miss Sunshine" erinnert oder an Kate DiCamillos "Louisianas Weg nach Hause". Auch die amerikanische Folkmusik - von Country bis Blues - klingt einem während der Fahrt von Louisiana über Mississippi nach Tennessee im Ohr. Maybelles Mutter ist eine begnadete, wenn auch augenblicklich noch wenig erfolgreiche Folksängerin, die sich selbst auf der Gitarre begleitet. Die Tochter hat offensichtlich das Talent geerbt, nicht aber das Zutrauen. So findet man in der Geschichte also ziemlich viele Elemente aus bekannten Genres, Motiven und Milieus und - geschickt darin eingebettet - Mays trotzdem ganz eigene Reise zu sich selbst. "Das Glück wartet nur bis um vier" ist zwar ein Wohlfühlroman, aber einer, der nicht auf Oberflächen dahin schlittert. In ihm tummeln sich Menschen, die dumme und böse Dinge tun, genauso wie solche, hinter deren rauer Haut Herzensgüte, Courage und Verstand zum Vorschein kommen. Aber um die einen von den anderen zu unterscheiden, muss man schon mindestens einmal von Davenport über Baton Rouge, Jackson und Memphis nach Nashville unterwegs gewesen sein. Und so gemächlich wie Mrs. Boggs am Steuer ihres nicht nur mit Büchern überfrachteten Wohnmobils.

Kate O'Shaughnessys: Das Glück wartet nur bis um vier. Aus dem Englischen von Barbara Lehnerer. dtv junior, 2021. 304 Seiten, 12,95 Euro.

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