"Zoom In" von Ringo Starr:Der Alleinunterhalter

Ringo Starr

Ringo Starr ist übrigens schon geimpft und "könnte sofort mit euch allen abhängen".

(Foto: Scott Robert Ritchie/Universal Music)

"Als ich anfing, brauchte man noch Hammer und Meißel, um eine Platte aufzunehmen." Eine Pressekonferenz mit Ringo Starr - der womöglich immer noch etwas frischer antworten als singen kann.

Von Joachim Hentschel

Frage: "Mögen Sie Beethoven?" Antwort Ringo Starr: "Ja, besonders seine Gedichte." Oder: "Als der Motor des Flugzeugs beim Landeanflug zu rauchen begann, was dachten Sie da?" - "Beatles, Frauen und Kinder zuerst!" Und natürlich der Klassiker, gefragt während der ersten USA-Reise der Beatles 1964 und später mehrfach nachgespielt: "Wie fanden Sie Amerika?" Ringo: "Wir flogen nach Grönland und bogen rechts ab."

Soll heißen: Bei den Pressekonferenzen, die die Beatles früh in ihrer Karriere öfter abhielten, war der Schlagzeuger und Bandälteste, Ringo Starr, immer eine verlässliche Kraft. Antworten konnte er besser als singen. Leider machte er in den gut 50 Jahren seit Ende der Band Letzteres deutlich öfter. Erst vergangene Woche kam neue Ringo-Musik auf den Markt, eine sogenannte EP mit fünf Titeln, quasi ein halbes Album: "Zoom In", ein Pandemieprodukt mit bärigem Classic Rock, wie man ihn sonst in Thomas-Gottschalk-Sendungen oder auf Autobahnabschnitten mit schlechtem Radioempfang hört. Starr singt, dafür wirbt er wie so oft mit prominenten Mitmusikern von Doors-Gitarrist Robby Krieger über Toto-Mitglieder bis Background-Sänger Paul McCartney.

Und wie ebenso oft kann man dem Schlawiner nicht wirklich böse dafür sein.

Interessant wurde die Sache, als Starrs Management eine kurzfristige Ankündigung in die Welt schickte. Ringo werde sich, im Sinne des EP-Titels, um 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit in einen Zoom-Chat einloggen - und ausgewählte Journalisten könnten dabei sein. Mit anderen Worten: eine Pressekonferenz. Fast wie damals in den 60ern. Bloß in Farbe. Besser konnte es nicht kommen.

Die "Beatles" lassen sich impfen. Das dürfte Signalwirkung haben, noch bevor der FC Bayern drankommt

Der einzige Haken: Um das Procedere straff zu halten, könne man Fragen nur schriftlich stellen, via Chatfunktion. Eine Moderatorin werde geeignete Beiträge auswählen und sie Ringo Starr dann, im Namen der Zuhörenden, live vorlesen. Womit die interessantesten Themen - von Yoko Ono über die schwachen Verkaufszahlen seiner Soloplatten bis zur Filmszene mit Starr und den nackten Galeerensklavinnen in "Magic Christian" - schon mal wegfielen.

Es gibt sehr wenige Künstlerinnen und Künstler, bei denen man sich das bieten lassen würde, aber überlebende Beatles gehören nun mal dazu. Und schließlich gibt die "Zoom In"-EP in der Tat ein Rätsel auf, dem man investigativ auf die Pelle rücken sollte: Hört Ringo Starr denn überhaupt noch neue Musik - und wenn ja, beeinflusst sie seine Arbeit? Das sollte unsere Frage sein.

18 Uhr, über den Geheimlink rein in den Chat, und ja, da ist er wirklich. Ringo Starr, geboren als Richard Starkey, 80, mit getönter Brille und schwarzem Kapuzenpulli, erstaunlich frisch und gebürstet, vor einer leeren Arbeitszimmerwand im Haus in Los Angeles. Beendet eben noch ein Videotelefonat mit dem Sohn, macht sein berühmtes Love-and-Peace-Gehampel. 103 Teilnehmer zeigt Zoom zeitweise an, und natürlich geht es in der Pressekonferenz erst mal ausführlich um die aktuelle Mission, die Aufnahmen zur Musik. Wie er die alten Recken teils vor Ort empfangen hatte, mit Masken, Tests und allem, wie die andere Hälfte aus der Distanz eingespielt wurde, und so weiter.

"Ich habe das Haus in einem Jahr nur acht Mal verlassen", sagt Ringo Starr, der seinen Liverpooler Seefahrerakzent noch heute wie eine wertvolle historische Apfelsorte pflegt. "Aber jetzt habe ich meine zwei Spritzen bekommen und könnte sofort mit euch allen abhängen." Die Beatles lassen sich impfen. Es könnte bereits weltweite Signalwirkung haben, noch bevor der FC Bayern drankommt.

"An mehr kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern"

Und auch sonst bestätigt Starr die schönsten Hoffnungen. Dreht, nach vollendeter PR-Pflichterfüllung, selbst die generischsten Fragen zu großen oder derben Gags. "Ob sich die Studiotechnik im Lauf meiner Karriere verändert hat?", gibt er zurück. "Wollt ihr mich verarschen? Als ich anfing, brauchte man noch Hammer und Meißel, um eine Platte aufzunehmen." Er erzählt von den Star-Club-Tagen in Hamburg, die er als seine wichtigste musikalische Schule sieht, und verrät, dass es in der für August angekündigten "Get Back"-Dokumentation von Peter Jackson eine 43-minütige, großartige Sequenz über das Dachkonzert der Beatles von 1969 zu sehen gebe. "Ich weiß noch, wie ich irgendwann in den 70ern auf irgendeinem großen Platz in Mexico City war", antwortet er dann auf eine Frage zweier lateinamerikanischer Journalisten, die dazu hysterisch und stumm in ihre Webcams winken, "aber an mehr kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern." Womit auch das biografisch ziemlich relevante Thema Alkohol abgedeckt wäre.

"Zoom In" von Ringo Starr: "Diese unglaubliche Künstlerin": Ringo Starr übergibt einen Grammy-Award an Billie Eilish und ihren Bruder und Produzenten Finneas.

"Diese unglaubliche Künstlerin": Ringo Starr übergibt einen Grammy-Award an Billie Eilish und ihren Bruder und Produzenten Finneas.

(Foto: Kevin Winter/AFP)

Und dann, ja, dann wird sie tatsächlich von der Moderatorin vorgelesen, die eingegebene Frage: "Hören Sie noch neue Musik, und wenn ja, beeinflusst sie Ihre Arbeit?"

Antwort Ringo Starr: "Ich war ja erst vor wenigen Tagen bei der Grammy-Verleihung und durfte Billie Eilish einen Award überreichen, dieser unglaublichen Künstlerin", antwortet Ringo Starr. "Ich höre mir immer noch an, was es Neues gibt. Aber ich spiele halt, was ich spiele. Dass Sie mich in absehbarer Zeit rappen hören, ist unwahrscheinlich."

Womit die investigative Mission geklärt wäre und einem bereits alles Süffisante leidtut, das man über Ringos neue "Zoom In"-EP gesagt hat. Er spielt, was er spielt - hat das nicht schon Sokrates gesagt? Und was wäre überhaupt so schlecht daran, wenn Ringo Starr doch einmal rappen würde? Love and Peace, "Yellow Submarine", die einfachen Beats. Selbst im Jahr 2021 kann man noch so viel von den Beatles lernen.

Zur SZ-Startseite
Vor 40 Jahren wurde John Lennon ermordet

SZ Plus40. Todestag von John Lennon
:In alle Ewigkeit

John Lennon war kein guter Mensch, aber ein großer Künstler. Und er beweist: Wer die Welt als Rockmusiker verbessern will, muss mit mindestens einem Trauma ins Leben starten. Ein Hymnus zum 40. Todestag.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: