Süddeutsche Zeitung

Ringer Alexander Leipold über "Foxcatcher":"Alle hatten auf ihn zu hören"

Der Kino-Film "Foxcatcher" handelt vom Mord an dem US-Ringer Dave Schultz. Der deutsche Ringer Alexander Leipold kannte Opfer - und Täter - persönlich. Er vermutet gekränkte Eitelkeit als Motiv.

Von Paul Katzenberger

Es ist eine verstörende Geschichte, die sich tatsächlich zugetragen hat, und aus der Regisseur Bennett Miller nun den Film "Foxcatcher" (Besprechung: hier) gemacht hat, der gerade in den deutschen Kinos angelaufen ist. Es geht um den Mord an dem amerikanischen Ringer Dave Schultz, der 1996 aus nächster Nähe erschossen wurde. Und um den Mörder, den durchgeknallten Multimillionär John E. du Pont, letzter Vertreter der Gründerfamilie des weltumspannenden Chemiekonzerns DuPont.

Einer, der den Täter persönlich kennengelernt hat, ist der deutsche Ringer Alexander Leipold, zweifacher Welt- und vierfacher Europameister im Freistilringen in den Neunzigerjahren. Dass er und der schwerreiche Industriellenspross überhaupt jemals zusammentrafen, hatte mit du Ponts Leidenschaft für den Ringsport zu tun. Eigentlich hatte der Firmenerbe Zoologie studiert, sogar promoviert, bevor er sich in den Achtzigerjahren für das Ringen zu begeistern begann.

Auf seiner weitläufigen "Foxcatcher"-Farm baute er dann eine Trainingsanlage auf, die so gute Bedingungen bot, dass sich die amerikanische Ringer-Nationalmannschaft dort unter Führung der Brüder Dave und Mark Schultz auf die Olympiade 1988 vorbereitete. Die ringenden Geschwister waren für du Pont Aushängeschilder - jeder von ihnen hatte bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles eine Goldmedaille gewonnen.

Leipold seinerseits kannte die Brüder Schultz von Weltmeisterschaften und lernte ihren Förderer du Pont bei einem Wettkampf der Weltauswahl im Jahr 1995 im russischen Wladikawkas kennen.

"Die hohe Kunst des Ringens"

Von Bennett Millers Film ist Leipold beeindruckt: Es gebe zwar Übertreibungen, doch "die Ringer-Szenen waren wirklich super", lobt er. "Dass das wirklich Schauspieler gemacht haben, ist bewundernswert." Die Wettkämpfe, die Mark Ruffalo und Channing Tatum in ihren Rollen als Dave und Mark Schultz zeigten, das sei die hohe Kunst des Ringens. "Jeder Ringer hat ja seinen eigenen Bewegungsstil, und den haben die wirklich sehr gut nachgemacht."

Vor Gericht konnte seinerzeit nie geklärt werden, warum John du Pont schließlich den Mord an Dave Schultz beging, und auch Bennett Miller gibt im Film nur Hinweise, die Interpretationsspielräume lassen. Der deutsche Ex-Ringer und letztjährige "Let's Dance"-Teilnehmer hat seine eigene Erklärung: "Ich glaube, der Ausgang dafür, dass Dave Schultz umgebracht wurde, lag darin, dass er nicht wie ein dressierter Hund das gemacht hat, was du Pont wollte. Er hatte eine eigene starke Meinung."

Die "eigene starke Meinung", von der Leipold spricht, spiegelt sich im Film besonders in einer Szene, in der Dave Schultz dem Mäzen und dessen Anwalt nach einem Zerwürfnis einen Deal anbietet, der an Bedingungen geknüpft ist. Du Pont ist erst baff - dann entrüstet. "Das war für ihn etwas, was gar nicht ging, denn alle hatten auf ihn zu hören", erklärt Leipold die Parallelen zwischen Fiktion und Wirklichkeit.

Warum tat es sich ein schwerreicher Mann wie du Pont überhaupt an, jenseits der 50 noch ins Ringen einzusteigen? Eine Disziplin, von der es heißt, sie sei die härteste Sportart überhaupt. Channing Tatum sagte nach seinem Engagement bei "Foxcatcher": "Man kann Fußball oder Basketball spielen, aber Ringen spielt man nicht. Ringen ist ein verzweifelter schmerzhafter Kampf, sogar im Training."

Leipold hat auch dafür eine Erklärung: "Ringen gilt als die härteste Sportart, und wenn da einer sagt, er kann ringen und er hat ein Ringercamp, und kann einen Olympiasieger und Weltmeister herumzeigen, dann hat das in Amerika eine deutlich andere Aussagekraft als bei uns."

Ringen gehöre in den USA zu den Top-Fünf-Sportarten, es gebe dort mehrere Hunderttausend Ringer, im Vergleich zu 20 000 in Deutschland. "In jeder Schule und in jedem College wird in den USA gerungen, es gibt dort Schulwettkämpfe mit 20 000 Zuschauern", verdeutlicht Leipold. Der Nationaltrainer erhalte in den USA ein Gehalt in Millionenhöhe, sogar die besten Trainer in den Colleges und High Schools seien in dieser Größenordnung dotiert.

Warum dann der jüngere Bruder Mark Schultz zu Beginn des Filmes als jemand dargestellt wird, der sozial abgestiegen ist, vor dem Nichts steht, obwohl er einen Olympiasieg in einer der populärsten Sportarten seines Heimatlandes vorweisen kann, ist für Leipold ein Rätsel: "Dass der da gezeigt wird, wie er einen Vortrag hält, 20 Dollar dafür bekommt, und keiner kommt - das kann ich mir fast nicht vorstellen. Das habe ich ganz anders kennengelernt", wundert sich der Ex-Weltmeister.

Ringer gedenken Dave Schultz bei Gedächtnis-Turnier

Gute Ringer seien in den USA überall gerne gesehen als Motivatoren, die Vorträge halten, und als Werbepartner. "Die bekommen da richtig gutes Geld." Die Darstellung Marks als gesellschaftlicher Verlierer kann sich Leipold nur dadurch erklären, dass der Ringersport in den Achtzigerjahren wohl noch nicht so durchkommerzialisiert war wie heute.

Der Ringsport habe dem ermordeten Dave Schultz stets gedacht, betont Leipold: "Es gibt das Dave-Schultz-Gedächtnisturnier in Colorado, da waren wir mit der Nationalmannschaft noch ganz oft. Es ist tragisch, wenn man jemanden als Sportlerkollegen kennt und hört dann, dass der erschossen wurde."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2342788
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/jobr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.