"Ring"-Regisseur Frank Castorf:Bayreuth, pure DDR

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Öl, Texas, Aserbaidschan - so will Frank Castorf den "Ring der Nibelungen" in Bayreuth inszenieren. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Jeder von außen ist der Feind": Der Regisseur des neuen "Ring des Nibelungen", Frank Castorf, nimmt in Bayreuth eine Stimmung wie in einer ehemaligen Diktatur im deutschen Osten wahr. Ob ihn das an einem Jahrhundert-"Ring" hindert?

Von Christine Dössel

Am Freitag um 18 Uhr ist es soweit: Im Bayreuther Festspielhaus öffnet sich der Vorhang für die mit Spannung erwartete Neuinszenierung des "Ring des Nibelungen" zum 200. Geburtstag von Richard Wagner.

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Frank Castorf, der Regisseur der insgesamt auf 17 Stunden Dauer veranschlagten Großproduktion, will Wagners Opern-Tetralogie als eine Geschichte über Erdöl, Industrialisierung und Globalisierung erzählen, mit szenischer Bezugnahme auf Texas und Aserbaidschan - das hat Castorf, berühmt-berüchtigter Stücke-Zertrümmerer und Langzeit-Intendant der Berliner Volksbühne, schon 2011 verraten, nachdem er kurzfristig als Retter dieses "Rings" zugesagt hatte.

Wim Wenders war nach langem Ringen abgesprungen, wie zuvor auch schon andere prominente Regisseure, die von den Festspiel-Herrinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier angefragt worden waren.

Viel Zeit für den Jubiläums-"Ring" blieb Frank Castorf nicht. Für Interviews offenbar auch nicht. Die hatte er zunächst alle abgesagt - um in einem Gespräch mit dem Spiegel nun doch noch etwas über die Produktionsbedingungen auf dem notorisch verschwiegenen Grünen Hügel herauszulassen. Etwa, dass es da zugehe, als arbeite man für Gute Zeiten, schlechte Zeiten, die Soap. "Rheingold", den ersten Teil des Opern-Zyklus, habe er in nur neun Tagen inszenieren müssen, "das ist natürlich Wahnsinn".

Castorf sieht sich insofern als "Dienstleister", der gar nicht erst einen Jahrhundert-"Ring" im Sinn habe: "Mir reicht ein Jahres-'Ring'." Darüber hinaus hat er in Bayreuth neben einer gewissen "Postbeamtenmentalität" eine Stimmung wahrgenommen, die ihn schwer an den deutschen Osten erinnere: "Jeder von außen ist der Feind. Das ist pure DDR."

Jedes Verbot machte den Provokateur noch berühmter

Wenn sich einer mit Stimmungslagen im deutschen Osten auskennt, dann der Bühnen-Berserker Castorf, dessen wild assoziatives, mit viel Trash und Theorie angereichertes, intellektuell wie ästhetisch Kapriolen schlagendes, sich früh von jeglicher Rahmensetzung befreiendes Theater sich radikal an der Tristesse des DDR-Kleinbürgertums abarbeitete.

So machte Castorf, geboren am 17. Juli 1951 in Ostberlin als Sohn eines Eisenwarenhändlers, schon in der DDR-Provinz Furore, vor allem von 1981 bis 1985 als Oberspielleiter in Anklam, wo zu seinen Premieren ganze Autokolonnen aus Berlin anreisten.

Jedes Verbot machte den Provokateur noch berühmter, und als er schließlich 1992 die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz übernahm, die er noch immer leitet (bis 2016 geht sein Vertrag), da schien es, als sei mit diesem Mann das Missing Link zwischen Ost- und West-Theater gefunden.

Castorf hat an der Volksbühne längst postdramatische Theatergeschichte geschrieben, von den Kartoffelsalat-Schlachten der frühen Jahre bis hin zu seinen Dostojewski-Adaptionen von Wagner'scher Länge. Dieser Regisseur muss niemandem mehr etwas beweisen - es sei denn doch mit einem Jahrhundert-"Ring".

© SZ vom 24.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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