Berliner Kunstbetrug:Kunsthändler soll mit Richter-Fälschung betrogen haben

Berliner Kunstbetrug: Die Fälschung

Die Fälschung

Im Oktober wurde ein bekannter Berliner Galerist festgenommen - laut Polizei verursachte der Betrug "einen Schaden von mehreren Millionen Euro".

Von Jörg Häntzschel

Kürzlich ging ein Schock durch die Berliner Kunstwelt, nicht die junge, hippe, sondern die aus alten Westberliner Zeiten: Am 17. Oktober wurde ein Galerist mit besten Kontakten in Politik und Society festgenommen. Laut der Berliner Polizei soll er "im Zusammenhang mit dem Kauf hochwertiger Kunstwerke mehrere Personen betrogen und dabei einen Schaden von mehreren Millionen Euro verursacht" haben.

Viel weiß man über die einzelnen Vorwürfe bisher nicht. Doch ein anderer Fall, die Geschichte des Gemäldes "Abstraktes Bild (705-2)" (1989) von Gerhard Richter, dessen Fälschung der Händler in Umlauf gebracht haben soll, dürfte diese, sollte sie sich tatsächlich so zugetragen haben, noch in den Schatten stellen. Der Händler, dessen Galerie seit längerem in den roten Zahlen stecken soll, soll sich bei einem Sammler Geld geliehen haben. Da er den Kredit offenbar nicht zurückzahlen konnte, soll er dem Sammler stattdessen das Richter-Gemälde gegeben haben. Der Sammler lieferte es bei Christie's in New York ein, wo es im vergangenen Mai versteigert werden sollte. Er konnte mit 800 000 Euro bis einer Million Euro dafür rechnen.

Berliner Kunstbetrug: Das Original: Gerhard Richters "Abstraktes Bild (705-2)" von 1989.

Das Original: Gerhard Richters "Abstraktes Bild (705-2)" von 1989.

(Foto: Gerhard Richter 2019 (0245))

Zuvor aber bat das Auktionshaus den Leiter des Gerhard-Richter-Archivs der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dietmar Elger, um Auskünfte und schickte ihm ein Foto des Werks. Elger, der das Originalbild zuletzt 2015 bei einer Ausstellung in der Galerie gesehen und auch fotografiert hatte, erkannte bald, dass es sich bei der New Yorker Version um eine Fälschung handelte. Auf mehrfache Bitten der SZ um eine Stellungnahme, sowohl zu den Vorwürfen, die Grundlage für das Ermittlungsverfahren waren, als auch zu dem Fall des angeblich gefälschten Richter-Gemäldes, reagierte der Händler nicht. Auch sein Anwalt antwortete nicht auf Anfragen.

Als der Richter-Experte Elger das Foto des Gemäldes sah, staunte er: "Ich konnte kaum glauben, dass jemand sich hinsetzt und so ein abstraktes Bild fälscht, das ja im Bildaufbau und in der Struktur sehr komplex ist." Immer mal wieder, so Elger, seien ihm Bilder untergekommen, die mit "Richter" gezeichnet und in seinem Stil gemalt worden waren, aber "dass jemand versucht, ein vorhandenes abstraktes Bild abzumalen", das habe es noch nie gegeben. Rätselhaft ist auch, warum der Fälscher die groben Strukturen des Originals übernommen, viele Details aber ganz anders gestaltet hat, etwa in der rechten oberen Ecke.

Für den Kunsthistoriker Hubertus Butin, der an einem Buch über Kunstfälschungen schreibt, ist der Fall besonders bemerkenswert, weil Richter die Farbe bei seinen abstrakten Gemälden nicht mit dem Pinsel aufgetragen, sondern mit der Rakel über die Leinwand gezogen hat. Die Struktur der Farbschlieren lässt sich dabei nicht genau vorhersehen. Deshalb galt es "bisher als unmöglich, ein abstraktes, mit der Rakel hergestelltes Bild nach einem bestehenden Vorbild nachzuahmen", so Butin. Statt die Rakel zu benützen hat der Fälscher den Rakel-Effekt mit dem Pinsel imitiert - und das, so Elger, recht überzeugend.

Wer der Fälscher ist, weiß übrigens auch Elger nicht, er spekuliert aber, dass er in China sitzen könnte, wo der Händler eine Niederlassung haben soll. Vom Originalgemälde fehlt jede Spur.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag, der erstmals in der SZ vom 23. Oktober 2019 erschien, wurde aus rechtlichen Gründen geändert.

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