Süddeutsche Zeitung

Richard Lester zum 80.:Einer großen Sache auf der Spur

Lesezeit: 2 Min.

Sein Sinn für Humor kommt eher britisch daher, doch der Amerikaner Richard Lester zog erst zum Filmemachen nach London. Dort traf er mit den Beatles-Filmheiligtümern "A hard day's night" und "Help" das Lebensgefühl der Sechziger. Schon da zeigte sich sein oberstes Ziel: die Zeit zu reflektieren, in der er dreht. Nun wird er 80.

Susan Vahabzadeh

Ein Traum von einem Wohnzimmer, komplett mit Sandwichautomat, versenkbarer Orgel und einem Rasen, den ein ländlich kostümierter Haussklave mit zwei Gebissen trimmt - das war alles Jahre bevor Monty Python ihren ersten Sketch drehten, am Anfang des Beatles-Films "Help" (1965).

Die Fab Four, John, Paul, George und Ringo, haben da gerade ihre vier bescheidenen Reihenhäuschen betreten, und ein gemeinsames gigantisches, irrwitziges Hightech-Wohnzimmer tut sich hinter der biederen Fassade auf.

Der Regisseur Richard Lester hat einen Sinn fürs Verdrehte. Sein Sinn für Humor kommt eher britisch daher, und immerhin hat er vor "Help" schon das andere Beatles-Filmheiligtum, "A Hard Day's Night", gedreht. Aber er ist gar kein Engländer, er ist Amerikaner, und nach London zog er erst zum Filmemachen, im Jahr 1953.

Richard Lester stammt aus Philadelphia, geboren 19. Januar 1932, er hatte mit Techniker-Jobs angefangen und führte schon nach einem Jahr Fernsehregie - "Es gab", sagt Lester, "einfach niemanden, der es sonst getan hätte."

In England hat ihn dann schnell der Komiker Peter Sellers entdeckt. Ein Stück von Lester lief im Fernsehen, und am nächsten Tag klingelte bei ihm das Telefon: "Sie kennen mich nicht", sagte Sellers, "aber ich habe gestern Ihre Show gesehen, und das war entweder das Schlechteste, was das britische Fernsehen je ausgestrahlt hat oder Sie sind womöglich einer großen Sache auf der Spur." Die zwei machten die Comedy-Reihe "The Idiot Weekly" zusammen, Sellers verhalf Lester zu seiner ersten Kinoregie ("It's Trad, Dad", 1962) - und dann kamen die Beatles.

Nie zufrieden

"The Knack" war dann noch so ein Film, der mit absurdem Humor das Lebensgefühl der Sechziger traf, zwischen Verwirrung und Aufbruchstimmung, darauf folgten die Kriegssatire " How I Won the War" mit John Lennon und die Klamotte "Toll trieben es die alten Römer" (1966). Aber Lester wollte Veränderung, und die kam vor allem mit "Petulia" (1968): Julie Christie als drangsalierte, missbrauchte Frau auf der Suche nach Glück, einer der kältesten, grausamsten und intellektuellsten Filme, urteilte Roger Ebert - Lesters abstrakte Analyse des American Way of Life.

Letztlich hat Lester sich dann doch der Kinoindustrie unterworfen, machte Katastrophenfilme wie "18 Stunden bis zur Ewigkeit" (1974) mit Richard Harris und übernahm schließlich, als Richard Donner nach dem ersten Teil von den "Superman"-Produzenten weggeekelt worden war, die Regie beim zweiten und dritten Teil.

Steven Soderbergh, der ihn als Filmemacher verehrt, hat ihm ein Denkmal gesetzt mit seinem Buch "Getting Away with It", das immer wieder auf ein langes Gespräch zwischen den beiden zurückkommt. Seine kommerziell erfolgreichsten Filme sind nicht seine besten, aber sein oberstes Ziel, erzählt er Soderbergh, war sowieso immer, die Zeit zu reflektieren, in der er dreht. Und hinterher ist er nie zufrieden: "Die eigene Arbeit anzuschauen, ist schmerzhaft . . . Es macht gar keinen Unterschied, welcher Film es ist, irgendwie sind alle Filme kleine Grabsteine, einer an den anderen gelegt, mit ein bisschen Füllmasse dazwischen."

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SZ vom 19.01.2012
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