Richard Jacksons Installationen in Frankfurt:Unsere irre Farm

Richard Jacksons Installationen in Frankfurt: Details aus der Ausstellung der „Rooms“ von Richard Jackson in der Frankfurter Schirn.

Details aus der Ausstellung der „Rooms“ von Richard Jackson in der Frankfurter Schirn.

Vati teilt alles: Die Frankfurter Schirn Ausstellungshalle zeigt gleich mehrere "Rooms" von Richard Jackson. Der amerikanische Bildhauer ist 80 und ungebremst böse. Seine fiesen Installationen würde er keinem Sammler verkaufen.

Von Till Briegleb

Richard Jackson arbeitet noch auf dem Bau, sagt sein Kurator Matthias Ulrich. Dabei ist Jackson 80 Jahre alt. Er wird von einer der wichtigsten Galerien der Welt vertreten, Hauser & Wirth, und hat gerade eine aufregende Ausstellung in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt. Warum muss dieser Mann auf einer Baustelle schuften? Warum ist er nicht Stammgast in Restaurants mit kleinen Portionen und großen Preisen? Für alle Besucher, die Jacksons Tiraden gegen den Kunstmarkt nicht kennen, beantwortet ein Zettel am Eingang in Frankfurt die Fragen sehr freundlich.

"I don't really care about fame", steht da. "I just want to be proud of what I've done." Diese Haltung - sich lieber nicht allzu sehr für den eigenen Ruhm zu interessieren, dafür mehr für die eigene Arbeit - ist bei Richard Jackson nicht kokett, sondern fundamental. Er bezeichnet Sammler als "Trottel" mit "kotzblödem Lebensstil" und verlangt von der Kunst, dass sie sich nicht von einer "hirnrissigen Kultur" einverleiben lässt, die alles nach "Geld und solchem Dreck bewertet".

Auf Akademien oder Biennalen kann man solche antikapitalistischen Wutreden auch hören. Aber Achtzigjährige beißen in der Regel nicht mehr die Hand, die sie füttert. Außer Richard Jackson. Der stapelt frech hunderte Gemälde so zu Mauern, dass man nur die Ränder, nicht die Motive sieht. Und seine "Rooms", die hier erstmals gemeinsam gezeigt werden (immerhin fünf von existierenden zwölf), kann man nicht aus den Depots irgendwelcher Sammler leihen. Sie lagern in einer Halle auf Jacksons Farm in Sacramento. Nur er entscheidet, was damit geschieht.

Diese großen Installationen, die Jackson 1976 begann und plante, deren finale Realisierung er aber erst von 2002 an umsetzte, sind von dem bewusst infantilen Trotz gegen die amerikanische Konsumkultur erfüllt, den so viele US-Künstler der Nachkriegsgenerationen leitete: ob es Jacksons Freunde Bruce Nauman und Paul McCarthy sind oder die jüngeren, bereits gestorbenen Kommentatoren der amerikanischen Nachtseiten wie Jason Rhoades oder Mike Kelley. So wird der Besucher von einem nackten Hintern begrüßt, der sich auf einem Esstisch dreht. Aus dem Poloch wurde in der Geburtsperformance der Installation "The Dining Room" 2007 rote Farbe über debile Familienmitglieder gespritzt, die mit verschmiertem Kopf auf dem Teller schlafen oder ein gelbes Smiley-Gesicht zeigen, denn: "Dad shares all the shit from work at the dining table", wie Jacksons Projektskizze verrät, Vati teile alles.

Dieser verspritzte Farbauftrag, Jacksons Version von Jackson Pollocks "Drip Paintings", verbindet alle seine "Rooms". Im "Delivery Room" wird auf einem Drehtisch eine martialische Entbindung gezeigt, wo mit dem Baby auch gleich alle Innereien der Frau vom Onkel Doktor herausgerissen sind. Diese Figuren wurden ebenso mit Farbe gefüllt, bis sie überlaufen wie ein paar Disney nachempfundene Enten mit Busenaugen in Militäruniformen im "War Room". Im "Maid's Room", eine Referenz zu Courbets Unterleibsporträt, "Der Ursprung der Welt", sieht der Voyeur durch einen schmalen Fensterschlitz zwischen die Beine einer nackten Puppe, die mit einem Staubsaugerschlauch gelbe Farbe ejakuliert hat.

Zu dieser ironischen Haltung gehört auch, dass Jackson sich als "Maler" bezeichnet

Diese Drehbühnen, Peepshows und Tableaus verraten aber nicht nur etwas vom Zorn des Künstlers auf die verlogene Oberflächlichkeit des amerikanischen Traums von Schönheit und Gier. Sein farbiger Amoklauf erzählt vor allem vom seelischen Brutkasten der Gewalt, für den er die erbitterte Konkurrenz um Geld, Macht und Applaus im kapitalistischen System (und im Kunstmarkt) hält. Im Gegensatz zu Paul McCarthy, der provozierende Strategien der Entblößung betreibt, demaskiert Jackson die us-amerikanischen "Tugenden" aber eher mit den Mitteln der Satire.

Zu dieser ironischen Haltung gehört auch, dass Jackson sich als "Maler" bezeichnet. Denn bei seiner "Malerei" handelt es sich um willkürlich erzeugte Spuren performativer Prozesse, deren technische Apparaturen das eigentliche Subjekt bleiben. Etwa wenn in seinem "Bed Room" ein farbbeschüttetes Bett zur Decke fährt und dort kreisrunde Schlieren malt: die Gemälde sind nur Schmiermittel einer kritischen Idee, so wie man Spucke für einen Schmähgesang braucht.

Nach der letzten großen Ausstellung 2013 in der Villa Stuck in München ist diese erste Präsentation seiner "Rooms" ein weiterer Schritt, einem Ruhm-Asketen den fälligen Ruhm zukommen zu lassen. Nicht nur für seine unermüdlichen Versuche, das Scheinheilige im Kunstmarkt offen zu legen. Sondern vor allem als ein Künstler, dem es in seinem Werk darum geht, die Kehrseiten kapitalistischer und politischer Eitelkeit zu thematisieren. Auf das Ergebnis in der Schirn kann er jedenfalls stolz sein - auf der Baustelle, auf der er gerade ist.

Richard Jackson. Unexpected, Unexplained, Unaccepted. Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, bis 3. Mai 2020. Katalog (Verlag Kettler): 112 Seiten, 32 Euro. Info: www.schirn.de

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