Richard Gere im Interview"Bitte vergessen Sie, dass ich Schauspieler bin"

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Sagt Richard Gere, Ex-American-Gigolo und ehemaliger "Sexiest Man alive" beim Interview in Berlin. Keine leichte Aufgabe. Der Tibet-Aktivist Richard Gere über Buddhismus, die Politik Chinas und seinen Freund, den Dalai Lama.

Edeltraud Rattenhuber

Bei der "Cinema for Peace Gala" in Berlin tritt der 57-Jährige als Vorsitzender der International Campaign for Tibet auf und will ausschließlich so wahrgenommen werden. Gere zeigt dabei ein erschütterndes Filmdokument aus dem Herbst 2006: Tibetische Flüchtlinge, die im verschneiten Nangpa-La-Pass kurz vor der nepalesischen Grenze von chinesischen Soldaten beschossen und anschließend festgenommen wurden, viele von ihnen Kinder. Eine 17-jährige Nonne wurde getötet.

SZ: Mister Gere, warum schicken Tibeter ihre Kinder in eine so gefährliche Situation?

Richard Gere: Viele wollen in ihrem Leben einfach nur ein einziges Mal den Segen des Dalai Lama empfangen. Aber natürlich brechen die Tibeter nicht nur aus religiösen Gründen auf. Sie bekommen in ihrem besetzten Heimatland keine Jobs, ihre Kinder keine Ausbildung, es gibt keine Gesundheitsvorsorge, keine Zukunft.

Die Chinesen üben ständig Druck auf sie aus, keinen Nachwuchs mehr zu haben. Sie werden zu Abtreibungen gezwungen, ihre Kinder werden ihnen weggenommen und als Chinesen erzogen. Es ist wie überall auf der Welt: Wer so weit getrieben wird, macht alles.

SZ: Aber wenn es stimmt, dass China Tibet sinisieren will, wie Tibet-Aktivisten sagen, dann könnten sie sie doch einfach außer Landes lassen.

Gere: Ja, das könnten sie, wenn sie gnädig wären. Aber das sind sie nicht. Es ist für Tibeter sehr schwierig, Visa zu bekommen. Die chinesischen Machthaber lassen sie nicht gehen und quälen sie in ihrem eigenen Land, und wenn sie fliehen, dann schießen sie auf sie. Für mich ist das ethnische Säuberung.

SZ: Ist die buddhistische Religion in Tibet wirklich immer noch so mächtig? Die Chinesen bemühen sich doch seit Jahrzehnten, die Tibeter umzuerziehen.

Gere: Wir sehen das nicht nur in Tibet: Die Menschen vergessen nicht, wer sie sind, sie entwickeln nur die Fähigkeit, schizophren zu sein. Wir alle haben diese Sehnsucht nach Wahrheit, Aufrichtigkeit, Geist, Ausdehnung des Herzens und Neugier in uns. Man kann den Willen der Menschen nicht zerstören.

SZ: Würde es den Exodus von etwa 3000 Tibetern jährlich stoppen, wenn die Chinesen den Dalai Lama nach Tibet ließen, wenn auch nur zu Besuch?

Gere: Wenn China Seine Heiligkeit auf ganz kontrollierte Weise einladen würden - vielleicht erst nach China und nicht nach Tibet, damit er zeigen könnte, dass Peking ihm vertrauen kann -, dann wäre das eine gute Sache. Und die Tibeter schauen zum Dalai Lama nicht auf wie zu einem simplen politischen Führer. Er ist das einende Zentrum einer Gesellschaft, die sehr schnell auch gewalttätig werden könnte. Tatsächlich ist er die einzige Kraft, die in der Tibetfrage immer wieder den Mittelweg predigt, eine friedliche Lösung sucht.

SZ: Viele Experten meinen, nach dem Tod des mittlerweile 71-jährigen Dalai Lama könnte sich diese gewaltlose Haltung der Tibeter ändern.

Gere: Wenn man den Grad der Depression und Hoffnungslosigkeit in der tibetischen Gemeinde sieht - ja, Gewalt ist für viele eine Alternative. Die Chinesen haben die Tibeter mit ihrer Unterdrückungspolitik so weit gebracht.

SZ: Vom Dalai Lama ist überliefert, dass er sagte, die Tibeter hätten ihr Leid möglicherweise durch schlechte Taten in der Vergangenheit selbst verursacht.

Gere: Bevor der Buddhismus nach Tibet kam, waren die Tibeter eines der brutalsten, kriegerischsten Völker in ganz Asien. Sie kontrollierten Teile von China, der Mandschurei und die Mongolei. Der Buddhismus ist ein unglaublich visionäres Experiment, wie Gesellschaften funktionieren können. Alles in dieser Kultur basiert auf dem Wissen von Vergänglichkeit, Nächstenliebe und Verbundenheit

Und alle Institutionen dort wurden nur gegründet, um immer mehr Menschen in diese Richtung zu bringen. Der Fehler war vielleicht, dass sich die Tibeter zu sehr abschotteten. Sie wollten kein Teil der Welt sein, sondern dieses Juwel des Buddhismus für sich behalten.

SZ: Sie haben sich bereits als Student dem Buddhismus zugewandt und werden gerne als der zweitberühmteste Buddhist der Welt bezeichnet...

Gere: ...was lächerlich ist und beschämend.

SZ: Dennoch, Sie treffen den Dalai Lama häufig. Was sprechen Sie da so mit ihm?

Gere: Wir haben viele Ebenen von Beziehungen: Als Schüler und Lehrer - und da muss ich mich auch als Schüler benehmen -, aber auch als gemeinsame Streiter für Tibet. Und als Freunde.

SZ: Er hat Sie vor Jahrzehnten ja quasi zu Ihrem Tibet-Engagement gebracht, indem er Sie um Hilfe für sein Volk bat. Doch im Moment scheint die tibetische Sache umso mehr zu verlieren, je mehr die Welt über sie weiß. China kritisiert den Dalai Lama öffentlich - obwohl beide Seiten doch Gespräche führen.

Gere: Ein chinesischer Freund sagte mir einmal, Chinesen sind sehr gute Händler. Das könnte also die geschickte Verhandlungstaktik Pekings sein.

SZ: Sie setzen in Ihrem Lobbying für Tibet viel Hoffnung in Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin, aber als Kanzlerin hat sie den Dalai Lama bisher noch nicht empfangen. Deutsche Politiker fürchten hier in der Regel den Zorn Pekings.

Gere: Das ist unbegründet. Alle US-Präsidenten seit dem ersten Bush haben den Dalai Lama offiziell gesehen. Und ich glaube nicht, dass das die Handelsbeziehungen mit den USA beschädigt hat.

© SZ vom 14.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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