Rhetorik:Wie man mit der AfD nicht umgehen sollte

Rhetorik: Wie soll man mit der AfD (im Bild Frauke Petry und Albrecht Glaser) richtig umgehen?

Wie soll man mit der AfD (im Bild Frauke Petry und Albrecht Glaser) richtig umgehen?

(Foto: AFP)

Von wegen "Vollpfosten" und "Abgehängte" - seit den Landtagswahlen heißt es, man solle sich offen mit der AfD auseinandersetzen. Fünf Strategien, die dabei falsch sind.

Von Johan Schloemann

Zur Zukunft der Rechtspopulisten, die jetzt in die Landesparlamente und vielleicht nächstes Jahr in den Bundestag einziehen, gibt es zwei Annahmen: die Entzauberungsthese und die Vergiftungsthese.

Die Entzauberungsthese ist die republikanischere, optimistischere. Sie setzt auf die Kraft von Argumenten und auf die zivilisierende, radikalitätszersetzende Wirkung der bestehenden Gesellschaftsordnung. Die AfD werde sich im demokratischen Meinungsstreit und im Alltag der politischen Arbeit schon wieder selbst zerlegen. Die Vergiftungsthese hingegen ist die pessimistischere. Sie leitet aus der Geschichte und aus der Natur des Menschen ab, dass es in Zeiten von Krisen oder wahrgenommenen Krisen auch umgekehrt laufen kann: dass eine Protestpartei den Rest des Landes Schritt für Schritt in eine fremdenfeindlichere und nationalpatriotische Stimmung schiebt.

In beiden Fällen hört man aber seit den Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag den Rat, man solle jetzt möglichst offen und argumentativ mit der AfD umgehen. Der Rat ist richtig, denn andere Waffen gibt es nun mal nicht in der demokratischen Debatte, solange der Gegner nicht straffällig oder offen verfassungsfeindlich ist. Und selbst im letzten Fall müsste man möglichst noch weiter argumentieren, eben für die Verfassung. Wie man das dann konkret am besten macht, ist allerdings eine ganz andere Frage; jedenfalls beneidet man niemanden, der mit Beatrix von Storch oder mit Björn Höcke öffentlich sprechen muss und dabei nicht die Contenance verlieren soll.

Wenn es also im Moment noch schwieriger abzusehen ist, wie man fortan mit der AfD Argumente und Scheinargumente austauscht - und ob am Ende die Entzauberungs- oder die Vergiftungsthese recht behalten wird -, so fällt es schon ein wenig leichter zu sagen, wie man den Rechtspopulisten nicht beikommt. Aus der Diskussion der letzten Tage und Wochen treten nämlich bisher, so unser Eindruck, fünf falsche oder fruchtlose Strategien hervor.

Da gibt es den Ausschluss aus der Demokratie. Am Wahlabend hörte man von etlichen Politikern wieder den Satz, sie würden "mit allen demokratischen Parteien" Sondierungsgespräche führen. Auch viele Kommentare empfehlen, "die demokratischen Parteien" müssten sich nun gegen die AfD verbünden.

Diese Abgrenzung ist unzutreffend und gefährlich. Sie verstärkt nicht nur den realitätsfernen Märtyrergedanken, mit ihrem Einsatz für Deutschland stünden die Rechtspopulisten außerhalb des etablierten Systems. Sie ist auch ihrerseits undemokratisch und widerspricht dem Geist des Grundgesetzes. Denn eine Ein-Themen-Partei, die gegen Einwanderung ist, ist natürlich trotzdem eine demokratische Partei, sie war zur Wahl zugelassen und wurde demokratisch gewählt. Und statt "mit allen demokratischen Parteien" könnte man ganz leicht lieber sagen: "mit allen Parteien außer der AfD".

Es geht nicht um Armut, man kann Vorurteile und Rechte nicht mit Sozialpolitik beseitigen

Die zweite Strategie ist die soziale Abgrenzung. SPD-Politiker, aber auch andere Beobachter nennen die AfD-Wähler jetzt öfter "Abgehängte". Selbst wenn damit in erster Linie die sogenannte Politikverdrossenheit gemeint sein soll, schwingt da eine unrichtige soziale Stigmatisierung mit. Es sind ja keineswegs nur Arbeitslose und Verlierer, die AfD wählen, es ist auch ein überfordertes, unzufriedenes und zum Teil auch schlicht fremdenfeindliches Bürgertum darunter. Und selbst bei demjenigen Teil der AfD-Wähler, der unter Exklusion oder relativer Armut leidet, ist die Rede von den "Abgehängten" fragwürdig: weil sie demokratische Stimmabgaben auf persönliche soziale Motive reduziert. Und weil sie der illusionären Vorstellung Nahrung gibt, man könne mit purer Sozialpolitik die Vorurteile und die Rechtspopulisten wieder beseitigen.

Wirr, gestrig, europauntauglich - aber das bringt nichts

Die dritte Methode: Probleme negieren. Das ist, weil von der Bundeskanzlerin verkörpert, der offensichtlichste kommunikative Fehler. Selbstverständlich sind Hass und Rassismus öffentlich zu verurteilen. Aber man kann nicht eine nationale Anstrengung für die Integration der Flüchtlinge verlangen und sich dann für deren innenpolitische Bewältigung praktisch nicht für zuständig erklären. Niemand versteht, warum es Milliarden von Euro für Bankenrettung und Kita-Ausbau gab, warum aber jetzt nicht schnell entsprechende Summen für Sprachkurse, Grundschulen, sozialen Wohnungsbau und so weiter vom Bund zur Verfügung gestellt werden.

"Wir schütten Hohn und Spott über sie aus, denn das kost' nicht viel und fühlt sich supergut an"

Dann kann man es mit der Programmlektüre versuchen. Natürlich ist es aufschlussreich, die verschiedenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen der AfD-Funktionäre kennenzulernen, ihr diffuses Weltbild, in das völkisch-nationale und fundamentalistisch-konservative Elemente ebenso eingehen wie mal etatistische, mal wirtschaftsliberale, mal verschwörungstheoretische, mal pragmatische Elemente. Diese Widersprüche entstehen nicht bloß durch verschiedene Strömungen und Führungspersonen aufgrund der turbulenten Formierungsphase der Partei, sondern eindeutig auch schon im Kopf einzelner AfD-Politiker.

Wer sich also ihre Programmatik zu diversen Politikfeldern vornimmt, kann sie dann ziemlich leicht als wirr, gestrig, europauntauglich und so weiter entlarven. Nur bringt das leider überhaupt nichts. Denn all das ideologische oder auch nur idiotische Drumherum darf nicht über den zentralen Punkt hinwegtäuschen: Die AfD hat nur ein einziges Thema, das ihr Zuspruch verschafft und das rechtspopulistische Parteien in Europa am Leben hält: Ihre Wähler wollen, dass nicht mehr Einwanderer ins Land kommen, besonders keine muslimischen. Und die Millionen Einwanderer, die schon im Land sind, sollen entweder wieder weg oder durch sprachliche und kulturelle Angleichung so deutsch werden, dass sie von Einheimischen kaum zu unterscheiden sind. Darum geht es den AfD-Wählern. Um nichts anderes.

Der letzte Versuch sind Humor und Satire. Gewiss, es gibt genug, worüber man sich bei der AfD lustig machen und was man parodieren kann. Und wenn einem klugen Komiker wie Jan Böhmermann ein irrer Widerspruch, ein entlarvender Witz einfällt: nur zu. Bloß darf man nicht denken, dies sei ein wirksames Mittel in der politischen Kontroverse. Es dient eher der entlastenden Selbstbestätigung der gleichgesinnten liberalen Mittelklasse. "Wir schütten Hohn und Spott über diese Vollpfosten aus, wir posten ihre Rechtschreibfehler, ihren Rassismus, ihre krumme Logik und ihre kruden Verschwörungstheorien auf Facebook und beömmeln uns tüchtig darüber", schreibt der Jurist Maximilian Steinbeis auf seinem Verfassungsblog: "Wir liken und sharen uns wechselseitig und spenden uns so ein warmes Gefühl von geschlossenen Reihen und Nicht-tatenlos-Zuschauen, das kost' nicht viel und fühlt sich supergut an."

Damit kriegt man Frauke Petry genauso gut in den Griff wie die smarten amerikanischen Late-Night-Shows das Phänomen Donald Trump. Nämlich - nicht so gut.

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