Kunstmarkt:Rot ist teurer als braun

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John Baldessari spricht über sein Bild "Tips for Artists Who Want to Sell" und Doug Woodham gibt in seinem neuen Buch Tipps beim Sammeln.

Von Viola Schenz

Der kalifornische Künstler John Baldessari startete seine Laufbahn als Maler, entdeckte aber bald die Konzeptkunst für sich. Bekannt wurde er durch seine spektakuläre Aktion "Cremation Project", bei dem er 1970 alle seine von 1953 bis 1966 entstandenen Gemälde verbrannte. Baldessari interessierte sich dafür, wie sich Kunst mit Sprache verknüpfen und medial repräsentieren lässt: Für sein Bild "Tips for Artists Who Want to Sell" ließ er mehrere Schildermaler drei Erkenntnisse aus einem Magazin für Kunsthandel auf eine Leinwand schreiben: "Grundsätzlich verkaufen sich Gemälde in hellen Farben schneller als solche mit dunklen" stand da oder "Inhalte, die sich gut verkaufen: Madonna mit Kind, Landschaften, Blumen, Stillleben (...)".

Baldessari hat den Text nicht verfasst, er hat das Bild nicht gemalt, er hat es nie berührt. Er wollte zeigen, dass Kunst eine Idee sein kann, die andere ausführen. Dass sich in diesem Fall der Inhalt des Werks darum dreht, was den Inhalt eines Werks ausmachen sollte, führt die Frage, was Kunst eigentlich ist, ad absurdum. Heute gehört dieses Werk zu den Highlights im Privatmuseum des Großsammlers Eli Broad in Los Angeles.

Die Absurditäten des Kunstmarktes, die Baldessari mit seiner Aktion manifestieren wollte, herrschen ein halbes Jahrhundert später stärker denn je. Der Markt ist mittlerweile so vielfältig, volatil und geheimniskrämerisch, dass es fast unmöglich ist, eine innere Logik zu erkennen oder Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Doug Woodham sucht sie dennoch. Sein jüngst erschienenes Buch "Art Collecting Today" ist eine Analyse des internationalen Geschäfts mit der Kunst und eine Anleitung für Händler, Sammler und Kunstliebhaber. Woodham war lange direkt und indirekt in der Branche tätig, erst beim Beratungsunternehmen McKinsey, wo er Investoren Kunst als Anlageform schmackhaft machte, später verantwortete er bei Christie's das Nord- und Südamerika-Geschäft. Heute betreut er als Partner in einer New Yorker Kunstberatungsfirma die Reichen des Landes bei ihren Investitionen auf dem Kunstmarkt.

In seinem Buch stellt er Fragen, die in der aufgeregten, selbstbezogenen und hochmütigen Welt der Kunst kaum noch zu hören sind, vielleicht weil sie zu naheliegend, zu banal, zu profan klingen. Was macht ein Kunstwerk berühmt? Was bestimmt den Preis? Warum sammeln Leute Kunst? Warum ist Kunst so populär und teuer geworden, obwohl sie keinen praktischen Wert hat?

Seit einem Jahrzehnt boomt der Markt. Auktionshäuser und Galerien melden Verkaufsrekorde, Millionäre und Milliardäre entdecken Gemälde und Skulpturen als Kapitalinvestition, Unternehmer versuchen sich als Mäzene - auch um Steuern zu sparen. Hochpreisige Kunstwerke sind Geldanlage, Luxusgut und Statussymbol zugleich.

Doug Woodham sieht die Verhältnisse nüchtern. In acht Kapiteln leitet der promovierte Ökonom anhand realer Fallbeispiele Sammler durch den Irrgarten der Kunst und zeigt ihnen, was es zu beachten gilt: Ist der Künstler Erfinder eines wichtigen Stils? Ist seine Arbeit bedeutsam für den Sammler, berührt sie ihn? Nimmt das vorliegende Werk einen wichtigen Platz im Œuvre des Künstlers ein? Befindet es sich in einem guten Zustand?

Sammlern, die es bevorzugen, Kunst von Galerien zu erwerben, rät Woodham, sich auf eine kleine Zahl von Galeristen zu konzentrieren, zu ihnen gute Beziehungen aufzubauen, weil das oft in Vorzugsbehandlung zurückschlagen kann. Keinesfalls sollte man sich durch den Hochmut mancher Galeristen davon abbringen lassen, alles über Künstler und Werk zu erfragen. Wer Auktionen vorzieht, dem listet Woodham die Vor- und Nachteile auf, im Saal, am Telefon, online oder über einen Agenten mitzubieten.

"Alles, was die Standardgröße eines Aufzugs in der Park Avenue überschreitet, bleibt von einem bestimmten Marktsegment ausgeschlossen."

Hat ein Künstler gerade keine Konjunktur, lassen sich seine Werke günstiger auf einer Auktion als in einer Galerie erwerben, so Woodham. Galeristen tendierten dazu, in einer solchen Phase die Preise künstlich hochzuhalten. Grundsätzlich gelte: Entscheidend ist weniger die Bedeutung eines Kunstwerks als vielmehr sein Alleinstellungsmerkmal, die Positionierung einer Marke, eines Stils.

Amy Cappellazzo, Chefin der Fine-Arts-Abteilung bei Sotheby's, lüftete einmal auf sehr erfrischende Weise ein paar Geheimnisse ihres Metiers. Oft genug seien triviale Faktoren verkaufsentscheidend, etwa die Größe eines Kunstwerks oder seine Farben: "Braune Gemälde verkaufen sich weniger gut als blaue oder rote. Ein düsteres Bild wird nie so gut gehen wie eines, das den Leuten ein Glücksgefühl vermittelt." Und: "Alles, was die Standardgröße eines Aufzugs in der Park Avenue überschreitet, bleibt von einem bestimmten Marktsegment ausgeschlossen."

Was zu der Frage führt, welche Rolle eigentlich der Hype und die Affektiertheit der Branche für den Marktwert eines Kunstwerks spielen. Wie wäre es, nur mal angenommen, wenn alle Beteiligten - Künstler, Händler, Sammler - Kunst ganz einfach als Geldanlage betrachten würden? Es sind Fragen, die John Baldessari schon vor einem halben Jahrhundert stellte.

Doug Woodham: Art Collecting Today. Market Insights for Everyone Passionate About Art. Allworth Press, New York 2017. 208 S., 24,99 Dollar.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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