Restitution:Begründete Zweifel

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In Frankreich gibt es ausgearbeitete Vorschläge, in Deutschland wird noch in viele Richtungen debattiert. Doch die Niederlande haben nun die Initiative ergriffen und gehen bei der Restitution kolonialer Raubkunst an die eigentlichen Besitzer voran.

Von Jörg Häntzschel

Wie soll Deutschland mit Objekten in seinen Museen umgehen, die in der Kolonialzeit geraubt wurden? Darüber beraten am Mittwoch die Kulturminister der Länder, Vertreter der Kommunen und die beiden im Bund für Kultur zuständigen Staatsministerinnen Monika Grütters und Michelle Müntefering. Wenn sie sich einigen, wird noch am Abend dazu eine Erklärung veröffentlicht werden, eine Antwort Deutschlands auf den Vorstoß des französischen Präsidenten Macron und den Bericht von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr. Allerdings, so ein Teilnehmer der schon seit Wochen geführten Gespräche, sei die Debatte damit nicht beendet, sie fange erst an.

Doch während Deutschlands föderale Mühlen mahlen, während Macron seit Monaten zu der Frage schweigt, wurde in den Niederlanden gerade ohne viel Aufhebens ein Regularium beschlossen, das großzügige Restitution von geraubten Objekten vorsieht, vorausgesetzt, die Herkunftsländer möchten sie zurückhaben. Damit sind die Niederlande nun der erste europäische Staat mit einem klaren Vorgehen für großzügige Restitutionen. Stijn Schoonderwoerd, der Direktor des Nationalen Weltkulturenmuseums, ist überzeugt, dass alle europäischen Länder früher oder später ähnlich verfahren werden.

Allerdings handelt es sich nicht um eine staatliche Regelung, sondern um eine, die sich die drei führenden ethnologischen Museen des Landes, die als Weltkulturenmuseum zusammengeschlossen sind, selbst auferlegt haben: das Amsterdamer Tropenmuseum, das Museum für Völkerkunde in Leiden und das Afrika Museum in Berg en Dal. Sie besitzen gemeinsam etwa 375 000 Stücke, von denen laut Schoonderwoerd die Hälfte aus kolonialen Kontexten stammt.

Zurückgegeben werden sollen zum einen Objekte, die unter Verletzung damals geltender Rechtsvorstellungen in europäische Hände kamen. Aber auch solche, die nach heutigem Empfinden als unrechtmäßig entzogen gelten: Etwa weil sie unter Druck oder von Personen verkauft wurden, die nach den in den Herkunftsgesellschaften geltenden kulturellen Regeln nicht dazu befugt waren. Schließlich sollen auch Objekte zurückgehen, die wegen der spirituellen Bedeutung, die sie in ihren Herkunftsgesellschaften besitzen, nach deren Verständnis nicht ausgestellt oder wissenschaftlich untersucht werden dürfen oder deren besondere spirituelle oder kulturelle Bedeutung für die Herkunftsgesellschaften ihren Wert in den niederländischen Sammlungen übersteigt - ein Aspekt, der zumindest in der deutschen Debatte bisher kaum eine Rolle spielt.

Die niederländische Restitutionsregelung ist dennoch weniger freigebig als diejenige, die von Savoy und Sarr vorgeschlagen wurde. Während es nach deren Empfehlung die französische Seite sein muss, die jeweils den rechtmäßigen Erwerb beweist, liegt nach der niederländischen Regelung die Beweislast bei den Antragstellern. Allerdings erkennen die Autoren der Regeln an, dass der unrechtmäßige Erwerb der Objekte oft nicht mehr zu belegen ist. In diesen Fällen soll nach dem Prinzip des reasonable doubt entschieden werden.

Anders als bei Savoy und Sarr, welche die verwaltungsmäßige Abwicklung der Rückgaben so gestalten wollen, dass dabei nicht erneut Machtungleichgewichte zwischen Antragstellern und französischen Museen entstehen, wollen die Niederländer die Restitutionsgesuche zwar zügig, "ohne Feindseligkeit" und im Dialog mit der anderen Seite behandeln, doch die Regie über das Verfahren bleibt bei ihnen. Das letzte Wort hat ohnehin der Kulturminister. Die Situation in den Niederlanden ist also umgekehrt wie die in Frankreich. Ist es dort der Präsident, der die Museen zu Restitutionen zwingt, sind es in den Niederlanden die Museen, welche die Initiative ergriffen haben und nun die Regierung unter Druck setzen.

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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