Renaissance der Bibelfilme:Sex, Gewalt, Vergeltung und Vergebung

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Hoch zu Ross: Christian Bale als Moses in einer Szene des Kinofilms "Exodus" (Foto: dpa)

"Noah", "Exodus", jetzt Jesus und seine Mutter beim Sundance Film Festival: Der Bibelfilm erlebt eine Renaissance. Das Genre ist reich an Skandalen - sogar Staatsanwälte wurden schon ins Kino geschickt.

Aus der SZ-Redaktion

Die Bibel ist unerschöpflich, seit Jahrhunderten liefert sie Stoff für Literaten, Maler, Bildhauer, Moraltheologen, Philosophen. Im 20. Jahrhundert ließen sich vor allem Kinoproduzenten aus Hollywood davon inspirieren. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel cineastisches Potenzial allein das Alte Testament mit seiner Endlosschleife von Sex, Gewalt, Vergeltung und Vergebung bietet.

Der Bibelfilm erlebt gerade ein Comeback. 2014 kamen "Noah" und "Exodus" in die Kinos, zwei Großproduktionen , die an Monumentalität schwer zu überbieten sind. Und die Bibelmanie hält 2015 an: Beim Sundance Festival Ende Januar feiert "Last Days in the Desert" Premiere, mit Ewan McGregor in einer Doppelrolle als Jesus und als Satan, ein Film über die Gottesmutter Maria ist in Vorbereitung. Was aber haben uns all diese Filme mitzuteilen, was sagen sie über uns? Ein Überblick.

Exodus

Im Religionsunterricht sei er früher immer sofort eingeschlafen, erzählte Ridley Scott zur Premiere seines Moses-Monumentalfilms "Exodus: Götter und Könige" den Journalisten. Trotzdem sei das zweite Buch Mose, Exodus, der ideale Kinostoff: Der Kampf der Halbbrüder Moses und Ramses, die Flucht der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei - laut Scott eine Geschichte wie aus dem Lehrbuch für perfekt angewandte Dramaturgie. Und so inszeniert er die Sage auch: nicht als religiöses Statement, sondern quasi als Literaturverfilmung.

"Exodus" im Kino
:Denn ich bin der Herr ...

Pünktlich zu Weihnachten kommt Ridley Scotts Bibel-Verfilmung "Exodus: Götter und Könige" ins Kino. Beim Anblick all der Naturgewalten, Plagen und Katastrophen spürt man den Schauder des Erhabenen, gepaart mit Zufriedenheit. Man lernt, selbst wie ein rachsüchtiger Gott zu denken.

Von Tobias Kniebe

Damit geht er zwar weit weniger blasphemisch vor als viele seiner Regiekollegen. Doch weil ein Blockbuster auch einen anständigen Bösewicht braucht - in diesem Fall Pharao Ramses und seine ägyptischen Streitkräfte - verursachte sein Film trotzdem Ärger. In Ägypten wurde der Kinostart durch die Zensoren gestoppt. Der Grund: "historische Ungenauigkeiten".

Tatsächlich ist längst widerlegt, dass die Hebräer die Pyramiden gebaut haben, womit die Ägypter, laut Zensoren, nicht die Bad Boys der Bibel seien. Nur triumphiert in Hollywood eine gute Story mit opulenten Bildern auch im 21. Jahrhundert über die Forschung der Geschichtswissenschaft. David Steinitz

Noah

Als er 13 Jahre alt war, las Darren Aronofsky zum ersten Mal die Geschichte von Noah. Er war so fasziniert, dass er ein Gedicht bei einem Schülerzeitungswettbewerb über diesen Mann schrieb, der mit seiner Arche das größte Zerstörungswerk Gottes, die Sintflut, überlebt. Jahre später, Aronofsky war nun ein berühmter Regisseur, brachte er Noah ins Kino, mehr als 150 Millionen Dollar kostete der Film, der die Erwartungen insofern enttäuscht, dass er keinen Skandal auslöste, sondern allenfalls ein paar maue Proteste evangelikaler Kritiker.

"Noah" im Kino
:Dieser Noah ist ein Psychopath

Nur eine menschenlose Erde ist eine schöne Erde: Darren Aronofsky zeigt in seinem bizarren Bibelfilm "Noah" mit Russell Crowe einen Helden wider Willen, der durch das Projekt Arche zum Öko-Fundamentalisten konvertiert.

Von Fritz Göttler

Russell Crowe spielt die Hauptrolle in bester "Gladiator"-Manier, er ist der getriebene Held, der den Willen des Chefs exekutieren muss - und über Leichen geht, wenn es sein muss. "Noah" will alles sein: eine grandios bebilderte Warnung vor der Umweltzerstörung der Menschen, ein Familienfilm (mit Anthony Hopkins als Opa Methusalem), ein Abenteuerfilm, ein Egotrip-Drama, ein Fantasy-Spektakel.

Überraschung: Das Wort "Gott" fällt kein einziges Mal, der Urheber allen Elends wird im Original nur "the creator" genannt. Diese Arche zeigt, wie groß der Spielraum beim Bibelfilm ist. Vor allem, wenn die karge Vorlage im Alten Testament so viele Fragen offen lässt. Christian Mayer

Die letzte Versuchung Christi

Der frömmelnde Teil der Bundesrepublik war gewappnet, als im November 1988 Martin Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" übers Land kam. Vor den Alemannia-Lichtspielen in Frankfurt versuchten sechzig Ordensfrauen verzweifelt, jedem einzelnen Besucher den Kartenkauf auszureden. In Baden-Württemberg schickte der Justizminister 17 Staatsanwälte ins Kino mit dem Auftrag, strafrechtliche Handhabe gegen den Film zu prüfen.

Was hatte solch maßlosen Zorn erzeugt? Nach dem Roman von Nikos Kazantzakis stellte Scorsese sich Jesus als ziemlich normalen Typen aus Nazareth vor, von dem dieser Messias-Job zunächst arg viel verlangt ist. Am Kreuz malt sich dieser Jesus aus, wie er mit seiner großen Liebe, der Hure Maria Magdalena, ein viel erquicklicheres Leben hätte führen können. Dass Maria Magdalena bei jeder Gelegenheit ihren baren Busen zeigt; dass der wallend blonde Jesus (Willem Dafoe) aussieht, als wäre er gerade aus Stockholm zugezogen; dass die Apostel reden wie Kleinkriminelle in Brooklyn - das konnte die Gemüter auch nicht beruhigen.

Manche Kritiker erkannten auf Meisterwerk, andere wussten nicht recht, ob sie Scorseses qualvoll aufrichtige Erzählung mögen sollten. Roman Deininger

Quo vadis

Soldaten kommen aus dem Feldzug heim, siegreich, aber müde: die Legionen Roms, im Jahr 64 n. Chr., unter Leitung des Kommandanten Marcus Vinicius. Ein Nachkriegsantikfilm, aus dem Jahr 1951. Hollywood macht mobil, gegen einen neuen, großen Feind - das Fernsehen. Eben hat der gute alte Cecil B. DeMille einen Weg gewiesen, mit seinem supererfolgreichen "Samson und Delilah". Die biblische Femme fatale Hedy Lamarr als Delilah kontert die MGM bei "Quo vadis" mit einem verzogenen imperialen Fratz - dem sadistischen Kaiser Nero, verkörpert von Peter Ustinov in einer lustvollen Performance.

Eine der schönsten Szenen ist der Tod des geistreichen Autors Petronius - sein Satyricon wurde später von Fellini auf die Leinwand gebracht -, der von Nero auf die schwarze Liste gesetzt wurde, aber sich lieber selbst die Pulsadern aufschneidet und im Verbluten einen letzten offenen Brief an Nero schreibt: "Ich kann Dir vergeben, dass Du Deine Frau und Mutter ermordet, unser geliebtes Rom niedergebrannt, unser schönes Land mit dem Gestank Deiner Verbrechen besudelt hast. Aber eine Sache kann ich Dir nicht vergeben - dass Du uns gezwungen hast, Deinen schrecklichen Liedern zu lauschen." Fritz Göttler

Die Zehn Gebote

Gewaltig: Charlton Heston als Moses in "Die zehn Gebote" (1956) (Foto: OBS)

Eine Ikone des amerikanischen Kinos, mit schöner Regelmäßigkeit an den Ostertagen im amerikanischen Fernsehen gezeigt. Die Kritiker hassen den Film, weil er versucht, Moses - Charlton Heston! - zum kalten Krieger zu machen, beim Publikum ist er viel geliebt. Er ist einer der meistgesehenen Filme Hollywoods und einer der erfolgreichsten, in der Liga von "Vom Winde verweht" und "Star Wars".

Cecil B. DeMille, einer der Gründerväter Hollywoods, hatte die Geschichte schon einmal auf die Leinwand gebracht, in den Zwanzigern, als Stummfilm. Viele Jahre träumte er von einem Remake. Scorsese liebt den Film, seiner theatralischen Effektivität und der Farben wegen - der grüne Dunst, der durch die Stadt quillt, wenn die Söhne der Ägypter sterben müssen.

Die Recherchen begannen Anfang der Fünfziger, in 300 Bibliotheken in Amerika, Europa, Afrika, 1900 Bücher und Zeitschriften wurden konsultiert. Im Oktober 1954 wurde die erste Szene gedreht, auf dem Berg Sinai. Im nächsten Jahr wurden dann die Studioaufnahmen bei der Paramount gefertigt. Am Ende kostete der Film, der 1956 ins Kino kam, 13 Millionen Dollar.

Es war DeMilles Nonplusultra, dem Publikum dargeboten in Fleisch und Blut. Er hatte ein scharfes Auge dafür. Für die Königin Nefretiri hatte er Audrey Hepburn ausgesucht, dann entschied er sich doch gegen sie - zu wenig ausgeprägte Formen. Fritz Göttler

© SZ vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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