Süddeutsche Zeitung

Kunst:Auf Du und Du mit Rembrandt

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Das Städel-Museum in Frankfurt verkauft seine Schau als Blick in das Innenleben des niederländischen Meisters. Ein Déjà-vu.

Von Kia Vahland

"Nennt mich Rembrandt" - ein solcher Ausstellungstitel suggeriert, hier spräche der Künstler selbst und offenbare, was ihn und sein Œuvre im Kern ausmache. Nun ist es bei Rembrandt so, dass er in seinen Werken immer auch als Person kenntlich ist, weil sein Blick auf Menschen, Landschaften, Bibelszenen so besonders ist, warm, erdig, subjektiv; immer scheint dieser Künstler mit seinen Modellen und Sujets in einen emotionalen Austausch zu treten. Oder er zeigt sich gleich selbst, auf seinen zahllosen Selbstporträts in allen Gefühlslagen. Insofern lässt sich gar keine Rembrandt-Ausstellung kuratieren, ohne auch den Selbstausdruck des Niederländers aus der Barockzeit zum Thema zu machen.

Die Rembrandt-Schau im Städel aber macht mit dem Ausruf "Nennt mich Rembrandt" vor allem Werbung für sich selbst. Der Grund mag sein, dass der Selbsterkundungs-Rembrandt besser in die Lebenswelt heutiger Besucherinnen und Besucher zu passen scheint als das, was dann in großen Teilen zu sehen ist. Dabei könnte das genauso interessant sein wie Rembrandts Innenleben: Es sind die äußeren Rahmenbedingungen seiner Kunst, die hier vorgeführt werden.

Die Ausstellung mag sich zwischen soziologisch motivierter Kulturgeschichte und klassischer Werksgeschichte nicht recht entscheiden

Zu sehen sind Rembrandts Werke im Vergleich mit denen anderer Meister, die ihn entweder nachahmten oder aber seine innige Verbindung von Farbe, Komposition und Emotion im Gegenteil ablehnten, zugunsten einer steifen Repräsentationsmalerei für das gehobene Bürgertum. Man sieht die Auftraggeber und ihre Eitelkeiten, die den Kunstmarkt in den Niederlanden im 17. Jahrhundert zur Blüte brachten, weiße Spitzenkrägen, dunkle Herrenhüte und schwarz schimmernde Stoffe. Und man erfährt etwas über Amsterdam im 17. Jahrhundert und den Einfluss von Kunstkritikern - Rembrandt zeichnet einem von ihnen Eselsohren. Doch wird all das eher angerissen als durchargumentiert. Die Ausstellung mag sich zwischen soziologisch motivierter Kulturgeschichte und klassischer Werksgeschichte nicht recht entscheiden.

Viele von Rembrandts Konkurrenten wollten nur den Bildbestellern gefallen

So bleibt die Erkenntnis, dass Rembrandt sich auf die ästhetische Wirkung seiner Arbeiten besser verstand als viele Konkurrenten, die nur den Bildbestellern gefallen wollten, nicht aber auch an ein späteres Publikum dachten, das von der Kunst als Kunst berührt werden will. Das aber ist nicht neu. Rembrandts Rang in der Kunstgeschichte bedarf keiner Rechtfertigung; er ist sowieso über beinahe jeden Vergleich in seiner Zeit und seiner Heimat erhaben.

Trotz dieses konzeptuellen Wankelmuts ( der im Hirmer-Verlag erschienene Katalog geht mehr in die Tiefe als die Schau selbst) sind eine Reihe augenöffnender Werke zu sehen. Da ist Rembrandts strahlende "Judith am Bankett des Holofernes" von 1634, eine stolze Matrone, bei der es sich auch um eine andere alttestamentarische Heldin handeln könnte.

Oder, ein Jahr später, "Ganymed in den Fängen des Adlers", und nein, es hat nichts Heroisches, sondern ist einfach nur niederträchtig, wie Zeus als mächtiger Adler diesen kleinen, vor Angst urinierenden Jungen entführt. Rembrandt ist ein Dramatiker, aber einer, der die alten Geschichten nicht abmalt, sondern sie auf ihren emotionalen Kern hin überprüft und neu ins Bild setzt. Sogar bei der Kreuzabnahme befreit er sich von der Bildtradition: Sein toter Christus sackt in sich zusammen, er bedarf keiner Ehrfurcht, sondern der Liebe und Unterstützung derjenigen, die ihn auffangen.

Überzeugend ist der Wechsel der Formate in der Ausstellung. Zu sehen sind anrührende Federzeichnungen wie die einer am offenen Fenster schlafenden Frau, entstanden um 1665. Rembrandt ist eben auch ein Alltagschronist, einer, der die Wirklichkeit möglichst genau erfassen möchte. Solchen zarten Blättern gegenüber stehen brutale Großformate, allen voran die monumentale "Blendung Simsons" von 1636, die dem Städel gehört. Wieder wählt Rembrandt einen ungewöhnlichen Moment und zeigt nicht, wie Delila im Alten Testament Simson überlistet und ihm seine Stärke raubt, sondern wie der schwere Mann daraufhin von seinen Gegnern überwältigt wird und sie sein Auge durchbohren. An Direktheit ist die blutige Szene kaum zu übertreffen, Rembrandt beschönigt die Gewalt nicht, beleuchtet ihr Opfer hell und bringt die Betrachter in die ungemütliche Lage, das Ende des Sehenkönnens ansehen zu müssen.

Er macht es einem nicht leicht, auch heute nicht. Etwas mehr von der Brisanz, der Dringlichkeit und Konzentration dieses hochemotionalen, kompositorisch wohl durchdachten Werkes hätte man sich von den Ausstellungsmachern gewünscht. Rembrandt vermittelt sich auch heute, man muss ihn nur sich entfalten lassen.

Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam. Städel Museum , Frankfurt. Bis 30. Januar.

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