Wer Rem Koolhaas in seiner Geburtsstadt Rotterdam besuchen will, muss eine der unscheinbarsten Adressen dort ansteuern. Der Architekt, der mit gewagten Hochhauskonstruktionen wie dem CCTV-Tower in Peking oder visionären öffentlichen Bauten wie der niederländischen Botschaft in Berlin bekannt geworden ist, arbeitet mit seinem Büro Office for Metropolitan Architecture (OMA) in einem anonymen Glaskasten. In den Stockwerken, wo die fast ausschließlich jungen Mitarbeiter von OMA arbeiten, ist hingegen nichts gewöhnlich.
Bunte, fast schlampig zusammengeklebte Modelle künden von tollkühnen Plänen, etwa einer Airport City in Doha, wo Koolhaas den Flughafen zum urbanen Zentrum umfunktionieren will, Museum und Universität inklusive; oder einer Bibliothek, deren Entwurf aussieht wie ein hochkant aufgestelltes Stück Schweizer Käse - das Modell besteht aus mehr Lücken denn gebautem Raum. Scheu, Aufträge auch von autoritären Regimen anzunehmen, hat Rem Koolhaas dabei nie gehabt, was ihm immer wieder heftige Kritik einbrachte.
Gerade weil Koolhaas, der mit seiner hageren Gestalt an einen asketischen Mönch erinnert, alles, was er macht, auf radikal neue Weise versucht, bleiben seine Pläne häufig Papier - 95 Prozent seiner Projekte werden nie realisiert. Das scheint ihn, der seine Kindheit in Indonesien verbracht hat und zunächst als Journalist und Filmemacher arbeitete, aber nicht weiter zu stören. Noch bevor ihn seine Bauten bekannt gemacht haben, machten Koolhaas seine Schriften berühmt, allen voran "Delirious New York" und "S, M, L, XL". Zeichen für Koolhaas' Wunsch, die moderne Welt in ihrem Wesen zu durchdringen, ist neben seinen Büchern auch AMO, eine 1995 gegründete Abteilung seines Büros. Sie dient als eine Art Labor, als Denkwerkstatt für Urbanismus.
Gerade untersucht man dort aber auch, was die Verstädterung der Welt für das Land drumherum bedeutet. Was typisch für Koolhaas ist: Als sich kaum einer für Städte interessierte, rückte er dieses Thema in die Öffentlichkeit. Jetzt, wo ein Urbanismus-Kongress den anderen jagt, beschäftigt er sich mit Landwirtschaft.
Ähnlich überraschend dürfte nun auch die am kommenden Samstag beginnende Architekturbiennale in Venedig ausfallen, die wichtigste Architekturschau der Welt. Koolhaas, der dieses Jahr 70 Jahre alt wird, hat sie kuratiert. Für die Ausstellung "Fundamentals" hat er sich mit seinem Team den Lupenblick verordnet. Koolhaas will die Auswirkungen der Globalisierung sichtbar machen, indem er die Grundpfeiler der Architektur durch die Zeit dekliniert. Wie hat sich das Dach, die Treppe, die Tür seit den Jahrhunderten verändert? Dank Koolhaas wird nicht nur die Laufzeit der Biennale fast verdoppelt, zum ersten Mal müssen auch alle Länderpavillons ein Thema behandeln: "Absorbing Modernity". In Zeiten von Krim-Krise und neuem Nationalismus ist es sicher keine schlechte Idee, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die wir alle gemeinsam haben.