Relaunch:Heuschrecksekunde

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Clemens Setz ist Mitherausgeber der aktuellen Ausgabe des runderneuerten Magazins "Akzente". Zugleich erscheint ein neuer Band von Setz.

Von Tobias Lehmkuhl

So altehrwürdig die Literaturzeitschrift Akzente sein mag, so altbacken wirkte ihr Erscheinungsbild: der Titel schwarz hinterlegt, in der Mitte die Kolonne der jeweiligen Autorennamen wie eine Liste der Hinterbliebenen in einer Traueranzeige. Und dann, zuunterst, das Foto eines Autors, das meist schrecklich grau und nichtssagend wirkte.

Das hat sich nun, nachdem Jo Lendle der Nachfolger von Michael Krüger sowohl an der Spitze des Hanser Verlags als auch als Herausgeber der Akzente geworden ist, geändert. Doch nicht nur der Umschlag ist erheblich ansprechender geworden, auch das inhaltliche Konzept hat sich geändert: Jedes der vierteljährlich erscheinenden Hefte wird sich fortan einem durchgängigen Thema widmen.

Das erste lautet "Unmögliches", und handelt vom Wagnischarakter der Literatur. So macht man hier Bekanntschaft mit Tim Robinson, einem irischen Kartografen, der einem kleinen und wenig spektakulären Flecken seiner Heimat namens Connemara eine dreizehnhundertseitige Betrachtung gewidmet hat. Fünfzehnhundert Seiten lang ist der japanische Science-Fiction-Roman "Yapou, menschliches Vieh", der 1970 erstmals erschien und in den Akzenten nun auszugsweise auf Deutsch zu lesen ist. Auch das überbordende Werk des Esperanto-Dichters William Auld wird in einem kleinen Auszug vorgestellt, übersetzt von Clemens J. Setz, der in diesem ersten Heft der neuen Reihe als Mitherausgeber fungiert.

Der neue Band von Clemens Setz enthält kurze Nacherzählungen

Er kann in der Tat als Spezialist für Unmögliches bezeichnet werden, spätestens nachdem von ihm nun "Glücklich wie Blei im Getreide" vorliegt. Dieser Band enthält kurze Nacherzählungen von längeren Geschichten, die der zwanzigjährige Setz, so schreibt er im Vorwort, morgens um halb fünf Uhr in einem hellen Sakko am Schreibtisch seiner Grazer Wohnung und bevor er Vorlesungen in Mathematik besuchte, einst geschrieben hatte.

Unmöglich oder wenigstens unwahrscheinlich kommt einem dabei die Produktivität und der immense, das Alberne nicht ausschließende, stets originelle Ideenreichtum des 1982 geborenen Autors vor. Da wäre etwa die Geschichte vom Affen Pierre, der unter einem Tinnitus leidet und einmal im Jahr, "meist im Herbst", versucht, sich umzubringen. Oder die des Tormädchens Klara, das trotz Kieferbruch und innerer Blutungen nicht aufgeben mag.

Da sich die ohnehin sehr kurzen Nacherzählungen schlecht noch einmal nacherzählen lassen, hier eine von ihnen, und zwar die der "Beschwerdeschriften des Monats Mai" in voller Länge: Es handelt sich bei den titelgebenden Beschwerdeschriften, so heißt es, um "eine Sammlung kleiner Feedbackzettel. Mehrere Menschen, die jeweils nur mit ihrem Initial unterzeichnen, senden ihre Änderungsvorschläge und kritischen Anmerkungen zum "Stil einer Heuschreckenplage" ein, die im April ein Hochhaus erfasst hat. Am Ende stellt sich heraus, dass es gar keine echte Heuschreckenplage war, sondern nur ein als Heuschreckenschwarm verkleideter Autor namens Clemens Setz, der "maikäferhaft summend und brüllend durchs Treppenhaus des Hochhauses stürmte und schließlich vor Erschöpfung irgendwo zusammenbrach".

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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