Reisebericht:Kneipengespräche

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Dennis Freischlad: Über allem Licht. Eine Reise ins griechische Leben. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2019. 260 Seiten, 14,95 Euro. (Foto: N/A)

Dennis Freischlad reist durch die griechische Provinz. Er begeistert sich für deren Bewohner.

Von Monika Maier-Albang

"Am Anfang ist das Licht." Wer sich traut, so einen Satz an den Beginn seines Buches zu setzen, der muss es wissen: Wie das so ist mit dem Leben, der Welt, dem großen Ganzen. Oder er ist ein Schwätzer. Aber das ist Dennis Freischlad nicht.

Das Licht, über das er schreibt, scheint über Griechenland, das Freischlad in seinem neuesten Reisebericht beleuchtet. Seiner Landschaft, seinen Menschen, seiner Mythologie spürt er darin nach. Er beginnt auf der Fähre, die ihn und eine Bekannte auf den Peloponnes übersetzt. In Kiel sind sie aufgebrochen mit dem Auto, um dann, ganz klassisch, nach Patras zu gelangen, mit dem "Bärenbrummen der Kolben" unterm Bauch und der Kälte der Nacht in den Knochen. Am Morgen dann der Blick übers Meer, von ihm begrüßt als "der große Anthrazitteppich". Oder, an anderer Stelle, so beschrieben: "Das endlose Wasser stopft sich sein Blau in die Taschen."

Da ist man schon im Liegestuhl, hört die Brandung, blickt selbst in die Weite. Ein Buch für An-einem-Strand-Hockenbleiber ist Freischlads "Über allem Licht" nicht. Es zieht einen übers Land. Denn das kann der Autor: Landschaften wortgewaltig beschreiben, aufziehende Stürme und eben das Meer. Aber weil er sich als echter Reisender versteht - und weil aus der reinen Landschaftsbetrachtung auch kein Buch entstanden wäre - bleibt es dabei nicht. Freischlad fährt zu den Menschen - in die Dörfer vor allem, das Städtische interessiert ihn marginal. Am Ende wird er auch nach Athen kommen, auf die Akropolis gehen, aber das wohl eher der Vollständigkeit halber. Die Dorfmenschen der Mani, auf Kreta, auf Tinos scheinen ihm näher zu sein. Vor allem zu solchen findet Freischlad problemlos Kontakt, die zurückgekehrt sind aus der Stadt in die Heimat, weil sie hier das bessere Leben zu finden hoffen.

Zuweilen klingt die Beschwörung des gutherzigen Bergmenschen kitschig und verklärt. "Überall auf der Welt besitzen Bergbewohner diesen eigenen Reifegrad der Seele, einen gänzlich anderen Stolz als die Bewohner des Flachlands." Stimmt das? Oder hört es sich nur gut an? So wie man als Griechenlandfan ja auch "diese in dunkle Kleider und stumme Blicke gehüllten Menschen" wiedererkennt, aber der Satz "egal ob satt oder hungrig, sind sie meist keiner weltlichen Herrschaft untertan" mag einem Dichter anstehen. Aber einem Betrachter? Die Wirtschaftskrise in Griechenland, ihre Folgen für die Menschen, streift Freischlad nur. Man liest dieses Drama halt mit in den Beschreibungen der menschenentleerten, von Katzen beherrschten Dörfer, die Freischlad mal mit dem Auto, mal mit einem Motorrad abfährt. Die motorisierten Begleiter heißen Emma und Marie. Die Trinkgefährten sind hingegen fast ausschließlich Männer; es kumpelt sich so halt leichter, und in den griechischen Dorfkneipen trifft man für gewöhnlich auch nicht auf Frauen.

Mit den neuen Freunden zieht der 40-Jährige dann los, wilden Salbei pflücken, das Feld von Steinen befreien, Schweine verkuppeln oder ein Jazz-Festival organisieren. Alles wunderbare Begegnungen. Nur an den Mönchen scheitert er. Freischlad, der die griechische Mythologie und philosophische Betrachtungen überall im Buch verwebt, möchte über Gott sprechen. Und ein Bett für eine Nacht. Aber der Dorfmönch an sich hat offenbar kein großes Interesse an komplizierter Unterhaltung. Stattdessen gibt es Süßigkeiten. Und die mehr oder weniger deutliche Aufforderung an den deutschen Gast, sich ein Hotelzimmer zu suchen. Auch nicht schlecht: Zurück im Dorf wartet der nächste Wirt. Und die nächste Geschichte.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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