Regiearbeit von Robert De Niro:Nur zu Gast in den USA

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Robert De Niro zeigt die CIA und ihr Trauma in seinem Film ,,Der gute Hirte''.

Fritz Göttler

Der Geist der Poesie obwaltet in diesem Film, rudimentär und versteckt, ramponiert und immer wieder verdrängt - es geht schließlich um amerikanische Spionage, die OSS und die CIA, die Nazis und die Schweinebucht.

Angelina Jolie und Matt Damon als Ehepaar: "Sprich nie wieder von meiner Arbeit vor Dritten." (Foto: Foto: dpa)

Ich bin Literaturstudent, erklärt der Held, Edward Wilson, als er zum ersten Mal vom FBI-Mann zur Mitarbeit aufgefordert wird, ich studiere Poesie, ich bin nicht politisch.

Und dann bringt er, naiv und unvermittelt, tatsächlich das S-Wort zum Einsatz: ,,Sie meinen, ich soll meinen Doktorvater ausspionieren?''

Welche Frage!

Später, wenn er dann doch einer der sehr wichtigen Leute in der neugeschaffenen CIA geworden ist, unterhält er seine Beziehung mit einem russischen Kontaktmann über den ,,Ulysses'' von James Joyce, anerkanntermaßen das Meisterwerk der Chiffrier- und Dechiffrierkunst.

Matt Damon ist gespenstisch als Edward Wilson, in Robert De Niros zweiter Regiearbeit, zur Zeit im Wettbewerb der Berlinale. Der Dienst hat ihn zum Phantom gemacht, was - wir wissen es bereits aus unzähligen anderen Filmen - nicht unbedingt mit dem Agentenwesen zu tun hat, sondern in der Tendenz der Beamtenarbeit generell liegt.

Martina Gedecks kleiner verlockender Auftritt

Wie all die anderen Angestellten zieht Edward morgens durch das graue Washington zur Arbeit, selbst an dem Tag, da der Invasionsversuch in Kuba in der Schweinebucht zum peinlichen Desaster wurde. Die Folter, wie sie in den Büros während des Kalten Kriegs praktiziert wird, hat etwas widerlich Bürokratisches, auch wenn sie dort sehr früh bereits LSD als Wahrheitsdroge zum Einsatz bringen. Die Art und Weise, wie Martina Gedeck abserviert wird, die als Deutsch-Übersetzerin einen verlockenden kleinen Auftritt hat, ist effizient und gnadenlos.

Sprich nie wieder von meiner Arbeit vor Dritten, zischt eines Abends Edward seine Frau an, gespielt von Angelina Jolie. Sie wollte einfach ein wenig stolz sein vor ihren Freunden, er hat das beim Abendessen eiskalt als Spinnerei denunziert. Sie trug den poetischen Namen Clover, englisch für Klee, als sie Edward in Yale umwarb, als er sie kurz danach heiratete, weil sie ein Kind erwartete. Es gibt nur wenig erfolgreichen Widerstand der Frauen in diesem Film, einige sind gar schwerhörig oder taub.

In Yale setzte die Paranoia seines Lebens ein, in der legendären Skull-and-Bones-Gesellschaft, die Männer-Kameradschaft pflegt und archaische Raufereien. Die Rohheit dieser Aktivitäten steht im scharfen Kontrast zur Vision der Reinheit, die der Geheimdienst zum Programm gemacht hat, eine knallharte pragmatische protestantische Ethik. Keine Juden, keine Neger - und nur ein paar Katholiken, will einer der Drahtzieher bei der Gründung in seiner CIA haben, der berüchtigte ,,Wild Bill Donovan''.

Robert De Niro spielt ihn selbst, eine kleine Rolle, aber womöglich die wichtigste des ganzen Films. Während des Kriegs hatte er das OSS (Office of Strategic Services) geleitet, der für Spionage- und Propagandamaterial sorgen sollte. Einer seiner wichtigsten Mitarbeiter war John Ford gewesen, damals einer der größten amerikanischen Filmemacher, der erst den Pazifikkrieg filmte - die ,,Battle of Midway'' -, später die Küste der Normandie mit seinen Kameraleuten strategisch auf den neuesten Observations- und Aufnahmestand brachte, damit die Invasion filmisch perfekt erfasst werden konnte.

Wild Bill im goldenen Licht

Die Geburt des amerikanischen Dokumentarfilms aus dem Geist der Spionage, das ist eine virilioeske Vorstellung, die der Film gespenstisch immer mitklingen lässt. In seiner Inszenierung ist Robert De Niro ganz einfach und schnörkellos, als hätte er von John Ford direkt gelernt, der nicht nur ein Meister der Westernpanoramen, sondern auch der beklemmenden amerikanischen Innenwelten war.

Wenn Donovan nach einer der Besprechungen Wilsons Haus verlässt, auf Krücken, weil seine Beine ihm allmählich absterben, bleibt er vor seinem Wagen kurz stehen und streckt sich: ,,Wie schön das Leben doch ist ...'' Und ein Schwall dichten goldenen Lichts übergießt die Einstellung, als wäre man mitten in einem amerikanischen Traum. Indem er Flaschenschiffe bastelt, kleine, fragile, geborgene Gebilde, versucht Edward etwas von diesem Traum für sich zu retten.

Das Nachkriegs-Amerika als vaterlose Gesellschaft, das ist die Perspektive, auf die der Film im zweiten Teil sich einrichtet. Vielfach sind die Anziehungen und Abstoßungen zwischen den Vätern und den Söhnen durchgespielt, angedeutet - ganz sanft und subtil, durch die großartigen Schauspieler, die De Niro versammelt: Alec Baldwin, William Hurt, Joe Pesci, seinen Buddy aus den wilden Scorsese-Tagen.

Matt Damon sucht ihn auf, um ihn auf miese Art zur Mitarbeit zu zwingen - er droht, den alten Mann, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Amerika lebt, abzuschieben nach Italien. Die Italiener haben ihre Familie und die Kirche, resümiert Pesci resigniert, die Iren ihr Heimatland, die Juden ihre Tradition, die Neger ihre Musik - und was habt ihr? Wir haben die United States of America, kontert Matt Damon kalt, ihr seid nur zu Gast.

Das ist erschreckend, aber zugleich sehr rhetorisch. Je mehr er sich dem Ende nähert, desto weniger vertraut der Film offenbar seiner Erzählung, er beginnt zu predigen. Eine uralte, eine biblische Geschichte wird im Schoße der Familie Wilson durchexerziert - soll der gute Hirte das verlorene Schaf retten oder soll er es opfern für die Herde? Wir wissen sehr genau, wie Edward Wilson sich entscheiden wird.

© SZ vom 14.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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