Regensburg:Schrille Gräfin

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Elizabetta (Vera Semieniuk) und ihr irrer Stalker (Adam Krużel), der ihr von der Blutgräfin erzählt. (Foto: Jochen Quast)

Großartige Uraufführung der Oper "Elizabetta"von Gabriel Prokofiev in Regensburg

Von Andreas Pernpeintner, Regensburg

Man staunt nicht schlecht, als sich im Theater Regensburg plötzlich die Türen öffnen und der Opernchor im Publikum Aufstellung bezieht, um mit Mert Öztaner als Leadsänger einen saalfüllenden Rap abzufeuern. Die Kronleuchter an den Rängen blinken im Takt, die Szenerie auf der Bühne ist hell und schrill. Ein launiger Effekt, denn wenn eine Oper das Ziel verfolgt, in einem stilistischen Crossover ernste Musik und elektronische Tanzmusik zusammenzubringen, dann bedarf es neben der abgewogenen Symbiose der beiden Klangwelten auch solch plakativer Ausbrüche, um Ausdruckskraft zu erzeugen.

Bei dieser Regensburger Opern-Uraufführung der "Elizabetta" von Gabriel Prokofiev, eines Enkels von Sergei Prokofjew, zeigt sich, dass der Komponist, sowohl im ernsten Fach als auch in der DJ-Szene zu Hause, die verschiedenen Stile beherrscht. "Elizabetta" ist ein Auftragswerk des Theaters Regensburg und Prokofievs erste Oper. In den klanglichen Vordergrund seiner Partitur stellt er, womöglich vom Großpapa mit inspiriert, eine markante Rhythmik. Die schallt einem aus den eingespielten Techno-Elektroklängen entgegen und bestimmt auch die Aufgabenstellung an das Philharmonische Orchester Regensburg unter der Leitung des Generalmusikdirektors Chin-Chao Lin. Insbesondere den Perkussionisten beschert das einen ereignisreichen Abend.

Hinzu tritt noch die afrikanische Musik. Deren erstes Erklingen - zwei Frauen aus dem Kongo, Mutter und Tochter, bekommen die Gelegenheit, in die USA überzusiedeln - wirkt als etwas gewollt herbeizitiertes Kolorit. Doch als die Mutter, dargestellt von Yudania Gomez, später auf Swahili singend ihre mittlerweile ermordete Tochter sucht, ist das der in seiner melodischen Anmut bewegendste Moment des Abends.

Womit es an der Zeit ist, die mörderisch-sozialkritische Handlung des englischen Librettos zu skizzieren, das David Pountney nach Ideen Prokofievs erschuf: Elizabetta, Filmstar und Gesicht einer Anti-Aging-Kampagne, ist mit sich, ihren Rollen, ihrem Alter und ihrem Teint unzufrieden. Sie lernt einen Arzt und irren Stalker kennen (hervorragend: der Regensburger Hausheilige Adam Krużel), der daheim in einem Elizabetta-Gruselschrein lebt. Der Arzt erzählt ihr von der Macht des Blutes: Elisabeth Báthory, die ungarische Blutgräfin, ermordete um 1600 Frauen und Mädchen, um in deren Blut zu baden und damit ewige Jugend zu erlangen.

Diesen Behandlungsweg wählt auch Elizabetta. Hundeblut, das zeigt sich bald, wirkt nicht recht, obwohl es die köstlich-ekelhafteste Szene der Oper ist, wenn die erstklassig und im Dauereinsatz singende und schauspielernde Vera Semieniuk lasziv-gierig einen Hundekadaver auszuzelt. Doch Elizabettas Tochter, die Entwicklungshelferin Anna (charmant: Sara-Maria Saalmann), schickt ihrer Mutter zwei Frauen aus der Krisenregion Kongo. Anna meint die Frauen zu retten. Elizabetta kommen sie als Opfer gerade recht, sie mutiert zur neuen Blutgräfin.

Es ist effektiv, wie Prokofiev den Plot in einer Art durchkomponiertem Dauerrezitativ voranpeitscht. Erst nach der Pause wird die Musik drastischer, sorgen mächtige Orchestercrescendi für auffällige Gliederungspunkte. Noch erstaunlicher aber ist, wie Regisseur Marcus Lobbes für eine Geschichte, die in Filmschnitttechnik zwischen den Szenen und Bildern wechselt, die unvermittelt zwischen Zeiten und Orten springt und in die Werbespots für Kosmetikprodukte hineinplatzen, ein stringent funktionierendes Bühnenkonzept entwickelt. Der Kniff ist, dass er neben einer agilen Personenregie auf Videoprojektionen setzt, die ihm die benötigten filmischen Effekte zur Verfügung stellen - Close-Ups der Akteure inklusive, die das Mienenspiel zu einem kraftvollen Ausdrucksmittel machen.

Obendrein sind die Projektionen die ideale Methode, um die Splatter-Ästhetik entweder in düsterem, scherenschnittartigem Schwarz-Weiß zu malen oder das Blut in roter Pracht süffig fließen zu lassen. Großartig.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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