Museum der Bayerischen Geschichte:Söder nennt das Museum "eine Liebeserklärung an unsere Heimat"

Museum der Bayerischen Geschichte: Das ist er, Bayerns nationaler Anspruch: Leo von Klenze malte 1839 die von ihm erbaute Ruhmeshalle Walhalla bei Regensburg, noch vor ihrer Vollendung. Vorne die Salvatorkirche von Donaustauf.

Das ist er, Bayerns nationaler Anspruch: Leo von Klenze malte 1839 die von ihm erbaute Ruhmeshalle Walhalla bei Regensburg, noch vor ihrer Vollendung. Vorne die Salvatorkirche von Donaustauf.

(Foto: Museen der Stadt Regensburg/Michael Preischl)
  • Nach vielen Verzögerungen ist das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg eröffnet worden.
  • Die Geschichte des Freistaats wird familien- und schulklassentauglich sowie unterhaltsam vorgeführt.

Von Johan Schloemann

Der Franzose Franck Ribéry war ja sehr gerührt neulich, nach seinem persönlich letzten, die deutsche Meisterschaft entscheidenden Bundesligaspiel für den FC Bayern in der Allianz-Arena. Als er seiner tränenerstickten Heroenstimme fürs Stadion-Mikrofon den Ruf "Mia san mia!" abpresste, da wurde allen wieder einmal klar, wie aufnahmefähig die Konstruktion der bayerischen Identität ist.

Sehr aufnahmefähig ist auch das riesige Foyer des neuen Museums der Bayerischen Geschichte - mit großem "B" - am Ufer der Donau in Regensburg, das an diesem Mittwoch fürs Publikum öffnet. An einer Stelle der Welterbe-Altstadt, wo im Mittelalter Hinrichtungen stattfanden, dann Wirtschaftsgebäude standen, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, um einem Nachkriegs-Markt- und -Parkplatz zu weichen - an dieser Stelle, die jetzt mit Glas überdacht ist, grüßt fortan ein ausgedienter Löwe aus Pappmaché vom Münchner Oktoberfest. Und hier schritt am Dienstagnachmittag der gezähmte Löwe Markus Söder zur Einweihung dieses Renommierprojekts des Freistaates, das er "eine Liebeserklärung an unsere Heimat" nannte und das vor einem guten Jahrzehnt sein Vorgänger Horst Seehofer landesherrlich in Aussicht gestellt hatte.

Für Nichtbayern, die sich nicht näher mit Bayern beschäftigen, und die soll es ja geben, bietet dieses Setting alles, was ihre Vorstellungen davon bestätigt: ein Umfeld von historischen Bauten und Landschaften; die global bekannte Folklore von Bier und Fußball; CSU-Regenten, die aus dem Süden zugeschaltet werden und meistens gegen die Bundespolitik stänkern; und dazu noch ein jovialer, leicht schlitzohriger Museumsdirektor, der in herrlichstem Dialektenglisch stolz verkündet, das neue Haus sei technisch "steet off sie art".

Doch naheliegender Spott aus dem Norden wäre billig. Bayern ist laut seiner Verfassung auch ein "Kulturstaat" und kommt dieser Verpflichtung bisher doch recht eindrucksvoll nach. Und das Haus der Bayerischen Geschichte - es hat bisher die wechselnden Landesausstellungen organisiert und ist jetzt auch für das feste neue Haus verantwortlich - kann zunächst einmal nichts dafür, dass es all diese Bayern-Klischees gibt, und so versucht die Dauerausstellung, diese Vorurteile hier und da kritisch zu ironisieren, etwa in einer Vitrine am Ende des Rundgangs von der Zeit um 1800 bis heute, in der von allem tatsächlich nur noch das Oktoberfest, "die Bayern" und Neuschwanstein in der Schneekugel übrig bleiben.

Nein, wichtiger wäre es zu fragen, was das neue Museum insgesamt über das Verhältnis von Bayern und Deutschland aussagt. Denn bei aller Ironisierung ist die Präsentation auch sonst stark an Schauwert und Storytelling orientiert, vom Regenschirm des mythisierten Theaterkönigs Ludwig II. bis zu putzigen Wirtschaftswunderautos. So souverän aber vielleicht Bayernkundige damit umgehen können, und so familien- und schulklassentauglich und unterhaltsam die Geschichte hier tatsächlich vorgeführt wird: Für alle anderen besteht in Regensburg die Gefahr, dass die Veranschaulichung durch die Alltagsgeschichte ihnen nicht exemplarisch größere historische Zusammenhänge erschließt - so wie es Neil MacGregor mit den "100 Objekten" aus dem British Museum vorgeführt hat -, sondern doch eher Folklore und Kuriositäten hängen bleiben.

Bayern blieb im Guten wie im Schlechten mit Deutschland verwoben

Dadurch aber tritt in Regensburg auch ein bayerisches Sonderbewusstsein zu stark in den Vordergrund, was ein Vorurteil nichtbayerischer Besucher nur erneut bestätigen dürfte: Die Bayern, die sind ein ganz eigenes Alpenvölkchen, ein uriger, gemütlicher, traditionsbewusster Stamm mit separatistischen Tendenzen. Zu sehr im Hintergrund bleibt dann, dass diese Auffassung falsch oder zumindest ergänzungsbedürftig ist. In Wahrheit lässt sich Bayern, und zumal das moderne Bayern, nur durch seinen Bezug auf die deutsche Nation charakterisieren.

Und Bayerns Selbstauffassung ist seit über hundert Jahren, abgesehen von ein paar Splittergruppen, nie wirklich separatistisch, sondern föderalistisch. Was ein großer Unterschied ist, wenn man etwa nach Nordirland oder Katalonien schaut.

Es beginnt schon mit dem Ort, der im Zuge der neuen devolution des zentralistischen Bayern, also der Rückverlagerung von Macht und Behörden in die Provinzen, den Zuschlag für das Geschichtsmuseum bekommen hat. Regensburg ist die alte Hauptstadt des Wittelsbacher Bayern, die "Boiariae metropolis", wie der Chronist Otto von Freising im 12. Jahrhundert schrieb. Und so kommt Regensburg irgendwie auch mit der Ironie klar, dass ein Großteil der historischen Schätze Bayerns Anfang des 19. Jahrhunderts nach München geschafft wurde, und dass das Haus der Bayerischen Geschichte, das zu Beginn gar keine eigene Sammlung hatte, sich manches aus München ausleihen musste, wo es ja schon ein Bayerisches Nationalmuseum gibt.

Regensburg war aber auch eine wichtige Stadt des Alten Reiches. In diesem Jahr vor 500 Jahren wurden aus Regensburg, unter anderem auf Betreiben des Malers Albrecht Altdorfer, die Juden vertrieben - auch dies ein Teil der deutschen Geschichte. In der frühen Neuzeit kam die Stadt in der Oberpfalz als Sitz des Immerwährenden Reichstages dem, was man in dem zersplitterten Reich eine deutsche Hauptstadt hätte nennen können, noch am nächsten. Und als das Alte Reich versunken und Bayern im Jahr 1806 von Napoleons Gnaden zum Königreich erhoben worden war, gewachsen um Franken und Schwaben , da ließ König Ludwig I. nach dem Sieg über Napoleon zwei nationale Monumente bei Regensburg errichten: die Ruhmeshalle Walhalla in Donaustauf und die Befreiungshalle in Kelheim.

In die Walhalla kamen Bildnisse bedeutender Deutscher. Soeben erst wurde diese Tradition mit einer neuen Büste der sozialistischen Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz fortgeführt, einer denkbar unbayerischen Persönlichkeit, die aus Königsberg stammte. In Kelheim sollte an den Sieg über Napoleon als Gemeinschaftsleistung erinnert werden: Achtzehn Kolossalstatuen aller deutschen "Stämme" säumen den runden Tempel, und zur Grundsteinlegung 1842 wurde ein Männerchorstück aufgeführt, dessen Text König Ludwig - kein großer, aber ein begeisterter Poet - höchstselbst gedichtet hatte; die vierte Strophe lautete: "Durch der Zeiten weite Ferne schlinge / Immer sich der Eintracht heilig Band, / In des Teutschen Seele sie durchdringe, / Unbesiegt bleibt dann das Vaterland."

Seitdem, kann man sagen, blieb Bayern im Guten wie im Schlechten mit der deutschen Nation verwoben. Es versuchte zwar zunächst als Teil des "Dritten Deutschland" zwischen Preußen und Österreich seine Eigenständigkeit zu wahren. Aber im Einigungskrieg gegen Frankreich 1870 war der nationale Eifer auch in Bayern nicht gering, ebenso bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Und natürlich wurde Hitler mit seiner Bewegung hier groß. Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte Bayern als Bundesland an die nationalromantischen, aber auch an die Traditionen der Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kunstförderung der bayerischen Könige an, während zugleich Brauchtum, Kirche, Bauerntum demonstrativ gepflegt wurden.

Gewiss, dagegen standen auch immer bayerische Liberalität, Opposition, Eigensinn. Davon zeigt die neue Dauerausstellung in Regensburg einiges, auf launige, bewusst theatrale, oft arg kursorische Art. Passt schon zu Bayern. Aber es könnte sein, dass das neue Museum etwas zu groß und zu klein zugleich gedacht ist: zu groß für eine bayerische Gaudi, zu klein im Hinblick auf die deutsche Geschichte.

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