Süddeutsche Zeitung

"Red Tails" im Kino:"Top Gun" in schwarz

Wer einen Film über schwarze Kampfpiloten drehen will, ist in Hollywood allein. Das hat sogar George Lucas erfahren müssen, woraufhin er "Red Tails" schließlich solo realisiert hat. Herausgekommen ist eine Fabel vom Underdog, bei der der Zuschauer die bekannten Muster des Kriegsfilms einmal ganz anders serviert bekommt.

Tobias Kniebe

Obwohl in "Red Tails" viel gekämpft wird, ist der größte Kampf auf der Leinwand unsichtbar. Er handelt davon, wie George Lucas versucht hat, diesen Film zu machen. Ganz richtig: George "Star Wars" Lucas, ein Mann, der von mutigen Kampfpiloten, die sich gegen ein böses und scheinbar unbesiegbares Imperium stellen, mehr als genug versteht. Zum Beispiel, wie man damit Milliarden verdient.

George Lucas hatte nun diese wahre und trotzdem höchst spannende Geschichte aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt, einen klassischen Lucas-Stoff. Ein böses und scheinbar unbesiegbares Imperium (Nazi-Deutschland) muss besiegt werden, und die US-Air Force braucht dafür alle verfügbaren Männer. Es sei denn, diese Männer sind schwarz.

"Von Natur aus unterwürfig, entscheidungsschwach, ungeeignet", heißt es in einem Air Force-Memorandum jener Zeit, das die Möglichkeit schwarzer Kampfpiloten diskutiert. Aber es gab Druck von außen, von Bürgerrechtlern und sogar von der First Lady, Eleanor Roosevelt. Probeweise wurden schließlich in Tuskegee, Alabama, schwarze Piloten ausgebildet - die sogenannten "Tuskegee Airmen".

Aber würden sie je ins Kriegsgebiet abkommandiert werden? Würden sie gar die Chance erhalten, sich im Kampf gegen die deutsche Luftwaffe zu bewähren? Eine klassische Fabel vom Underdog, der am Ende vor allem für seine Ehre antritt.

Und dann wollte kein Studio die Geschichte haben. Zwanzig Jahre lang. Das ist es, was Spike Lee immer meint, wenn er sagt, der Beitrag der Schwarzen zu Amerikas Kriegen werde im größeren Bewusstsein der Kultur unterschlagen, und zwar bis heute.

Bevor er sein Erbe an Disney übergab, um in Rente zu gehen, fasste George Lucas schließlich den Entschluss, das Ding allein zu machen. Nicht mit einem Riesenbudget, aber immerhin mit 58 Millionen Dollar. Er heuerte den jungen schwarzen Regisseur Anthony Hemingway an, und Cuba Gooding Jr. als schon beinahe ergrauten Kommandanten.

Aus der Zeit gefallen

Dazu eine Truppe junger, hungriger Schauspieler, denen es erkennbar ein persönliches Anliegen ist, endlich diese Geschichte zu erzählen. Das ist dann auch das Spannende hier: Dass die Kameradschaft dieser Männer, ihre Witze und ihre Träume und ihre Art, mit Rassismus umzugehen, sich nie so anfühlt, als sei das für ein weißes Publikum inszeniert. Man blickt in eine andere Welt, und diese Welt hat ihre eigenen Regeln.

Dennoch bemühen sich natürlich alle Beteiligten, hier einen Erfolgsfilm zu drehen. Das schulden wir den realen "Tuskegee Airmen", scheint die Devise zu sein. Es gibt also todesmutige Draufgänger, die eine Art "Top Gun" in schwarz aufführen; es gibt Zweifler, die vor dem Einsatz zum Flachmann greifen; es gibt Jungspunde, die sich bewähren, es gibt krass überzeichnete Nazi-Karikaturen in den Pilotenkanzeln der Deutschen. Die ganzen alten Muster des Kriegsfilms werden noch einmal ausgegraben, als sei "Red Tails" aus der Zeit gefallen. Was er ja im Grunde auch ist.

Ein Erfolg ist der Film dann tatsächlich nicht geworden - vielleicht aus genau diesem Grund. Es bleibt aber das Gefühl, dass die Filmemacher hier exakt das gemacht haben, was sie tatsächlich machen wollten - ohne dass ihnen jemand reinreden konnte. Und eine schöne Pointe gibt es am Ende auch: Die Tuskegee-Flieger bewähren sich tatsächlich im Kampf, weil sie im Vergleich zu den weißen Piloten über eine noch stärkere Selbstkontrolle verfügen. Wo aber lernt man die? Natürlich in einer rassistischen Welt.

Red Tails, USA 2012 - Regie: Anthony Hemingway. Buch: John Ridley, Aaron McGruder. Kamera: John Aronson. Mit Cuba Gooding Jr. Capelight, 125 Min.

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SZ vom 17.11.2012/pak
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