Rechtsstreit um "kreuz.net":Parakatholische Aktivitäten

Die Suche nach den Hintermännern des Hetzportals kreuz.net schreitet voran - und beschäftigt die Justiz. Der Kläger ist ein Theologe. Der Beklagte: ein Ufo-Forscher.

Von Rudolf Neumaier

Die Zivilkammer des Landgerichts Hamburg hatte vergangene Woche einen delikaten Fall zu entscheiden. Der Kläger: ein Theologe. Der Beklagte: ein Ufo-Forscher. Es ging aber nicht um unbekannte Flugobjekte und schon gar nicht um Gott, sondern um eine ziemlich ekelhafte Internet-Seite: kreuz.net. Der Ufo-Forscher Michael Hesemann hatte E-Mails versendet, in denen er dem schwulen Theologen David Berger unter anderem vorgeworfen hatte, dass der "einst selbst zu den ständigen Autoren von kreuz.net gehörte". Wenn Hesemann dies weiterhin behauptet, muss er nach richterlichem Beschluss ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro bezahlen.

Zur Erinnerung: kreuz.net war eine antisemitische, homophobe und katholisch-traditionalistische Seite im Internet. Ihre Betreiber blieben anonym. Offenbar weil sie sich nicht mehr sicher fühlten, nahmen sie das Portal mit seinen menschenverachtenden Texten Anfang Dezember 2012 vom Netz. Man kann sagen, kreuz.net knickte unter der Last des öffentlichen Drucks ein. Einer der maßgebenden Männer, die diesen Druck aufgebaut hatten, war David Berger.

Als Koordinator der Berliner Initiative Stoppt kreuz.net hatte er eine einmalige Recherche-Kampagne organisiert. Dadurch ließen sich zahlreiche Verdächtige identifizieren. Aus kirchlich traditionalistischen Kreisen, denen er bis zu seinem Outing als Homosexueller selbst angehörte, wurde Berger massiv attackiert. Als Berger-Gegner tat sich unter anderem der Ufo-Autor Hesemann hervor. Von ihm stammen Bücher wie "UFOs: neue Beweise. Eine Dokumentation" (1994) und "UFOs: eine Bilddokumentation" (2001). In den letzten Jahren griff Hesemann viele katholische Themen auf. Und er verfügt über Kontakte zum Klerus: Mit Georg Ratzinger schrieb er das Erinnerungsbuch "Mein Bruder, der Papst", das im kommenden Jahr verfilmt wird.

Die Berliner Justiz meldet unterdessen Fortschritte bei ihrer Suche nach den anonymen Hintermännern von kreuz.net. Bei den "intensiven Ermittlungen" habe sich "vor allem durch das Zusammenwirken mit österreichischen Behörden Einiges verdichtet", sagte der Berliner Staatsanwalt Norbert Winkler der Süddeutschen Zeitung. Ein Teil des Ermittlungsverfahrens sei an eine andere deutsche Staatsanwaltschaft abgekoppelt.

Engere Verbindungen zwischen Priesternetzwerk und dem Hassportal

Ein weiteres Ermittlungsverfahren ist bei der Staatsanwaltschaft Aachen anhängig. Dort wurde allerdings Berger selbst angezeigt. Er hatte in einem Zeitungsinterview den Herzogenrather Pfarrer Guido Rodheudt in die Nähe von kreuz.net gerückt. Rodheudt ist Sprecher des erzkatholischen Netzwerks katholischer Priester, das auf seiner Internet-Seite nicht nur einen Link zu kreuz.net geschaltet hatte, sondern sogar einen Liveticker. Das lässt auf engere Verbindungen zwischen Priesternetzwerk und dem Hassportal kreuz.net schließen. Bis heute will sich Rodheudt nicht zum Zustandekommen des Livetickers äußern.

Berger insinuierte in dem Zeitungsinterview, dass das Abschalten von kreuz.net mit einer Tagung in Herzogenrath zusammenhing, für die Rodheudts Netzwerk warb. Die Tagung endete am 1. Dezember, einen Tag später war die Seite nicht mehr im Netz. Und nachdem Berger wenige Tage später das Interview in der Aachener Tageszeitung gegeben hatte, schickte eine Mitarbeiterin des "Tagungteams" eine E-Mail "An alle Teilnehmer der Liturgischen Tagung in Herzogenrath", die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ganz im Geiste von kreuz.net hieß es in der Botschaft: "Haben wir, die zu dieser Stunde angegriffenen Katholiken, nicht die verpflichtende Aufgabe, darüber zu wachen, in welche Richtung die Kirche in Deutschland hinsteuert, denn dadurch, daß wir die realsatirisch anmutende Szenerie nur beobachten, lassen wir es zu, daß die deutsche Kirche sich nur noch weiter von ihren Wurzeln entfernt."

Auch den Autoren von kreuz.net war die deutsche Kirche zu liberal. Die Verfasserin der Mail appelliert an ihre Adressaten, darunter "sehr geehrte hochwürdige Herren": "Hilfreich - und ja, meiner Ansicht nach notwendig - wäre es nun, wenn Sie (...) Leserbriefe an die Aachener Zeitung senden würden." Selbstverständlich vergisst sie nicht, einen Internet-Link der Aachener Zeitung anzugeben, auf dem Leserbriefe abzuladen sind.

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