Rechtsstreit:Blutgeld

Für die Zitate in Peter Longerichs Goebbels-Biographie werden Tantiemen gezahlt. Jetzt will der Verlag Random House vor Gericht klären, ob man mit einem Kriegsverbrecher Geld verdienen darf.

Von Willi Winkler

Was sind andererseits schon ein paar Tausend Euro gegen die zehn Morde, die im Münchens Justizzentrum in der Nymphenburger Straße verhandelt werden? Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt, die Mörder vom "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU), nahmen sich das Recht heraus, unter den Augen der Behörden Deutsche ausländischer Herkunft umzubringen.

Im Neubau des Justizzentrums in der Münchner Prielmayerstraße geht es dagegen nur um das Recht, mit den Wörtern eines mörderischen Rassisten Geld zu verdienen. Der nationalsozialistische Propagandaminister Joseph Goebbels hinterließ umfangreiche Aufzeichnungen, die dank des Urheberrechts bis heute tantiementrächtig sind. Der Siedler-Verlag konnte 2010 die Goebbels-Biografie von Peter Longerich, die sich auf Goebbels' Tagebücher stützt, nur herausbringen, indem er Cordula Schacht, die den Nachlassverwalter François Genoud beerbt hatte, am Umsatz beteiligte (SZ vom 23. April).

Siedlers Rechtsvertreter Rainer Dresen nennt diesen Vergleich heute eine "juristische Finte". Anders als die Verlage, die über Jahrzehnte brav gezahlt haben, wollte Random House, zu dem Siedler gehört, die Frage geklärt wissen, ob es statthaft ist, dass mit einem Kriegsverbrecher Geld verdient wird. In der ersten Instanz war der Verlag gescheitert. Bei der Verhandlung am gestrigen Donnerstag ging es darum, ob eine Berufung überhaupt zulässig ist. Wie im vergangenen Jahr beschäftigte sich der Senat hingebungsvoll mit Formalien und zeigte herzlich wenig Interesse daran, ob der Geldfluss moralisch gerechtfertigt ist.

Das Verfahren wäre ums Haar an der Kostenfrage gescheitert, nämlich ob die Aufwendungen für die Gewinnermittlung aus dem Verkauf von Longerichs Buch als "Beschwer" hinreichten. Erst als Dresen auf das Alliierte Kontrollratsgesetz Nummer 52 hinwies, wonach jeder Vergleich zugunsten anderer "schwebend unwirksam" sein könnte, schien eine Wende möglich. Durch die Alliierten ist der Freistaat Bayern nach dem Krieg Eigentümer von "Mein Kampf" geworden und hat bis heute den Vertrieb verhindern können. Acht Monate vor Ablauf der Schutzfrist für Hitler und Goebbels könnte sich jetzt herausstellen, dass der Freistaat nicht nur bei Hitler, sondern auch bei Goebbels als Einziger nutzungsberechtigt ist. Durch unterlassenes Rechtsinteresse und womöglich, um den zeitweiligen BND-Mitarbeiter Genoud zu schonen, hätte Bayern also nicht wenig zum Lebensunterhalt der Goebbels-Nachfahren beigetragen.

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