Rechtspopulistisches Liedgut in Dänemark:"Setz' dich hin und hör' dir ein vaterländisches Lied an"

Die Partei der dänischen Rechtspopulisten bekämpft Europa und hat dazu ein Lied komponiert. Doch der patriotische Gesang ist bloß ... ein anonymer Euroschlager. Ein weiteres Beispiel dafür, dass der zeitgenössische Nationalismus kein Vaterland hat.

Per Svensson

Neulich hat die Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei), die Partei der dänischen Rechtspopulisten, ihren Beitrag zum politischen Lied vorgestellt. Der Song mit dem Titel "Herfra min verden går" ("Mein Welt geht von hier aus") war von Kim Christiansen, einem Parlamentsabgeordneten der Partei, geschrieben worden. Er singt auch die Solostimme, wie auf dem Video, das die Partei ins Netz gestellt hat, zu sehen ist. In einer Pressemitteilung erklärt die Folkeparti, seine Stimme erinnere an die von Bryan Adams.

Den Chor bildet die gesamte Parlamentsfraktion, allen voran die Parteivorsitzende Pia Kjærsgaard. Da lächeln dann lauter gesetzte Herrschaften beseelt in den Himmel eines Musikstudios - nach einer Reihe von stimmungsvollen Bildern aus der dänischen Landwirtschaft - und wiegen ihre vollreifen Körper im Takt der Musik, ein wenig wie im Klassiker "We are the World" von Michael Jackson und Lionel Richie. Nur, dass die gefühlvolle Botschaft etwas schmaler geschnitten ist: Wir sind die Dänen.

"Setz' dich hin und hör' dir ein vaterländisches Lied an", mahnt Kim Christiansen im Text, "für das Land, das deines ist und meins, wo die Flagge weht rot und weiß." Schnell erweist sich indessen, dass dieser patriotische Gesang bloß ein anonymer Euroschlager ist, ungefähr so dänisch wie ein Magnum-Eis von Unilever oder Langnese.

Es ist, wie es sein muss: Der zeitgenössische Nationalismus hat kein Vaterland. Er ist sich überall gleich und nährt sich von der Verachtung gegenüber der etablierten Politik, den Medien des gesellschaftlichen Mainstreams, den Immigranten und der Europäischen Union. Er zieht seine Kraft aus einer negativen Utopie, aus dem Traum von einer Welt, in der diese vier gefährlichen Mächte in die Vergangenheit verwiesen sind.

Redliche Zollhäuschen für den antikriminellen Schutzwall

Der populistischen Internationale ist gelungen, wovon die Romantiker der Europäischen Union immer träumten, was ihnen aber nie gelang: eine europäische Werte- und Gefühlsgemeinschaft zu schaffen, jenseits und über allen nationalen Beschränktheiten. Immer mehr Europäer sammeln sich unter antieuropäischen Fahnen.

Nationalistische, populistische und rechtsextreme Parteien und Strömungen kommen überall voran, sie sitzen in Parlamenten und Regierungen, in Ungarn, Italien, Finnland, Dänemark, Frankreich, in den Niederlanden, in der Schweiz ...

Seit einiger Zeit betreibt die Dänische Volkspartei eine Kampagne mit dem Slogan "Det skal være en grænse", es muss eine Grenze geben. Die Partei stellt sich diese Grenze einerseits metaphorisch vor: Die Ausländer sollen nicht mehr nach Dänemark kommen und sich, tja, wie Ausländer benehmen - und andererseits buchstäblich: Wo die heimische Welt aufhört, also an der Brücke über den Öresund und in Flensburg, da soll es wieder, wie früher, redliche Zollhäuschen geben und redliche Zollbeamte und redliche Polizisten, die alles Unredliche fernhalten vom guten alten Land der Dänen. Einen antikriminellen Schutzwall möchte man errichten.

Der EU den Stinkefinger gezeigt

Widerspricht diese Idee dem Geist und vielleicht auch den Buchstaben des Vertrags von Schengen? Ach - und umso besser. Die Dansk Folkeparti zeigt, wie ihre Schwesterparteien in anderen Teilen Europas, der Europäischen Union mit Vorliebe den Stinkefinger. Ihre Wähler sehen das gern.

Und sie weiß auch, dass die etablierten Parteien, die Kanzler und Präsidenten der europäischen Staaten, diese Wähler so sehr fürchten, dass sie stets bereit sind, die Anliegen der Populisten zu ihren eigenen zu machen - um zu verhindern, dass die Populisten ihre Politik durchsetzen, machen sie dieselbe Politik gleich selber.

Weniger die Krise des Euro als diese Politik des "appeasement" ist es, was die Europäische Union gegenwärtig als scheiterndes Projekt aussehen lässt. Und warum sollten auch die Bürger das politische Gerede von einem freiheitlichen Europa glauben, wenn die führenden Politiker es offenbar selbst nicht tun?

Dänemarks Regierung wird die Grenzkontrollen wiedereinführen, nach einem der so gewöhnlich gewordenen Kompromisse mit der Dänischen Volkspartei (Einsparungen bei den Pensionen im Tausch gegen Einschränkungen in der europäischen Bewegungsfreiheit). Und wenn die EU-Kommission protestiert, "dann muss wohl die Regierung die EU-Kommission zurechtweisen oder den Schengen-Vertrag kündigen", sagt Peter Skaarup, der stellvertretende Parteivorsitzende.

Einer Partei, die vierzehn Prozent der Stimmen auf sich vereinigen kann, gelingt es, nicht nur das eigene kleine Land, sondern auch die europäische Idee zu Geiseln zu nehmen. Nicht erstaunlich also, wenn Pia Kjærsgaard und ihre Parteifreunde so fröhlich "Meine Welt geht von hier aus" singen.

Der Autor ist Journalist und Buchautor. Er lebt in Malmö, auf der schwedischen Seite des Öresund.

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