Rechtsintellektuelle im Internet:Wo Gehirne sich übergeben

"Die Internet-Quasselbude von ihrer schlimmsten Seite": Ein neues deutsches Internetportal sucht rechtsintellektuelle Identität und duldet keinen Widerspruch.

Marc Felix Serrao

Der 30. Dezember 2008 war bitterkalt, doch Götz Kubitschek bekam davon nichts mit. Der konservative Verleger saß auf seiner Burg in Sachsen-Anhalt vor dem PC und glühte vor Wut. "Hier wird wieder einmal mit heruntergelassener Hose Metapolitik gemacht", schrieb er im Internet auf dem rechten Jugendportal Blaue Narzisse - "Hier präsentiert sich die Internet-Quasselbude wieder einmal von ihrer schlimmsten Seite, hier übergeben sich Gehirne in Echtzeit." Der Kommentar sorgte bei den Lesern für Aufruhr. Hier hatte ein führender Kopf der rechtsintellektuellen Szene wie nie zuvor seinem Unmut über den Nachwuchs Luft gemacht, der nichts Besseres zu tun hatte, als darüber zu streiten, welcher Name zu ihm passt. "Die Neue Rechte ist tot", schrieb einer. "Die Neue Rechte braucht ein Lebensgefühl", ein anderer. So ging es tagelang. Wer Argumente suchte, um das kleine Milieu für politisch irrelevant und esoterisch zu halten, konnte sie hier finden.

Rechtsintellektuelle im Internet: Fordert im "Netztagebuch der wahren, guten und schönen Rechten" neue Begriffe für die Gesellschaft: Verleger Götz Kubitschek

Fordert im "Netztagebuch der wahren, guten und schönen Rechten" neue Begriffe für die Gesellschaft: Verleger Götz Kubitschek

(Foto: Foto: ddp)

Auch deshalb hat Kubitschek nun sein eigenes Portal gegründet. An diesem Montag soll es starten: das "Netztagebuch der wahren, guten und schönen Rechten" (www.sezession.de). Bislang sind die einzig nennenswerten Seiten einer Szene, die sich selbst "zwischen Union und NPD" verortet, die der Wochenzeitung Junge Freiheit und der Internetseite Blaue Narzisse. Kubitschek sagt, seine Seite richte sich "an alle, die glauben, dass unsere Gesellschaft neue Begriffe braucht". Diese wolle er mit seinen Leuten prägen: "Es gibt keine interessantere rechtsintellektuelle Gruppe als uns." Den Anfang machen der Philosoph Erik Lehnert, der Historiker Karlheinz Weißmann, der Verleger Wolfgang Dvorack-Stocker und seine Frau Ellen Kositza. Wer von den Leuten noch nie etwas gehört hat, weiß, wie es um die Stärke des deutschen Rechtsintellektualismus bestellt ist.

Optisch wirkt Kubitscheks Seite nett, mit Pastellfarben und Autorenbildchen. Unter der Rubrik "Konservativ? Zwölf Goldene Regeln" heißt es in der Testversion: "Erschrick nicht, wenn Du feststellst, dass Du konservativ bist. Es besteht kein Grund zur Sorge." Und unter dem Stichwort "Verhausschweinung" schreibt Kubitschek: "Wie sehr wünschte man sich, dass jeder eigenhändig mit der Saufeder ein Wildschwein zu erlegen hätte, bevor er - eingewickelt in eine Verdi-Tüte und mit fettem Gesicht - für acht Prozent mehr Lohn in seine Trillerpfeife grunzt." Bevor zu Recht erboste Gewerkschafter nun zu tippen beginnen, ein Hinweis: Die Kommentarfunktion der Seite ist stark beschränkt. Er habe "keine Lust auf Foren-Trolle", sagt Kubitschek. Vielleicht fürchtet er auch nur, dass seine Anhänger ungefiltert gar nicht mehr so "wahr, gut und schön" aussehen.

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