Recht:Was ist gemein?

Attac wehrt sich juristisch gegen den Entzug des Gemeinnützigkeitsstatus. Die Organisation argumentiert, das Finanzamt habe damit gegen "die gesamte aktive und kritische Zivilgesellschaft" entschieden.

Von Andreas Zielcke

Der deutsche Ableger der in fünfzig Ländern agierenden Nichtregierungsorganisation Attac will gegen das Finanzamt Frankfurt Klage wegen Entzug des Gemeinnützigkeitsstatus einreichen. Wie der Verein an diesem Mittwoch bekannt gab, erhielt er am 27. Januar den Bescheid des Finanzamts, gegen den er jetzt gerichtlich vorgehen will. Mit dem Bescheid weist das Amt den Einspruch zurück, den Attac bereits im Jahre 2014 eingelegt hatte. Zugrunde liegt die damalige Entscheidung des Amtes, Attac die Gemeinnützigkeit abzusprechen.

Die Begründung für den Entzug lautet, dass Attac seine Aktivitäten nicht so unpolitisch ausübt, wie es die Abgabenordnung vorschreibe. In der Tat betrifft der Streit über die Grenzziehung zwischen politischen und unpolitischen Aktionen inzwischen immer mehr NGOs, zumal solche, deren Ziele regierungskritisch angelegt sind. Darum wird die gerichtliche Klärung, die Attac herbeiführen will, exemplarische Bedeutung für alle ähnlich operierenden Vereine haben, die den Status der Gemeinnützigkeit ursprünglich erworben haben, aber in den Augen der Finanzbehörden die gesetzliche Bedingung verletzen, ihre legitimen Ziele unpolitisch zu verfolgen.

"Der Verein streitet für die gerechte Verteilung des Reichtums - das ist gemeinnützig."

Zur Rechtfertigung der Klage weist Attac selbst auf seine exemplarische Rolle hin: "Die Entscheidung des Finanzamts trifft nicht nur Attac, sondern die gesamte aktive und kritische Zivilgesellschaft." Der Verein streite für eine "strenge Regulierung der Finanzmärkte", die "gerechte Verteilung des globalen Reichtums" und verteidige damit "das Gemeinwohl gegenüber mächtigen Einzelinteressen. Das ist gemeinnützig".

Ob ein solches globalisierungskritisches Engagement tatsächlich sinnvoll oder aussichtsreich ist, muss das Finanzamt nicht beurteilen. Immerhin hat es aber den Verein mit den in seiner Satzung entsprechend festgeschriebenen Zielen für gemeinnützig anerkannt. Wie man solche Ziele allein mit unpolitischen Aktionen verfolgt, ist die Frage. Finanzämter und steuerrechtliche Lehre halten dies für möglich, ja sie fordern es. Um den gesetzlichen Bedingungen zu genügen, müssen auch Vereine wie Attac den unpolitischen Charakter ihres öffentlichen Engagements betonen. Unübersehbar aber ist, dass sich hier ein Dilemma auftut, dessen sich eine problembewusste Rechtsprechung annehmen muss (siehe "Aktivismus unerwünscht", SZ vom 15. Februar).

Immerhin gibt es ein, zwei höchstrichterliche Entscheidungen, die zumindest eine gewisse Öffnung zur unvermeidlichen politischen Dimension solcher gemeinnütziger Aktivitäten zulassen. Im vorigen Jahr hat sich eine Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" gebildet, die sich für eine problem- und zeitgemäße Interpretation des Gemeinnützigkeitsrechts einsetzt. Zu ihr gehören neben Attac viele namhafte NGOs wie Brot für die Welt, Amnesty International, Oxfam oder Terre des Hommes, deren Gemeinnützigkeit niemand bezweifelt.

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