Der Fall Rebecca:Die Polizei sucht ein Instagram-Phantom

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Ein Porträt der vermissten 15-Jährigen aus dem Neuköllner Ortsteil Britz. (Foto: Polizei Berlin/dpa)

Profilbilder auf Instagram sind keine authentischen Porträts. Das weiß man. Warum nutzt die Polizei ein solches Bild, um nach der vermissten Rebecca zu suchen?

Von Catrin Lorch

Es ist die außergewöhnliche Schönheit dieses Porträts, das aus dem traurigen Verschwinden eines Kindes eine mediale Sensation macht. Seit mehr als einer Woche gilt eine Berliner Schülerin als vermisst. Während die Presse und das Fernsehen meist von einem "Fall Rebecca" berichten, kursieren im Internet Schlagzeilen wie "Ganz Deutschland sucht die schöne Rebecca". Denn das offizielle, von der Polizei herausgegebene Fahndungsfoto, das auch von der Deutschen Presseagentur verbreitet wurde, zeigt eine Fünfzehnjährige, die aussieht wie die Traumversion einer jungen Brigitte Bardot in der Rolle von Lolita.

Was für die Generation der unter Dreißigjährigen offensichtlich ist, scheint den Medien und der Polizei nicht aufgefallen zu sein: Dieses Bild - es stammt von der Instagram-Seite von Rebecca und ist ihr Profilbild - wurde heftig bearbeitet. Die Lippen sind voller als in Wirklichkeit, die Augen unrealistisch groß. Doch was heißt heute realistisch? Dass Rebecca, wie viele Pubertierende, auf der Suche nach sich selbst unaufhörlich Fotos von sich machte und diese mit Shareware und Apps wie "Pocket Plastic Surgeon - die digitale Schönheits-OP" -, dem "Visage Lab" oder "Insta Beauty" bearbeitete, ist nicht außergewöhnlich.

Es ist inzwischen eher überraschend, wenn jemand aus dieser Altersklasse ein ungeschöntes Bild seiner selbst herzeigt. Dass diese aufgehübschten Avatare dann ein Eigenleben führen im Netz - weil sie vielleicht den Freunden, den Verlinkten und Facebook-Kontakten vertrauter sind als der Mensch, der sie postet, das ist ein Phänomen, über das geschrieben, geforscht und debattiert wird.

Allein die Polizei scheint blind für dieses Phänomen zu sein. Sie stellt das Bild zusammen mit einer Aufnahme des Kindes in einer Plüschjacke im Internet mit dem Hinweis ein, dass man "durch die Veröffentlichung von Bildern in Berlin vermisster Personen um die Mithilfe bei der Ermittlung ihres jetzigen Aufenthaltsortes, bzw. bei der Klärung ihres Schicksals" bitte.

Doch könnte ein Fremder das Mädchen aufgrund des Instagram-Bildes kaum identifizieren. Die Pressestelle der Polizei teilt auf Anfrage mit, man habe das Porträt gemeinsam mit der Familie ausgewählt. Aber hätten die Ermittler da nicht nachfragen müssen, ob das Bild tatsächlich dem Aussehen des Mädchens entspricht - auch wenn die Angehörigen behaupten, es handele sich um eine aktuelle Aufnahme? Oder spiegelt es in seiner rehäugigen Schönheit womöglich eher das Bild eines jungen, weiblichen Opfers? Die Schwestern und Freunde von Rebecca haben auf einem Flugblatt, das sie im Berliner Stadtteil Alt-Buckow aushingen, dann zwei Fotos abgebildet - eines wirkt unbearbeitet.

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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