Süddeutsche Zeitung

Reality-Theater im Hofspielhaus:Die Geschichte meines Lebens

Lesezeit: 2 min

Mal rührend, mal unterhaltsam, manchmal auch dramatisch, wie das Leben eben auch: Ganz normale Menschen stehen am Donnerstag auf der Bühne vom Hofspielhaus und erzählen ihre Geschichte. Ein Veranstaltungstipp.

Von Christiane Lutz, München

Franzi will ein Weinlokal eröffnen und wird schließlich glückliche Hundefrisörin. Doro studiert Kunstgeschichte und kommt auf die Idee, mit Anfang dreißig noch Schauspielerin werden zu wollen - ein Greisenalter im Showbusiness. Und Christiane geht in Istanbul mit einem fremden Mann nach Hause, ohne umgebracht zu werden. Nicht besonders dramatisch, aber alles wirklich so passiert. Die besten Geschichten, die schreibt immer noch das Leben, sagt man. Da ist was dran.

Zeitungsleser lieben Geschichten von echten Helden, in Talkshows berichten Menschen von persönlichen Schicksalen, und das Fernsehpublikum fällt reihenweise auf vermeintliche Reality-Shows rein. Die Sehnsucht nach Authentizität ist groß.

"Die runde Ecke - meine Geschichte. Live erzählt" heißt ein kleines, feines Fernsehformat des WDR, das nun im Hofspielhaus vor Münchner Publikum ausprobiert wird. Hinter der "runden Ecke" steckt unter anderen Patrick Neumann, eigentlich tätig in der PR, der mit Moderator Patrick Lynen, Ralph Günther und Matthias Pflugradt vor zwei Jahren die simple Idee hatte, im Fernsehen ganz normale Menschen normale Geschichten erzählen zu lassen. "Back to basics" nennt das Patrick Neumann. "Schon in der Steinzeit war doch die Hauptbeschäftigung am Lagerfeuer, sich Geschichten zu erzählen."

Eine Bühne, ein Mensch, ein Mikrofon und bitte schön

Diese Geschichten sind mal rührend, mal unterhaltsam, manchmal auch dramatisch, wie das Leben eben auch. Die einzige Vorgabe der Macher: Wahr muss die Geschichte sein und eine gewisse Relevanz haben. "'Ich war bei Lidl, denn die Butter war aus', zählt da nicht unbedingt zu", sagt Neumann. Einen moralischen Überbau brauche er allerdings auch nicht.

Er und seine Kollegen führen ein Vorgespräch mit dem Erzähler und überlegen, wie man die Geschichte auf acht bis zehn Minuten kürzt. Neumann betont: "Wir verändern nichts an den Geschichten. Unsere Aufgabe ist es, die Leute in die richtige Richtung zu schubsen, wenn sie sich in Details verlieren oder Sinnlücken beim Erzählen entstehen." Man wolle keine dramaturgisch zugespitzte, aufgehübschte Version, nein, der Mensch steht so, wie er ist, auf der Bühne und spricht so, wie er spricht. "Wir brauchen nur eine Bühne, einen Mensch, ein Mikrofon und bitte schön." Das Ergebnis ist erstaunlich unspektakulär und dadurch sehr charmant.

Eben hat der WDR zugestimmt, das Format zu verlängern. Warum es funktioniert, normale Menschen auf Bühnen zu stellen, kann Patrick Neumann selbst nicht genau erklären. "Vielleicht mögen die Menschen den Kontrast zu dem Überpolierten, was sonst im Fernsehen zu sehen ist", vermutet er. "Scripted Reality wird im Fernsehen auch angeschaut, obwohl das furchtbar schlecht gemacht ist."

Wo man als Konsument davon ausgehen muss, immer und überall an der Nase herumgeführt zu werden, liegt in der Echtheit eine unbezahlbare Qualität. Das erklärt auch, warum Firmen beispielsweise große Summen an Mädchen bezahlen, die auf ihrem privaten Youtube-Kanal über Schminke und Duschgel plaudern. Authentizität ist eben glaubhafter als es retuschierte Werbebanner sind. Nun verkauft "Die runde Ecke" natürlich nichts außer guten Geschichten, und reich werden die Macher damit auch nicht, aber der Effekt scheint ähnlich zu sein.

Im Hofspielhaus ist das Motto "Meine Geschichte. Live erzählt" abgewandelt in "Münchner Geschichten", es sind sieben Erzähler aus der Stadt und der Region zu Gast. Neumann hofft, dass im Hofspielhaus der Zauber aufs Neue aufgeht. "Dass das Publikum zuhört, Ohren und Herzen öffnet. Und dass wir wieder ein paar Geschichtenschätze heben, so, wie das Oma schon gekonnt hat."

Die runde Ecke, Donnerstag, 31. März, 20 Uhr, Hofspielhaus, Falkenturmstraße 8

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SZ vom 30.03.2016
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