Raumpatrouille Orion:Über den Königsplatz von vorgestern nach übermorgen

Drehorte in München: Raumpatrouille Orion

Der Start der Orion war damals Höhepunkt der Tricktechnik.

(Foto: dpa)

Wenn die Raumpatrouille Orion einst ins All startete, spielte der Königsplatz bei den Dreharbeiten eine wichtige Rolle. Aus heutiger Sicht ist der kaum noch zu erkennen.

Von Christian Jooß-Bernau

In der Wochenendausgabe des 19. und 20. Juni 1965 blickte Hannes Obermaier, der unter seinem Pseudonym "Hunter" die Nase in alles Mögliche steckte, für die Leser der Abendzeitung in die Zukunft. Von einem "Science-Fiction-Thriller" munkelte er, dessen Dekorationen "in ihrer technischen Perfektion wirklich aus dem Jahr 2000 stammen könnten." In Halle 4 der Bavaria-Studios hatte er Dreharbeiten für das "Raumschiff Orion" besucht.

Das Setdesign begeisterte Hunter derart, dass Ungenauigkeiten nicht ins Gewicht fallen: "Zweckentfremdete Hosenknöpfe, Badewannenarme, Bleistiftspitzmaschinen und Siebe aller Art haben in der Hand des Architekten plötzlich Zukunftsfunktionen übernommen, die wirklich futuristisch anmuten." Die "Raumfahrtkostüme" der Damen konnten Hunter allerdings nicht überzeugen: "Sie sehen bestenfalls wie verhinderte Après-Skianzüge aus dem Jahr 1965 aus."

Am 17. September 1966 um 20.15 Uhr sendete das Erste deutsche Fernsehen die erste Folge von "Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion". Jeden zweiten Samstag durften sich die Bundesbürger an den Empfangsgeräten von der Erzählonkelstimme im Vorspann auf dieses "Märchen von übermorgen" einstimmen lassen. Eine knappe Viertelstunde dauerte es am 17. September, bis die Crew um Major Cliff Allister McLane zu ihrem ersten Routineeinsatz aufbrach.

McLane war noch etwas maulig - weil wegen Eigenmächtigkeit von den Schnellen Raumverbänden zum Patrouillendienst strafversetzt. Eben noch sah man ihn im Starlight-Casino mit seinem Bordingenieur Hasso Sigbjörnson. Der hatte den Auftritt seiner Ehefrau hinter sich gebracht, die ihren Gatten, der schon ordentlich Schlagseite hatte, gerne nach Hause geholt hätte. Ingrid, die Gute, aber beugte sich dem Willen der Männer. Und Hasso durfte zur Arbeit fahren.

Jetzt ist die Orion zum Start freigegeben, im Funkverkehr hört man die Xerxes 9 maulen, weil Tiefseebasis 104 belegt ist: "Uns reicht's, wir waren 18 Wochen im Raum". "Tut mir leid Kommander", flötet die Dame in der Startfreigabe - ganz so, wie Mutti, die Vati im Feierabendstau beruhigt. Der Ausblick auf die Tiefseebasis ist gut, ein mit Platten belegtes Rund auf dem Wägelchen fahren und Menschen laufen. Ein Teleskoparm des Raumschiffs setzt auf der Basis auf.

Während im Vordergrund die Diskussion schwelt und die Dame Kommander Stein ernsthaft zur Ordnung ruft, heult eine Sirene, Männchen sprinten weg vom einfahrenden Teleskop. "Wir sprechen uns noch, Schätzchen," raunzt der Kommander. "Gerne Kommander", zwitschert es zurück, "fragt sich nur, was ihre Frau dazu sagt". Schnitt ins Innere der Orion, wo McLane, seinen ihm zwangsweise zugeteilten Sicherheitsoffizier Tamara Jagellovsk anschnauzt, sich in die Kabine zu begeben.

Der Königsplatz spielte eine wichtige Rolle

Der Start von Tiefseebasis 104 gehörte zum festen Repertoire der Raumpatrouille und war als Trickspektakel von vorgestern tatsächlich eine der aufwendigsten Szenen. Das liegt an den diversen Masken, mittels derer die Szene zusammenkopiert wurde: dem Panorama, das den Horizont aus sich verschränkenden Lichtstrahlen bildet, dem Teleskoparm und der Dame im Vordergrund. Die ameisigen Männchen und Wägelchen, sie bewegten sich einst tatsächlich - über den Münchner Königsplatz. Dass den heute beim besten Willen keiner mehr erkennt, liegt daran, dass die Platten, die die Fläche der Basis bilden, zwischen 1987 und 1988 entfernt wurden.

Was zu Zeiten der Dreharbeiten als Parkplatz genutzt wurde, war etwas mehr als 20 Jahre zuvor Aufmarschfläche der Nationalsozialisten gewesen. Noch kurz vor seinem Tod 1934 hatte der Architekt Paul Ludwig Troost die Umgestaltung des Platzes, der als Hommage an die griechische Akropolis gedacht war, auf den Weg gebracht. Granitplatten, Führerbau und zwei "Ehrentempel" brutalisierten den Königsplatz und zeigten, wie man ein klassisches Ideal in die Diktatur verbiegt.

"Es gibt keine Nationalstaaten mehr", stimmt der Erzählonkel die Zuseher ein. Astrogator Atan Shubashi, Armierungsoffizier Mario de Monti - die Namen der Crew kommen heutigen Teamvorstellungen von Diversity nahe. Und wer im Tändeln zwischen Cliff Allister McLane und Tamara Jagellovsk nicht die zarte Erotik des Kalten Krieges spürt, hat keinen Sinn für Anspielungen. Die Raumpatrouille aber ist nicht frei von den Schatten der Vergangenheit. Ausgeblendet ist das Volk als solches - Demokratie ist nicht das Thema. In Zeiten allgegenwärtiger Bedrohung gibt das Militär die Marschrichtung vor. So hat sich auf den zweiten Blick der Nationalstaat nicht überholt, wurde nur globalisiert, während die von außen kommende Bedrohung des Nationalen kosmische Dimensionen angenommen hat.

Dem entgegen steht der Zukunftsoptimismus der Sechzigerjahre selbst. Man kann das Morgen nicht viel anders als das Heute denken. Die Frisuren der Damen sind nur etwas aufgepumpt, das Rowenta-Bügeleisen hat in der Steuereinheit des Raumschiffes seinen Platz. Man trinkt aus der Glasserie "Smoke" von Joe Colombo und sitzt auf Eames-Stühlen. Diese Zukunft ist in der Gegenwart schon enthalten, sie muss sich nur noch enthüllen. So wie Frauen in der Welt von übermorgen Generäle oder vorgesetzte Sicherheitsoffiziere werden dürfen. Die Welt von morgen schien noch nicht auf Zukunft eingestellt, und Eva Pflug klagte später, ihr in der Serie angelegtes Image der emanzipierten Frau habe ihr die Karriere verbaut.

Es war allerdings ein zartes Pflänzchen der Emanzipation: Legte doch Eva Pflug als hübsche Tamara mit Klimperwimpern und sanftem Lächeln Cliff einen Befehl bestenfalls nahe, um ihm endlich, eingesperrt auf dem von Frauen regierten Planeten Chroma, um den Hals zu fallen. Die Herrscherin von Chroma übrigens, gibt mit entschuldigendem Augenaufschlag gerade noch rechtzeitig zu, es mit dem weiblichen Einfluss vielleicht ein bisschen zu weit getrieben zu haben, und die Welt ist wieder einmal gerettet.

Folge für Folge startete die Orion von den Granitplatten aus einer Zeit, die man hoffte, weit hinter sich gelassen zu haben. Aber es war jedes Mal ein verdammt langer Weg bis zum "Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit".

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