Rassismus-Vorwurf gegen die "taz":Onkel Tom ist ein Problem

Ein Foto vom Weißen Haus mit der Schlagzeile "Onkel Baracks Hütte" wird für die taz zur interkulturellen Tretmine: Der Umgang mit rassistischen Klischees ist zu leichtfertig.

Andrian Kreye

Kalauerei gehört zum journalistischen Handwerk, schließlich hat man ja nur eine Chance, seine Geschichte ans Publikum zu verkaufen. Die Stoßrichtung war ja auch klar, als die Berliner taz am vergangenen Donnerstag mit einem Foto vom Weißen Haus und der Schlagzeile "Onkel Baracks Hütte" den Vorwahlsieg des demokratischen Spitzenkandidaten vermeldete.

Doch die Anspielung auf Harriet Beecher Stowes Roman "Onkels Tom Hütte" entpuppte sich als interkulturelle Tretmine. Denn Titelgeber des Romans von 1852 ist im heutigen Sprachgebrauch eine rassistische Beleidigung.

Nun war Beecher Stowes Roman zu seiner Zeit eine literarische Brandrede gegen die Sklaverei. Doch wer einen schwarzen Amerikaner einen Onkel Tom schimpft, der wirft ihm vor, sich dem weißen Amerika anzudienen, als sei die Sklaverei nie abgeschafft worden. Allzu servil zeichnete Beecher Stowe damals ihre Klischeefiguren von Schwarzen im amerikanischen Süden.

Liste der Beschimpften ist lang

Es sind meist Schwarze, die Schwarze einen Onkel Tom schimpften. Die Liste der so Beschimpften ist lang: Bill Cosby, Condoleezza Rice, Colin Powell, Clarence Thomas und Oprah Winfrey wurden irgendwann einmal so betitelt. Weil sie als Schwarze eine vermeintlich weiße Karriere machten.

Im aktuellen amerikanischen Wahlkampf liegt der Vorwurf spätestens seit dem Moment in der Luft, an dem sich Barack Obama von seinem Pastor Jeremiah Wright lossagte, der die Rhetorik der schwarzen Bürgerrechtler ins Radikale verzerrte.

Reaktion der Redaktion

Als die ersten Reaktionen auf den taz-Titel eher fassungslos ob der Beleidigung eintrafen, reagierte die Redaktion der taz rasch mit Verlautbarungen, die Schlagzeile sei satirisch gemeint gewesen. Außerdem ließ sie zwei Stimmen zum Thema zu Wort kommen.

Nun könnte man auch einwerfen, dass es in Berlin seit 1929 sogar einen U-Bahnhof "Onkel Toms Hütte" gibt. Der ist nach der Zehlendorfer Siedlung benannt, die in den zwanziger Jahren wiederum nach dem gleichnamigen Ausflugslokal genannt wurde.

So etwas desensibilisiert. Wahrscheinlich war die Schlagzeile nicht weiter durchdacht. Ähnlich wie der Name der Berliner Boutique Strange Fruit, die im März geschlossen wurde. "Strange Fruit" ist ein sehr trauriges Lied von Billie Holiday. Doch die seltsamen Früchte, die sie da besingt sind die Opfer der Lynchmobs, die im Süden von den Bäumen baumelten.

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