Wenn Scarlett Johansson eine Rolle übernimmt, ist es normalerweise egal, welche es ist. Ein männermordendes Alien, eine Frau mit Superkräften, die Schlange Kaa - die Reaktion ist immer: Begeisterung. Nun ist das zum ersten Mal nicht der Fall. Es ärgern sich sogar viele Menschen sehr darüber, dass Scarlett Johansson und niemand anderer eine bestimmte Rolle spielen wird. Es ist die der Cyborg-Frau Major Motoko Kusanagi im Remake von "Ghost in the Shell", dem japanischen Animationsfilmklassiker, das 2017 in die Kinos kommen wird.
Ganz ähnlich waren die Reaktionen auf den ersten Trailer zur Marvel-Comic-Verfilmung "Doctor Strange". Tilda Swinton ist darin zu sehen, mit kahl geschorenem Kopf, in den Gewändern eines tibetanischen Mönchs. Sie spielt "The Ancient One", eine Art Zaubermönch (eine Zaubernonne?), der (die) offenbar ziemlich genau weiß, was die Welt im Innersten zusammenhält und dem Helden des Films, gespielt von Benedict Cumberbatch, zur Erleuchtung verhilft.
88. Academy Awards:Oscars 2016: Nacht des schwarzen Humors
Die Academy, vor allem aber Moderator Chris Rock, gehen offensiv mit den Debatten über Hautfarbe und Geschlecht um. Endlich.
In Hollywood gibt es offenbar noch einiges zu tun. Das Problem an diesen Casting-Entscheidungen liegt nämlich in zwei Adjektiven: japanisch und tibetanisch. Dass weiße Schauspieler asiatisch angelegte Figuren spielen, eine Praxis, die heute "Whitewashing" genannt wird, gehört nicht eben zu den erfreulichsten Traditionen von Hollywood. Seit Jahrzehnten bemängeln Schauspieler asiatischer Herkunft, dass sie in Hollywood quasi unsichtbar sind und oft nicht einmal Figuren spielen dürfen, die in Drehbüchern oder Romanvorlagen explizit als Asiaten bezeichnet werden.
Ins Slapstickhafte übersteigerte Karikaturen
Im frühen Hollywood gab es wenige Schauspieler, die Minderheiten angehörten. Und diese Minderheiten fanden es auch nicht weiter schlimm, dass "sie" von Weißen gespielt wurden. Obwohl die Rollen oft genug rassistische Klischees übertrieben und damit über reines "Whitewashing" hinausgingen. Ein Klassiker des "Yellowfacing" - so nennt man im Englischen die Verkleidung als Asiate, wer sich als Schwarzer schminkt, betreibt "Blackfacing" - ist zum Beispiel die Rolle von Holly Golightlys japanischem Vermieter Mr Yunioshi in "Frühstück bei Tiffany's". Der weiße Mickey Rooney war nicht nur als Japaner geschminkt, er spielte auch eine krasse, ins Slapstickhafte übersteigerte Karikatur eines Japaners. Auch Katharine Hepburn, Marlon Brando (!), Alec Guiness. John Wayne und Peter Sellers wurden als Chinesen oder Japaner geschminkt. Die Liste ist noch sehr viel länger.
Heute aber ist die Kritik laut. Und Asiaten sind längst nicht allein mit ihrer Wut, zeigt das Yellowfacing doch nur eine weitere Schattierung des Rassismus, der im ach so liberalen Hollywood mitbestimmt, wer vor die Kamera darf. Zuletzt spielte etwa Johnny Depp in "The Lone Ranger" (2013) einen amerikanischen Ureinwohner. Liam Neeson war in "Batman Begins" (2005) in der Rolle des arabischstämmigen Ra's al Ghul zu sehen. Emma Stone spielte in "Aloha" (2015) eine junge Frau chinesisch-hawaiianisch-schwedischer Abstammung. Und in den neuen Bibelverfilmungen "Noah" und "Exodus" sucht man vergeblich nach Schauspielern mit der dunklen Haut und den schwarzen Haaren, die das echte Bibelpersonal gehabt haben muss.
Während man Blackfacing heute eigentlich keinem Regisseur mehr durchgehen lassen würde und die ganze Oscar-Verleihung 2016 um den Rassismus der Filmindustrie kreiste, sind Asiaten offenbar noch ein blinder Fleck in Hollywood. Denn auch wenn sich "Ghost in the Shell" und "Doctor Strange" keineswegs über Asiaten lustig zu machen scheinen, ist doch nicht ganz klar, wieso man in der Besetzung gerade von diesem Teil der Vorlage abweicht.
Wer Hollywood-Regisseure danach fragt, hört oft ein Argument, das so naheliegend wie pragmatisch klingt: Die Erwartung sei, dass weiße Schauspieler mehr Zuschauer in die Kinos ziehen. Schauspieler aus Minderheiten täten das nicht.
Doch das könnte ein Argument sein, das die Realität mehr formt als abbildet. Die sieben "Fast and Furious"-Filme zum Beispiel mit ihrer ethnisch sehr gemischten Besetzung haben zusammengenommen weltweit fast vier Milliarden Dollar eingespielt. Eine Studie des Ralph J. Bunche Center for African American Studies an der University of California in Los Angeles kam zu dem Ergebnis, dass Filme mit ethnisch gemischter Besetzung höhere Summen einspielten als rein weiß besetzte.
Popkultur:Adieu, weißer Mann!
Auch wenn die aktuelle Debatte rund um die Oscars anderes vermuten lässt: Der weiße Mann befindet sich in der Popkultur schon seit Jahren im Niedergang.
In einer Zeit, in der große Filme nicht mehr nur in den USA und in Europa gezeigt werden, sondern in Kinos auf der ganzen Welt zu sehen sind, scheint das nur logisch. 70 Prozent der Einnahmen von Hollywood-Studios kommen von internationalen Kinokassen. Dass Hollywood gerade bei zwei solchen Blockbustern, wie "Ghost in the Shell" und "Doctor Strange" es zu werden versprechen, nicht deutlicher auf den asiatischen Markt abzielt, ist merkwürdig - in einer Zeit, in der jeder, der ein bisschen ökonomisch über die globalisierte Welt nachdenkt, Asien als ziemlich relevanten Markt erkennen muss. Die Kinokartenverkäufe in China wuchsen 2013 um 36 Prozent, das Land ist seitdem der weltweit größte Kinomarkt nach den USA. Die Themen von Filmen mit großen Budgets werden schon lange bewusst allgemein verständlich gewählt, kulturelle Spezifika spielen in ihnen keine Rolle mehr. Der Animationsfilm "Kung Fu Panda 3" wurde sogar doppelt animiert, damit die Lippenbewegungen der Bären für die Mandarin-Synchronisation genau passten.
Auch weiße Schauspieler schützen nicht vor Flops
Wieso sollte das nicht auch bei den Hautfarben der Schauspieler so sein? Wer in den USA zu einer Minderheit zählt, seinen eigenen Teint aber gern an einer Hauptdarstellerin sehen möchte, ist in einem anderen Land vielleicht Teil der Mehrheit. Vielleicht sogar einer so gewaltigen wie der indischen oder der chinesischen Bevölkerung.
Bleibt eine Wahrheit, die nicht so leicht aus der Welt zu schaffen ist: Mehr weiße Schauspieler sind globale Superstars als schwarze oder asiatischstämmige. Und Superstars sind die vielleicht wichtigsten Argumente, wenn man als Filmemacher auf der Suche nach Geld ist. Ridley Scott, Regisseur von "Alien", "Blade Runner", "Gladiator" und "Der Marsianer", sagte über die weißen Schauspieler in seiner Bibelverfilmung "Exodus": "Ich kann keinen Film mit so einem Budget drehen und den Geldgebern sagen, dass mein Hauptdarsteller Mohammed So-und-so aus So-und-so ist. Das bekomme ich einfach nicht finanziert."
Das mag stimmen und wenn, dann sollten Regisseure vielleicht nach und nach versuchen, diesen Zustand zu ändern. Fakt ist aber auch, dass die weiße Emma Stone "Aloha" nicht vor dem Floppen an den Kinokassen bewahren konnte. Und dass der weiße Chris Hemsworth als Gewinngarant gilt, obwohl er schon in einigen Flops zu sehen gewesen ist.
Es wäre extrem erstaunlich, wenn nicht bald zumindest asiatische Superstars asiatisch angelegte Rollen in Hollywoodfilmen spielen würden. Denn ob weiß, braun, schwarz, rot oder gelb - von Hollywoods Studiobossen heißt es, dass sie nur eine Farbe wirklich deutlich sehen: Das Grün der Dollarnoten.