Rapper Romano:Außen Putin, innen Pippi

Romano

Putin? Pippi? Obelix? Nein, einfach Romano, wie er leibt und lebt.

(Foto: Virgin Records)

Die Berliner bejubeln einen Rapper mit Zöpfen, der auf Schlager steht, über Metal singt und Ballett tanzt. Warum? Erstens wird das gut verkauft und zweitens sind schräge Typen gerade angesagt. Ein Besuch.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Es ist noch nicht allzu lange her, da stand Roman Geike in weißer Hose mit wehendem Haar auf der Straße im Prenzlauer Berg und schmachtete: "SOS, ich liebe Dich, SOS, ich brauche Dich!" Das Publikum war überschaubar und eher älteren Semesters.

Am Samstag stand Geike wieder vor Publikum, wieder in Berlin. Diesmal aber rastet die Menge aus, grölt seine Hits mit und schmachtet umgekehrt ihn an. In der Hauptstadt ist "Romano" der Newcomer der Stunde. Was ist passiert?

Gut, sein Style hat sich geändert. Anstatt im Schlager-Look tritt Geike nun mit geflochtenen Zöpfen auf, trägt goldene Bomberjacke zu stählernem Blick. Auch seine Musik hat sich um 180 Grad gedreht. Romano schmalzt nicht mehr, er rappt. Und das auch noch über Metal und seine "Metalkutte". Der gleichnamige Song machte im Spätsommer das Netz unsicher. Die Netzwelt fragte sich: Ist das wahr oder ein Fake? Und was zur Hölle macht Putin in diesem Video?

Mittlerweile hat dieser irre Zöpfe-Romano mit dem Putingesicht ein ganzes Album vorgelegt und ist mit "Jenseits von Köpenick" auf Tour. Das Album enthält so schlaue ("Brenn die Bank ab") wie witzige Texte ("Der schöne General"), die Videos dazu sind der Brüller ("Klaps auf den Po") und seine Konzerte bestreitet er mit perfekt inszeniertem Sound zwischen Rap, Elektro, Rock und eben Metal. Dazu tanzt er so gekonnt reduziert, dass man nur noch staunen kann.

Was um Himmels Willen ist passiert, dass aus einem Schlagerfuzzi eine derart coole Kunstfigur wird, innerhalb kürzester Zeit?

Erst mal Kaffee mit Cola

Zur Aufklärung beitragen kann Roman Geike selbst. Man trifft sich mit ihm beim Asiaten in Mitte, denn er hat vorher noch Soundcheck nebenan im Admiralspalast. Am Abend ist Auftritt, also bestellt er sich jetzt einen Kaffee und noch eine Cola dazu. Es kann gar nicht genug Koffein sein.

Die erste Frage liegt auf der Hand: Wie steht Romano zu Putin? Die Ähnlichkeit sei ihm selbst nicht aufgefallen, aber jetzt, wo es die Leute im Netz so sagen, und es Collagen von seinen Zöpfen mit Putins Visage gibt: "Ich habe mich eigentlich immer schon wie ein russischer Adeliger des letzten Jahrhunderts gefühlt." Geike trägt das Haar heute offen, die goldene Bomberjacke hat er gegen eine wärmere schwarze getauscht. "Ich wusste ja nicht, wie das Wetter wird." Der Blick ist nicht stechend, sondern offen, die Stimme sehr sanft. Zu soft für Metal, da passt Schlager schon besser.

Man muss wissen: Dass Roman Geike, vor 38 Jahren in Köpenick geboren, auf der Bühne stehen will, wusste er schon als Kind, nachdem er George Michaels "I want your Sex" vor seiner Klasse performt hatte. Damals noch ohne zu wissen, was er da sang. Mit 15 begegnete er dem Hiphop und blieb bis heute treuer Fan. Über Freunde lernte er immer neue Musikrichtungen kennen - und eignete sie sich alle an. Um eine Basis zu haben, lernte er Mediengestaltung und kreierte ein paar Jahre lang Poster und Karten, doch die Musik blieb seine unbedingte Leidenschaft. Irgendwie und irgendwo war er immer auf Tour.

Erst mit einer Crossover-Band namens Maladment, damals war er Anfang 20 und schon relativ erfolgreich, die Haare ebenfalls lang und blond. Doch die Plattenfirma wollte eine Boygroup daraus machen, das habe nicht gepasst. Dann machte er Drum and Bass mit der Hightekcrew, vorwiegend im Osten Europas. Zwischendurch immer wieder Rap. Geike trat als Mc Ramon auf, als Cornerboy, Left Coast und Dayton the Fox. Immer wieder neue Namen, immer wieder neue Stilrichtungen.

Und wie landet so einer beim Schlager?

Vom ewigen Rumprobierer zum Mann der Stunde

Auch dazu kann Romano eine längere Geschichte erzählen. Ein befreundeter DJ habe ein Remix aufgenommen, er nebenan auf dem Klo ein paar Worte geträllert, daraus wurde eine Idee, ein Song, schließlich eine Platte. Ganze acht Jahre, noch bis Mitte 2014, tourte Geike als Schlagersänger durch den Osten der Republik. Dass ihm das nicht peinlich ist, erkennt man auch daran, dass er seinen Schlagernamen "Romano" für sein neues Alter Ego immer noch trägt. "Manche haben sogar ihre Hochzeiten zusammen gelegt, damit ich da auftreten kann. Das ging sogar bis zur Schließung einer Pizzeria", erzählt er nicht ohne Stolz.

Romano

Zum sozialkritischen Song "Brenn die Bank ab" entzündet Romano im Video sein Markenzeichen an einer Champagnerflasche.

(Foto: Virgin Records)

Das Geheimnis liegt im Yin und Yang. Auch wenn Geike diese Begriffe nicht in den Mund nimmt: Er klingt fast wie ein Zen-Meister mitten in diesem asiatischen Restaurant. Erzählt davon, dass man im Jetzt leben muss, nicht auf Vergangenheit und Zukunft konzentrieren, sondern auf den Moment. Sich selbst auch mal zurück nehmen, gerade wenn man etwas ganz dringend wolle, oder wenn man nicht mehr weiter weiß. Und Verantwortung abgeben, den Dingen ihren Lauf lassen, auf die Geschicke vertrauen - und auf Freundschaften.

"Rauchen. Einfach an der Ecke stehen und eine rauchen. Rumstehen, den Leuten zusehen, nix verstehen und rauchen. Kein Fleisch, kein Alkohol, rauchen. Mit dem Rauchen aufhören, Nikotinpflaster drauf - erst mal eine rauchen." ("Marlboro Man", aus dem Album "Jenseits von Köpenick")

Wie Romano übers rauchen singt, könnte man glatt neidisch werden - auf Raucher. Die entspanntesten Lebewesen der Erde. Oder singt er über sich selbst? Ist er wirklich so relaxed?

Geike war nicht immer so. Dass er jetzt so entspannt klingen kann, war ein längerer Prozess. "Ich habe das im Laufe der Zeit selber gelernt. Weil ich manchmal ein sehr hibbeliger Typ bin. Ich habe im Leben immer wieder versucht, Sachen übers Bein zu brechen. Und habe gemerkt: Ich sende Druck aus, der an der Stelle falsch ist. Ich habe erkannt: Wenn man auf sich selbst hört, erkennt man, was künstlich als Druck erzeugt wird oder wann es der Fluss des Lebens ist. Die Magie liegt im Augenblick."

"Das beste Video, das ich je gesehen habe"

Der Augenblick von Romanos magischer Metamorphose vom ewigen Rumprobierer zum Mann der Stunde war dieser: das Video zu Itchy Cornerboy von Siriusmo. Als es 2013 im Netz erschien, waren alle baff. Ein User, der zu einer mit Netzvideos nicht gerade unterversorgten Generation gehört, schrieb: "Ich bin jetzt 27, aber das ist das beste Video, das ich je gesehen habe." Er war mit seiner Begeisterung nicht alleine.

Wer das Video kennt, muss sich eigentlich über gar nichts wundern. Damals streifte Geike darin durch sein Viertel in Köpenick, wie man es aus Hiphop-Videos der 90er kennt. Zu unfassbar schickem Elektro setzt er sich anstatt zu hippen Großstädtern mit Omis zum Kaffeekränzchen und lässt sich mit Sahne füttern, zeigt im Waschsalon Arbeitslosen seine Moves, macht an der Imbissbude mit Biertrinkern Party und genießt sichtbar eine Pediküre beim Vietnamesen. Am Ende rappt er auch ein bisschen, aber allein das Video, die Person und die Musik sind dermaßen eine Schau, dass daraus ein größeres Projekt werden musste.

Und da kommen besagte Freunde ins Spiel. Siriusmo alias Moritz Friedrich macht Musik, kommt ebenfalls aus Berlin und ist mit Geike befreundet. Als ein gewisser Jakob Grunert, wiederum mit Siriusmo befreundet, eines Tages Geikes Stimme hört, will er wissen, wer das ist. Grunert ist derjenige, der schon einem anderen Freak schon aus dem Stand zu viel Ruhm verholfen hat, indem er das Kult-Video mit Friedrich Liechtenstein produzierte. Dieser Grunert will im Video zeigen, wie der Schlagersänger Romano sich nach dem Auftritt die goldene Bomberjacke anzieht und rappt. Er filmt ihn einfach in seiner natürlichen Umgebung. Daraus entsteht das Siriusmo-Video. Sogar die Omis sind echt - sie wohnen wirklich in der Wohnung nebenan. Nach dem Erfolg setzt sich das Trio erneut zusammen und macht ein ganzes Album, zugeschnitten auf Romano, mit vereinten Kräften.

Eine Plattenfirma ist dann schnell gefunden. Wichtig war, "dass sie das Projekt in seiner Tiefe ernst nimmt", so Romano, sprich: den Quatsch mitmacht und nicht zu viel ändern will. Virgin Records wird es, weil auch da der Freund eines Freundes an Bord ist. Und jetzt ist Geike da, wo er immer sein wollte, endlich angekommen.

Perfekt unperfekt

Alles ist perfekt unperfekt. Seine bisherigen musikalischen Einflüsse und Leidenschaften sind vereint. Er darf rappen, er darf seine Kutte tragen, die goldene Bomberjacke stört auch nicht. Auch dass er immer montags zum Ballettunterricht geht, zahlt sich jetzt aus: Seine Moves sind perfekt einstudiert, die Choreographie hat auch noch Platz für die bei Bedarf ganz große Robe. Im Video zu seiner Tourankündigung posiert er als männliche Lady Gaga im roten Teufelskostüm - mit Schweif vorne.

Romano

Kann Ballett: Romano zuhause in Köpenick.

(Foto: Virgin Records)

"Ey, du hast dein Kostüm falsch rum an", kommentiert ein User, "oder ist das echt?" Romano kann jetzt gar nichts mehr falsch machen. Für diese Kunstfigur wurde er geboren.

Der Text zum Song "Heiß, heiß Baby" zeigt vielleicht am besten, was hinter diesem Ex-Schlagersänger steckt: Wer nur kurz hinhört, könnte meinen, es gehe um den üblichen Singsang über mehr oder weniger schöne Frauen und persönliche Vorlieben. Aber Obacht:

"Schau mich im Spiegel an, nichts muss symmetrisch sein! Bin am überlegen, vielleicht amputier ich mir ein Bein?" Von einem unverfänglichen Geplauder über Äußerlichkeiten steigert er sich in wahnwitzigste Phantasien über abgehackte Gliedmaßen, bis zum Ende:

"Oder man trennt alles ab und ich werd' zum Torso-Mann. Jemand muss sich um mich kümmern, holt mich täglich aus dem Schrank. Legt mich auf die Streckbank und ich werde immer länger - stehe dann im Guinnessbuch als der größte Sänger."

Vielleicht musste Schlager-Metal-Romano durch das tiefe Tal der falschen Tränen schreiten, um nun ganz im Gegenteil die Höhen abstrakten Hiphop-Humors zu erobern.

"Ich mache mir auch die Welt, wie sie mir gefällt"

Bliebe noch die Sache mit Pippi Langstrumpf. "Ich mache mir auch die Welt, wie sie mir gefällt", sagte Geike einst über seine Frisurenschwester im Geiste. "Putin Langstrumpf" wird er wegen der Zöpfe im Netz genannt. Die Leute wissen manchmal gar nicht, wie recht sie haben.

Nichts macht Romano mehr Spaß, als sich nicht festlegen zu müssen. "Mein Opa ist 100 Jahre alt geworden", erzählt er, "der hat die Kaiserzeit erlebt, die Weimarer Zeit, die Goldenen 20er, die DDR und jetzt. Er hat gesagt: Man sollte gucken, dass man sich nicht zu abhängig von den äußeren Gegebenheiten macht, die können sich stark ändern. Sich nicht festklammern, seinen eigenen Weg gehen. Sonst kann man ganz tief fallen und enttäuscht werden mit seinen Visionen und Hoffnungen. Man darf nicht klammern."

Praktisch auch, dass Typen wie er gerade in sind. Besagter Liechtenstein bezog seinen Erfolg gerade daraus, dass er eben nicht der Norm entsprach, nicht dem, was man gerade von einem Star erwartet: Er ist weder jung noch schön noch angestrengt, noch treibt er sich auf den wichtigsten Partys herum. Diese unperfekte Figur, gepaart mit unendlicher Gelassenheit, schlug im Netz ein wie eine Bombe. Wie kann ein derart uncooler Typ nur so cool sein, fragte sich das mit Perfektionismus seit vielen Jahren überversorgte Publikum.

Ein bisschen so ist das auch mit Romano. Mal ganz abgesehen von ihm selbst: Er rappt eben nicht über die immer selben Bitches, umgeben von den immer selben Schönheiten am Pool, sondern zeigt in seinen Videos die Normalos, die Dicken, die Abgehängten. Downsizing versus Perfektion. Der Unterschied zu reinen Spaßmachern in der Branche ist: Er kann ja wirklich was.

Dass die Leute das ewige Streben nach den immer selben Vorbildern, das immer gleiche Aussehen leid sind, sieht man auch an Werbung und Modelagenturen, die jetzt zunehmend mit ungewöhnlichen Typen punkten. Perfektion scheint an ein Ende gekommen zu sein. Es herrscht wieder Durst nach Vielfalt.

Und den kann Romano jetzt erst mal stillen.

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