Favoriten der Woche:Männerliebe in der Postapokalypse

Favoriten der Woche: Nick Offerman (l.) und Murray Bartlett kommen sich als Prepper Bill und Schöngeist Frank näher.

Nick Offerman (l.) und Murray Bartlett kommen sich als Prepper Bill und Schöngeist Frank näher.

(Foto: Sky/HBO)

Die dritte Folge von "The Last of Us" ist brillant und bringt die Rechten in Amerika sehr in Rage. Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von SZ-Autoren

Serie: "The Last of Us" auf Sky

Man wird neugierig, wenn sich die amerikanische Kulturkritik mit Lobpreisungen überschlägt. Das dritte Kapitel der sonst auch sehr ordentlichen Verfilmung des Zombievideospieles "Last of Us" (Sky und Wow) sei eine der besten Serienfolgen in der Geschichte des Fernsehens. So was schafft unerreichbare Erwartungshaltungen. Es entspinnt sich da aber eine sehr ungewöhnliche Liebesgeschichte, die man sich in knapper Spielfilmlänge auch ohne den Rest der Serie ansehen kann. Gleich zu Beginn der Seuche verbarrikadiert sich der Prepper Bill (Nick Offerman) in seinem Städtchen hinter Stacheldraht und Fallen. In eine dieser Gruben fällt Frank (Murray Bartlett). Wie sich der rechte Prepper und der linke Schöngeist dann näherkommen und ein gemeinsames Idyll aufbauen, ist wirklich anrührend. Und bringt die Rechten in Amerika gerade sehr in Rage. Männerliebe in der Postapokalypse ist im ewig gestrigen Weltbild nicht vorgesehen. Andrian Kreye

Klassik: "Femmes" von Raphaela Gromes

Favoriten der Woche: "Femmes": Das CD-Cover der neuen Platte von Raphaela Gromes.

"Femmes": Das CD-Cover der neuen Platte von Raphaela Gromes.

(Foto: Sony Classical)

Hildegard von Bingen (1098 - 1179) hätte gewiss gestaunt, dass ihre Antiphon "O virtus sapientiae" rund neunhundert Jahre später als Arrangement (Julian Riem) für Cello und Streicher lebendig wird, so elegant wie leicht dargeboten von der Münchner Cellistin Raphaela Gromes und den Festival Strings Luzern. Bearbeitete Opernarien wie etwa "Didos Klage" von Henry Purcell oder Wolfgang Amadé Mozarts Susanna-Arie aus "Figaros Hochzeit", romantische Cellostücke wie Clara Schumanns Romanze oder Fanny Hensels g-Moll-Fantasie, Stücke aus dem 20. Jahrhundert von Rebecca Clarke, Amy Beach, Dolores White oder Lera Auerbach, eine Carmen-Fantasie nach Georges Bizet von Julian Riem und diverse Tanzstücke - all das bietet dieses Doppel-CD-Album, das Raphaela Gromes und ihr Klavierpartner und Arrangeur Julian Riem den "Femmes", den komponierenden Frauen, gewidmet haben.

Gewiss wirkt das manchmal, als reihe sich nur ein kurzes Stück an das andere wie eine Kette von Zugaben. Doch Gromes spielt die Verschiedenartigkeit dieser unseligerweise wenig bekannten Musik mit elastischem Impetus, immer auf Gesanglichkeit und weite Perspektiven bedacht, sodass man nicht nur neugierig, sondern oft mit Spannung und Staunen lauscht. Clara Schumanns zupackende Romanze, Hensels elegische Fantasie oder Rebecca Clarkes eindringlicher "Epilogue" sind großartige Cellostücke ebenso wie die impressionistischen Piecen der Geschwister Nadia und Lili Boulanger. Auch die Weltersteinspielung der "Tre momenti" von Matilde Capuis (1913 - 2017) ist so lohnend wie überhaupt die Begegnung mit so viel nicht nur epochenmäßig verschiedener, sondern immer origineller Musik. Dieses Doppelalbum widerlegt damit überzeugend das altväterliche Geschwafel, vor dem auch große Geister wie Friedrich Schlegel nicht gefeit waren ("Das Weib gebiert den Menschen, der Mann das Kunstwerk") mit einer Fülle anregender und abwechslungsreicher Musik. Es wäre sehr wünschenswert, nun umfangreichere, großformatigere Stücke der Komponistinnen anzugehen und sie zu entdecken, damit diese peinlichen Lücken in der Rezeptionsgeschichte von Musik endlich grundsätzlich geschlossen werden. Harald Eggebrecht

Film: "Sorry Genosse" von Vera Brückner

Favoriten der Woche: Erzählende Dokumentarfilme geraten oft konventionell, hier aber ist es die Geschichte und deren kreative Auflösung, die überrascht: Szenenbild aus "Sorry Genosse".

Erzählende Dokumentarfilme geraten oft konventionell, hier aber ist es die Geschichte und deren kreative Auflösung, die überrascht: Szenenbild aus "Sorry Genosse".

(Foto: Screenshot: SZ)

Bukarest oder Budapest? Solche Städte kann man schon einmal verwechseln. Zumindest im deutschen Dokumentarfilm "Sorry Genosse", wo die Protagonisten bei einem Osteuropatrip in den falschen Zug einsteigen. Was wie eine lustige Urlaubsanekdote klingt, wäre diesen Reisenden beinahe zum Verhängnis geworden. Denn der Film erzählt eine gar nicht so lustige Geschichte aus dem Kalten Krieg, es geht um Spionage, Securitate und Stasiakten. Im Zentrum steht ein deutsch-deutsches Paar, er lebt im Westen, sie im Osten. Karl-Heinz und Hedi treffen bei einer Familienfeier in Thüringen aufeinander, es ist das Jahr 1969. Sie verlieben sich, schreiben Briefe, er kommt regelmäßig zu Besuch nach Leipzig oder Jena. Als die Sehnsucht immer größer wird, stellt Karl-Heinz sogar einen Einbürgerungsantrag an die DDR. Doch die Herrschaften vom Ministerium für Staatssicherheit haben andere Pläne mit dem verliebten West-Studenten. Und so kommt das junge Paar auf die Fluchtidee mit Rumänien, die so verrückt ist, dass sie trotz erwiesenen Dilettantismus, gefälschter Pässe und verwechselter Züge funktioniert.

Regisseurin Vera Maria Brückner hat mit "Sorry Genosse" ihr Filmstudium in München abgeschlossen, 2022 wurde sie damit zur Berlinale eingeladen. Formal klingt das eher semispannend: Erzählende Dokumentarfilme geraten oft konventionell, mit vergilbten Archivaufnahmen, Talking Heads und bereits feststehendem Ende. Hier aber ist es die Geschichte und deren kreative Auflösung, die überrascht: Die Regisseurin erzählt recht liebevoll und spielerisch, verwendet Accessoires, Animationen oder Agenten-Gimmicks. Immer wieder schlägt ihr Film neue Töne an, ist mal dramatisch, mal augenzwinkernd albern. Nach der Hälfte wechselt er sogar beinahe das Genre. Es ist ein frischer Blick auf die deutsche Vergangenheit, wie ihn wohl eine Filmemacherinnengeneration hat, die den Eisernen Vorhang nur noch aus dem Geschichtsunterricht kennt. Denn natürlich gab es auch schon vorher Filmerzählungen über Liebende und ihre Flucht aus der DDR, die deutsche Geschichte hat das Kino diesbezüglich ja reich beschenkt. Nur sollten sie auch immer wieder etwas anders daherkommen, damit das Publikum hinschaut. Josef Grübl

Lyrik: "Porträt eines Kreisels" von Yoko Tawada

Favoriten der Woche: Yoko Tawada: "Porträt eines Kreisels". Konkursbuch, 12,50 Euro.

Yoko Tawada: "Porträt eines Kreisels". Konkursbuch, 12,50 Euro.

(Foto: Konkursbuch)

Im deutschen Literaturbetrieb wimmelt es von Leuten, die sich auf großen Bühnen als marginalisierte Außenseiter beschreiben. Bei der in Berlin lebenden, auf Deutsch schreibenden japanischen Schriftstellerin Yoko Tawada verhält es sich andersrum: Obwohl sie seit 20 Jahren mit Preisen, Stipendien und Ehrendoktorwürden geradezu überhäuft wird, scheint ihre idiosynkratische Unabhängigkeit unberührbar zu sein. Bis heute veröffentlicht sie ihre Bücher in dem kleinen Tübinger Konkursbuch-Verlag. Zuletzt ist dort der kleine Gedichtband "Porträt eines Kreisels" erschienen, in dem all das vorhanden ist, was sie zur Ausnahmeautorin macht: ihre Fähigkeit, sich in kulturellen Zwischenräumen häuslich einzurichten, ihre einzigartige Sprachbehandlung, ihr literarischer Horizont, nicht zuletzt ihr Witz. Dass dieser Band eher ein Nebenprodukt ihres Werks ist, spricht nicht gegen den Band, aber unbedingt für das Werk. Felix Stephan

Film: "Der Mann, der sich selbst jagte" von Basil Dearden

Favoriten der Woche: Ist das der richtige oder der falsche Mr. Pelham? Egal, beide werden von Roger Moore gespielt.

Ist das der richtige oder der falsche Mr. Pelham? Egal, beide werden von Roger Moore gespielt.

(Foto: Courtesy Everett Collection/imago images)

Mein liebster Film von 1970, sagt Roger Moore, danach wurde er der neue James Bond. Hier ist er Mr. Harold Pelham, der sehr britische, also eher vertrocknete Geschäftsmann, und er wird gejagt von einem ominösen Doppelgänger, der auftaucht, als Pelham auf der Intensivstation liegt - und die Ärzte plötzlich zwei Herzschläge bei ihm orten. Pelham war nachts mit seinem Wagen losgerast, ein spontaner Ausbruchsversuch. Als er in seine Alltäglichkeit zurücktappt, wird er von seinem anderen Ich frech in ein Hase-und-Igel-Spiel verwickelt. Der andere Pelham war immer schon da, im Büro, beim Billard mit Kollegen, bei der Geliebten und auch bei der Frau. Der letzte Film des großen Filmemachers Basil Dearden, er starb 1971 bei einem Verkehrsunfall, angeblich auf eben der Strecke, wo es auch Mr. Pelham erwischte. Fritz Göttler

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