Till Lindemann:Rammstein-Konzert: Kein Abend wie jeder andere

Till Lindemann: Rammstein-Frontmann Till Lindemann sieht sich mit Vorwürfen des Machtmissbrauchs konfrontiert.

Rammstein-Frontmann Till Lindemann sieht sich mit Vorwürfen des Machtmissbrauchs konfrontiert.

(Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Die Band spielt ihr erstes von vier Konzerten in München. Nahe dem Olympiastadion gibt es eine Demonstration.

Von Michael Zirnstein und Robert Haas, Jana Jöbstl und Martin Tofern

Für die Rockband Rammstein und ihren Frontmann Till Lindemann stand am Mittwoch das erste von vier Konzerten in München auf dem Programm. Um 20.30 Uhr kamen die Musiker auf der Bühne des Olympiastadions - Till Lindemann mit geschwärztem Gesicht, blondem Irokesenschnitt und schwarzem Mantel.

Während der ersten drei Songs "Rammlied", "Links 2-3-4" und "Bestrafe mich" - keine Ansprache ans Publikum. Aus einem Lautsprecher ertönte zu Beginn des Konzerts lediglich: "Rammstein bittet, keine Videoaufzeichnungen zu machen." Alle sollen doch bitte ihre Handys einstecken.

Nach rund 50 Minuten Konzert gab es die erste, kurze Unterbrechung. Till Lindemann verließ für wenige Minuten die Bühne. Das Kreisverwaltungsreferat München (KVR) soll mit zwölf Personen zum Konzert gekommen sein, die überwachten, dass keine Fans im Sicherheitsbereich direkt vor der Bühne waren. Diese sogenannte "Row Zero", die Reihe Null, spielt eine Rolle bei den Vorwürfen rund um Machtmissbrauch. In der Zone hatten sich in der Vergangenheit offenbar viele der Frauen aufgehalten, die für Treffen mit Lindemann akquiriert worden sein sollen. Nun sollten dort nur noch einzelne Personen sein, zum Beispiel Mitarbeiter des Security-Dienstes oder des Plattenlabels.

Auf der Setlist in München standen Titel wie "Deutschland" und "Ohne dich". Die Reihenfolge der Songs glich in weiten Teilen der aus Helsinki. Aber ihr Stück "Pussy" spielten Rammstein bei ihrem ersten Deutschlandkonzert in der aufgeheizten Lage dann doch nicht.

Um 22.45 Uhr war Schluss. Die Band kniete auf der Bühne nieder - ein wiederkehrendes Motiv bei Rammstein-Konzerten, als Verneigung vor den Fans. Dann eine kurze, aber direkte Ansprache: "Danke, München".

Das Fazit von SZ-Redakteur Michael Zirnstein am Ende des mehr als zweistündigen Konzertes: Die Band hat routiniert überwältigt, das Publikum hat sich routiniert ergeben. Kaum jemand ließ sich etwas anmerken. Weil es "Wurst" ist, sagte ein Fan, der damit seine ganz persönliche Sicht zum Ausdruck brachte, "es geht nur um die Musik".

Demonstration nahe dem Stadion

Laut wurde es auch schon vor dem Konzert. "Gewalt in der Branche ist kein Einzelfall, Sexismus bekämpfen: überall", skandierte eine Gruppe von etwa 30 Aktivistinnen zwischen Olympiahallen-Eingang und der Brücke zur U-Bahn. "Till Täter" stand auf ihren Pappschildern. Oder "Solidarität mit allen Opfern, auch wenn dafür Idole fallen müssen." Aber auch "Nieder mit Rammstein."

Till Lindemann: Demonstration gegen das Rammstein-Konzert.

Demonstration gegen das Rammstein-Konzert.

(Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Dabei sei die Demonstration gar nicht explizit nur gegen das Konzert gerichtet, sagte Jenny Schröder, die die Kundgebung spontan angemeldet hatte. "Als Privatperson." Sie habe selbst Gewalt erfahren, sagt sie. Die Demo habe sie beim KVR München angemeldet, "um Polizeischutz zu bekommen". Die Diskussion im Internet nach den schweren Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann habe sie dazu bewegt. "Da wird gesagt, die Frauen hätten schon auch selber Schuld, so wie die sich angezogen haben. Daran sieht man, was wir für ein gesellschaftliches Problem haben. Das ist erschreckend."

Till Lindemann: Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift: "Keine Show für Täter".

Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift: "Keine Show für Täter".

(Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Ihrem Aufruf auf Twitter hätten sich dann Organisationen wie die Frauenrechtsaktivistinnen der Gruppe "Slutwalk", aber auch die Antifa angeschlossen. Rammstein-Fans hingegen machten sich gegenüber den Demonstrierenden für die Band stark. Aggressionen wunderten Jenny Schröder dabei nicht: "Auf Twitter haben sie mich beschimpft: zu hässlich für ein Groupie! Das deckt doch die Machtstrukturen auf."

Die Meinung einiger Fans vor dem Konzert war eindeutig: "Wir sind wegen der Musik hier. Was der Sänger gemacht haben soll oder nicht, muss sich erst zeigen." Alle Konzertbesucher, mit denen die SZ vor Ort gesprochen hat, haben laut eigener Aussage nicht darüber nachgedacht, ihre Tickets zu verkaufen. "Die Tickets waren heiß erkämpft."

"Es gab schon immer Groupies. Es scheint, dass deutsche Medien das jetzt erst erkannt haben. Der Skandal ist in Deutschland viel größer als anderswo", erklärten Fans aus Schweden.

Vorwürfe des Machtmissbrauchs

Die Süddeutsche Zeitung und der NDR hatten von schweren Vorwürfen berichtet, die Lindemann mehrere Frauen machen. Es geht um Vorwürfe des Machtmissbrauchs und Vorwürfe sexueller Übergriffe.

In einer Stellungnahme von Rammstein hieß es, man nehme die Vorwürfe außerordentlich ernst. "Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass Ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt - vor und hinter der Bühne."

Die Band geht Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Umgang ihres Sängers mit Frauen selbst nach. Dafür hat die Gruppe nach eigenen Angaben eine Anwaltskanzlei eingeschaltet. Ziel ist es demnach, die Sachlage aufzuklären.

Im Juli spielt die Band auch mehrere Konzerte in Berlin. Dort hat sich die Landesregierung eingeschaltet und Aftershow-Partys auf Liegenschaften, die sie verantwortet, verboten. Dazu zitiert die Zeitung BZ Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD): "Es gilt die Ermittlungen abzuwarten, aber die Vorwürfe wiegen so schwer, dass Schutz und Sicherheit der Frauen hier absoluten Vorrang haben."

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