Süddeutsche Zeitung

Zum Tode von Ralf Wolter:Mehr als nur der Sidekick

Lesezeit: 2 min

Ralf Wolter ist gestorben, der als Sam Hawkens in den Karl-May-Filmen legendär wurde. Ein Nachruf.

Von Fritz Göttler

"Mach's Maul auf, oder ich skalpier' dich", knurrt ein Bösewicht mit gezogenem Revolver den Trapper Sam Hawkens an. Aber der lupft ungerührt seine Perücke, zeigt den kahlen Schädel und murmelt sanft zurück: "Da sind Sie leider zu spät dran ..." Indianer hatten, das weiß man aus der Karl-May-Mythologie, auch wenn man die Romane nicht mehr selbst gelesen hat, Sam skalpiert, seitdem trägt er Ersatzhaar. Als Sam Hawkens, gewitzter Sidekick von Old Shatterhand, ist Ralf Wolter in unzähligen Karl-May-Verfilmungen legendär geworden, und er war so erfolgreich damit, dass er in den Karl-May-Filmen, die nicht im Wilden Westen spielten, sondern im wilden Kurdistan oder im "Reich des Silbernen Löwen", dann auch den Hadschi Halef Omar spielen durfte, den anderen Sidekick, den von Kara Ben Nemsi - wie Shatterhand verkörpert von Lex Barker.

An die zweihundertfünfzig Rollen hat Ralf Wolter im deutschen Kino und Fernsehen seit Beginn der Fünfziger gespielt, auch viel Theater gemacht, meistens Boulevard. Einer seiner letzten Filme war "Dinosaurier", 2009, eine Klamotte aus einem Altenheim von Leander Haußmann, Ralf Wolter war einer der aufmüpfigen Senioren, die stupiden Bürokraten die Luft abließen.

Diese Stimme, die einen Menschen ankündigte, der immer auf der Hut zu sein schien

Oft hatte er so winzige Rollen, dass man sie leicht übersehen konnte - ein Typ bei der Musterung neben Felix Krull in der Verfilmung von Thomas Manns Roman, ein eifriger preußischer Korporal in Helmut Käutners "Die Gans von Sedan". Und viele seiner Filme trugen Titel wie "Otto ist auf Frauen scharf", "Tante Trude aus Buxtehude", "Frau Wirtin hat auch eine Nichte". Was ihn vorm Übersehenwerden bewahrte, war, wenn seine Präsenz sich im Ton ankündigte, diese quengelnde, langgezogene, leiernde Stimme, die einen Menschen ankündigte, der immer auf der Hut zu sein schien. "Wenn ich mich nicht irre ..." war sein bewährter Spruch als Sam Hawkens.

Immer wieder wurde er auch von großen Regisseuren angeheuert, spielte in "Eine Liebe in Deutschland" für Andrzej Wajda, "Das Schlangenei" für Ingmar Bergman, "Cabaret" für Bob Fosse. Und kurz vor dem Karl-May-Durchbruch war er 1961 in Billy Wilders "Eins, zwei, drei" einer der drei Russen, mit denen James Cagney in Ostberlin verhandeln muss und in denen gewaltige Lebenslust erwacht, als Lilo Pulver vor ihnen auf dem Tisch zu tanzen beginnt. Ralf Wolter ist ein chruschtschowesker Funktionär, der hingerissen schließlich seinen Schuh auszieht und mit ihm auf den Tisch klopft. Nun ist Ralf Wolter mit 95 Jahren in München gestorben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5675336
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.