Rainer Langhans zum 70.:Kommunarde 1

Vietnamkrieg? Orgasmusschwierigkeiten? Auf seinem endlosen Weg zu sich selbst beschäftigte sich Rainer Langhans mit beidem gleichermaßen engagiert. Nun wird der Revolutionär 70.

Willi Winkler

Wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte er Psychiater werden müssen, ein gesuchter Therapeut, dem vom unheilbaren Elend seiner Patienten ganz trübsinnig ist. Bundesrepublik, obere Mittelschicht, der Normalfall. Rainer Langhans hat diesen Normalfall glanzvoll verfehlt, weil er mit sich immer unzufrieden war. Er studierte in Berlin erst Jura, dann Psychologie und tat dann jenen Schritt von der Theorie in die Praxis, um die ihn bald alle beneideten.

RAINER LANGHANS

Bundesrepublik, obere Mittelschicht, Normalfall: Diesen Lebensentwurf hat Rainer Langhans gründlich verfehlt. Stattdessen wurde er Revolutionär, Springer-Feind Nummer eins und Religionsstifter.

Zusammen mit Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel und anderen Schwarmgeistern gründete er die Kommune 1. Die Springer-Zeitungen hetzten begeistert über diese Langhaarigen, die unterm Mao-Poster Orgien feierten. Doch lustig war das Leben der Kommune nicht, die Revolutionäre, Psychologen alle, zerfleischten sich gegenseitig, bis sie sich in die Aktion stürzten: gegen den amerikanischen Vizepräsidenten, gegen den Schah, gegen die Berliner Polizei. Vor Gericht triumphierten sie, blamierten die Justiz und wurden die Helden von 1968, weil sie sich neben dem Krieg in Vietnam auch noch um die eigenen Orgasmusschwierigkeiten sorgten.

Die besten Joints der Stadt

So kam es, dass Langhans neben dem Fotomodell Uschi Obermaier in die Kamera schaute, beide brustfrei und über den Stern zum Liebespaar der politischen Revolution erhoben wurden, die niemals kam. Oder nur zu Langhans: Die Obermaierin drehte die besten Joints der Stadt und befreite den Grübler wenigstens zeitweise vom Ich. Gemeinsam wollten sie einen Musikkonzern gründen, wollten die Rolling Stones und Jimi Hendrix nach Deutschland holen, aber dann waren es doch Mick Jagger und Hendrix, die sich die Obermaierin holten.

Langhans verließ Berlin, zog nach München, das schon so viele Barfußprediger und Kräuterapostel beherbergt hatte und wurde wieder ein anderer, wurde endlich der Langhans. Er stiftete eine Religion, wie sie die Welt seit den Anachoreten der Spätantike nicht mehr gesehen hatte. Eine weitere Kommune war es, vielleicht auch ein Harem, doch sollten die Frauen, die den keuschen Stifter umgaben, in völliger Enthaltsamkeit leben und sich nähren von Rainers Lehre der Ich-Entsagung.

Diese Kasteiung musste unbedingt vor den Augen der erwähnten Welt stattfinden, die wieder einmal über diese Narrenspossen staunte. Das war lang vor "Big Brother" und bestimmt keine kleine Tyrannei, aber vielleicht ist Rainer der Stylit inzwischen glücklich. An diesem Samstag wird der radikale Psychiater Rainer Langhans 70 Jahre alt.

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