RAF-Vermarktung:Bemerkenswertes Geben und Nehmen

Hat der NDR mit Gebührengeld einen Spiegel-Titel finanziert? Cross Promotion beim Thema RAF zwischen Spiegel und dem NDR.

Christopher Keil

Es gibt eine mediale Cross-Promotion, an die man sich gewöhnt hat. In den Talkshows treten mehr oder weniger berühmte Menschen auf, die irgendetwas geschrieben oder irgendwen besungen haben, worüber dann auch kurz gesprochen wird - nachdem ausführlich über den letzten Sex, die letzte Scheidung oder die letzte Versöhnung gesprochen wurde.

Das soll beiden dienen: dem Moderator (der Sendung) und dem Gast, wie tags darauf oft genug an der Einschaltquote zu erkennen ist oder an den Verkaufszahlen für das Buch oder die CD des Gastes. Oder eben nicht.

Nach dem Prinzip, dass der eine für den anderen wirbt, läuft manches Geschäft in der freien Wirtschaft. In der Fernsehwirtschaft glaubte man Cross-Promotion bislang eindeutig in der Hand privater Sender. Wer ohne Gebühren Fernsehen macht, muss andere Mittel einsetzen als die zwei öffentlich-rechtlichen Anstalten.

Nur zulassen

Doch ARD und ZDF lassen sich ja längst nicht mehr auf Qualität reduzieren, sondern bieten von Schleichwerbung bis zur Cross-Promotion den gesamten industriellen Standard. Zum Teil müssen sie dafür nicht einmal etwas tun, sie müssen vielleicht nur zulassen, dass etwa der von ihnen beauftragte Filmproduzent samt Hauptdarstellerin mit dem Boulevardblatt und seinen Millionen Lesern eine PR-Kampagne anzettelt.

Bemerkenswert ist derzeit allerdings das Geben und Nehmen zwischen dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und dem Spiegel. In diesen Tagen ist die zweiteilige Dokumentation Die RAF von Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und Spiegel-TV-Autor Helmar Büchel in der ARD zu sehen, eine NDR-Auftragsproduktion von Spiegel TV. Während nahezu alle wichtigen Zeitungen oder Hefte zum 30. Jahrestag der Schleyer-Entführung am 5.September in der zurückliegenden Woche den Deutschen Herbst thematisierten in Interviews, Analysen und Erinnerungen, kam der Spiegel mit einem Bio-Titel. Dafür präsentierte Aust - eine Woche später - an diesem Montag einen RAF-Titel des Spiegel - als ersten Teil einer Serie über den Deutschen Herbst.

Dass das Magazin mit dem RAF-Stoff genau an dem Tag erscheinen würde, an dem Teil zwei von Austs RAF-Doku im Ersten angesetzt war, ist schon wieder so absichtsvoll, dass man es deshalb nicht für möglich gehalten hätte. Doch so wie NDR-Chefredakteur Thomas Schreiber es vor ein paar Monaten guthieß, dass der Spiegel-Chefredakteur einen Beitrag zur RAF in den Tagesthemen fabrizierte, so heißt es Aust gut, in der illustren "Hausmitteilung" der aktuellen Ausgabe auf die ARD-Sendetermine des RAF-Films hinzuweisen und nebenbei auf sein Standardbuch Der Baader Meinhof Komplex. Völlig klar: Aust ist doch noch Deutscher Herbstmeister geworden.

Allerdings fragt man sich, warum die ARD (oder der NDR) dem offiziellen Presseheft zum RAF-Zweiteiler ein Interview beilegte, das ein FAZ-Herausgeber mit Aust am 22. August geführt hatte. Man fragt sich das, weil der NDR selbst noch ein zweites Interview hinzufügte, das offenbar von einem NDR-Mitarbeiter zusammengestellt wurde.

Umgekehrt verweist der Spiegel in seiner Hausmitteilung auf zweijährige Recherchen von Aust und Büchel. Bis zur Unkenntlichkeit sind Printprodukt und TV-Dokumentation miteinander verschmolzen: Einige Textpassagen und manches Terroristen-Zitat sind identisch. Hat da der Spiegel mit einem ehemaligen RAF-Mitglied gesprochen? Oder Spiegel TV? Oder der NDR? Die Quellen sind nicht mehr adressierbar. Und Aust? War der für den Spiegel aktiv? Oder für Spiegel TV? Oder hat er für Spiegel TV einen ARD-Film gemacht? Oder hat er einen ARD-Film gemacht und nebenbei eine Spiegel-Titelgeschichte entworfen?

Aus Spiegel-Sicht lohnte sich das Projekt bestimmt, selten werden Auftragsproduktionen zu Titel-Geschichten. Aus der Ferne betrachtet könnte man vereinfacht denken, der NDR habe mit Gebührengeld einen Spiegel-Titel finanziert. Aber das ist sicher nicht so. Ist ja nur: Cross-Promotion.

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