Plötzlich beginnt man dann, während man noch im Kino sitzt und sich den Film ansieht, noch einmal neu zu bewerten, womit genau Paul uns vorher amüsiert hat: Ist der andere Sohn von Stan, der adoptierte, der zufällig schwarz ist, wirklich so ein verzogenes Früchtchen?
Es hat sich so ergeben, dass "The Dinner" kurz nach Donald Trumps Amtseintritt bei der Berlinale Premiere hatte - als Oren Moverman das Drehbuch schrieb, hat noch keiner sich vorstellen können, dass Trump es auch nur bis zum Kandidaten bringen würde, und die Vorlage, Herman Kochs Roman, ist 2009 in den Niederlanden erschienen.
Da war Donald der Schreckliche noch reines Klatschspaltenfutter. "The Dinner" hat nicht wirklich viel mit Donald Trump zu tun - aber sehr viel mit den Leuten, die ihn gewählt haben.
Die größte Schwäche dieses Films ist seine Struktur - der Israeli Moverman behält die Einteilung der Vorlage in Gänge bei, die Kellner gehen auf und ab, stellen Teller mit überkandidelten Speisen vor den Lohmans ab.
Das Essen wird hier immer wieder zur schiefen Metapher, denn mit der Haute Cuisine, die da aufgetischt wird, hat die Geschichte gar nichts zu tun, es geht dann gar nicht um Klassenunterschiede.
Betrogen von der ganzen Welt
Moverman hat vorher schon zwei Filme über wütende Männer gedreht, "The Messenger" und "Rampart", die sich an den Institutionen abarbeiten, von denen sie sich missbraucht fühlen, dem Militär, der Polizei. Paul fühlt sich gleich von der ganzen Welt betrogen, der arme weiße Mann ist das Opfer einer politischen Korrektheit, die es ihm verboten hat, den Kindern in der Schule einfach zu erzählen,was er will.
Als psychologisches Drama funktioniert "The Dinner" hervorragend, schon deshalb, weil Steve Coogan Paul tatsächlich in allen Schattierungen spielt, den Charme, den Paul zu Beginn des Films hat, langsam aus der Figur entweichen lässt.
Bis dann irgendwann klar ist, wie weit Paul geht, um seinen Sohn davor zu schützen, dass der für eine Gräueltat büßen muss - die er letztlich in genau jenem egozentrischen Überlegenheitswahn begangen hat, den sein Vater ihm vorlebt.
Die verdrehte Logik, sich immer wieder selbst recht zu geben
Pauls ganzes Leben ist von Neid getrieben, erst auf den älteren Bruder, dann bald auf alle. Es zählt für ihn immer nur, wie er selbst dabei wegkommt - er hat den Egoismus zur Gesellschaftsform erklärt, nicht sehend, dass das immer nur für einen funktioniert. Wie kann es jemand wagen, mit irgendwem Mitleid zu haben außer Paul?
So, wie Moverman diese Geschichte erzählt, hat sie ein paar Brüche zu viel. Aber er bringt auch etwas auf den Punkt: die Mechanik jener verdrehten Logik, mit der sich einer wie Paul immer wieder selbst recht geben kann. Auch dann, wenn er schon lange auf dem Holzweg ist.
The Dinner, USA 2017 - Regie: Oren Moverman. Buch: Moverman, basierend auf dem Roman von Herman Koch. Kamera: Bobby Bukowksi. Mit: Richard Gere, Steve Coogan, Rebecca Hall, Laura Linney, Chloë Sevigny, Charlie Plummer. Tobis, 120 Minuten.