Süddeutsche Zeitung

Provenienzforschung:Die Fahnderinnen

Mit ihrer Firma helfen die Kunstexpertinnen Katja Terlau und Vanessa Voigt allen, die mehr über die Herkunft ihrer Bilder erfahren wollen.

Von Catrin Lorch

Der Firmenname klingt so solide, als handele es sich um ein alteingesessenes Unternehmen, ein Notariat vielleicht. Doch die Firma Terlau & Voigt, die vor wenigen Wochen in einem Anschreiben an Museen, Sammler, Auktionshäuser, Forschungseinrichtungen erstmals ihre Dienste annoncierte, bietet "Provenienzforschung und Kunsthistorische Beratung" an.

Katja Terlau und Vanessa Voigt sind keine Unbekannten. Die beiden Provenienzforscherinnen haben sich einen Namen gemacht als Forscherinnen, die sich auf die Klärung der Herkunft von Kunstwerken spezialisiert haben. "Dennoch hat es bislang noch niemand gewagt, ein Unternehmen mit dieser Spezialisierung und Expertise zu gründen", sagt Voigt. Die meisten ihrer Kollegen arbeiten entweder fest angestellt in Forschungseinrichtungen und Museen oder als freiberufliche Wissenschaftler. Und auch Terlau und Voigt, die zur ersten Generation der Kunsthistoriker gehören, die nach der Washingtoner Erklärung von 1998 als Pioniere in die Provenienzforschung gingen, arbeiteten in der Vergangenheit freiberuflich.

Dass die beiden Forscherinnen sich zusammen geschlossen haben, hänge auch damit zusammen, dass Politik und Kulturfunktionäre trotz aller Beteuerungen kaum Strukturen geschaffen haben, die eine systematische Provenienzforschung ermöglichen. Und das obwohl sich die Bundesrepublik verpflichtet hat, den NS-Kunstraub zu erforschen und gestohlene Werke zurückzugeben.

"Nach der umstrittenen Restitution des Kirchner-Gemäldes ,Berliner Straßenszene' aus dem Berliner Brücke-Museum im Jahr 2006 wurden die wenigen Provenienzforscher, die es damals gab, ins Bundeskanzleramt geladen, um eine grundsätzliche Strategie für die weitere Forschung und Vernetzung zu erarbeiten", erinnert sich Voigt. Daraufhin wurde die Arbeitsstelle Provenienzforschung eingerichtet. Im Zentrum stand die finanzielle Unterstützung dieser Einrichtungen für die Provenienzforschung, jedoch nicht die ebenso notwendige Grundlagenforschung. Voigt: "Uns fehlen in Deutschland bis heute aussagekräftige und immer wieder aktualisierte Datenbanken zu Sammlern, Kunsthändlern und den am Kunstraub beteiligten Akteuren mit den entsprechenden Hinweisen zu Nachlässen und Archiven. Symposien, Tagungsbände und Katalogbeiträge sind hierfür kein Ersatz."

Während sich Museen - wenn überhaupt - verpflichtet fühlen, vor allem die Herkunft der eigenen Bestände zu überprüfen, und Opferorganisationen sich auf die Aufarbeitung von Sammlungen konzentrieren, die ihren jüdischen Besitzern abgepresst oder geraubt wurden, blieben wichtige Themen unbearbeitet. Beispielsweise der Kunstmarkt: Als im Herbst 2013 der "Schwabinger Kunstfund" bei Cornelius Gurlitt bekannt wurde, musste die Öffentlichkeit erstaunt feststellen, dass die Geschichte des NS-Kunstraubs nur lückenhaft erarbeitet ist und es keine Publikation zu so zentralen Figuren des Kunsthandels in der NS-Zeit wie Hildebrand Gurlitt gab.

"Erst mit dem Fall Gurlitt hat man bemerkt: es fehlten bislang sowohl grundlegende Biografien als auch Untersuchungen zu Händlernetzwerken", sagt Terlau, die sich damals schon seit mehr als zehn Jahren mit dem Händler befasst hatte. Ihre Anträge auf öffentliche Finanzierung dieser Forschung waren allesamt abgelehnt worden.

Voigt und Terlau möchten jetzt nicht länger darauf warten, dass in Deutschland, dem Land der Täter, die Archive und Erkenntnisse endlich zugänglich werden, sondern ihre in langer Berufserfahrung erworbenen Erkenntnisse direkt vernetzen. "Ich habe in zwanzig Jahren viele Datenbanken mit Wissen und Recherchen gefüllt. Jetzt sind mein Kenntnisstand und meine Erfahrung mein bestes Lexikon", sagt Terlau, die schon Bestände von Museen und große jüdische Sammlungen aufgearbeitet hat.

Sie setzen darauf, dass sie gemeinsam noch schneller und konsistenter arbeiten können als in der Vergangenheit. In einem Geschäft, in dem es häufig um Zeit geht, ist das der entscheidende Vorteil. Ein Kunsthändler, der kurz vor der Tefaf in Maastricht noch ein Gemälde in Kommission nimmt, möchte schnell klären, ob die Herkunft unbedenklich ist.

Dass die privat angebotene Beratung zudem den großen Vorteil der Diskretion hat, bestreiten Terlau und Voigt nicht. Denn wer sich mit einem Kunstwerk an öffentliche Stellen wie das Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg wendet, muss damit rechnen, dass die Recherchen öffentlich gemacht werden und als "Fundmeldung" in die Datenbank Lost Art eingestellt werden. Damit ist ein Werk bis zur endgültigen Klärung der Provenienz nicht mehr verkäuflich.

Wer dagegen ein Gutachten bei Vanessa Voigt und Katja Terlau bestellt, kann eine belastende Expertise auch einfach in den Papierkorb werfen. "Mir ist genau das schon ein paarmal passiert", sagt Voigt. "Aber keiner meiner Kunden hat sein Bild danach wieder über das Sofa gehängt. Ich sehe es als meine Pflicht und Verantwortung an, in solchen Fällen auch Privatleute darauf hinzuweisen, dass sie historisch in einer Verantwortung stehen, dass sie etwas tun müssen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4186575
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.10.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.