Promi-Special: "Wer wird Millionär":Klub der goldenen Pudel

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Von Pomeranzen und Zitzenbechern: Thomas Gottschalk gewinnt bei Günther Jauch eine Million Euro - mit Hilfe seines Telefonjokers Marcel Reich-Ranicki.

C. Kortmann

Dem flüchtigen Betrachter stellten sich die unlösbaren Millionenfragen gleich zu Beginn: Wieso treten im Prominenten-Special von "Wer wird Millionär" ein blondierter, sonst in Fußgängerzonen musizierender Indio im psychedelischen Halbarm-Wollponcho und drei Frau-Pudel-Chimären auf?

Gottschalk im Goldregen der Wunderkerzen nach der Millionenfrage (Foto: Foto: RTL)

Nun, Fernsehen ist nicht immer ein Nebenbei-Medium, manchmal muss man die Brille aufsetzen und genau hingucken. Schon klärte sich die Lage: Beim blonden Indio handelte es sich um Thomas Gottschalk, der momentan als Fernsehshow-Gast durch die Landschaft tingelt, eine Rolle, die ihm mittlerweile besser liegt als die des Moderators von "Wetten, dass..?".

Frei von seiner Show-Routine und im Zusammenspiel mit eloquenten Gesprächspartnern wird der Wortwitz wieder freigelegt, der Gottschalk einst zum Radiostar machte und von dort ins Fernsehen beförderte. Bei "Schmidt & Pocher" oder "Maybrit Illner" schaute er vorbei, und am Donnerstagabend schlug er nun bei seinem alten Kumpel Günther Jauch auf, um nach dessen "Wetten, dass..?"-Teilnahme einen zeitnahen Kommst-du-zu-mir-komm-ich-zu-dir-Gegenbesuch abzustatten und buntes Selbstgestricktes vorzuführen. Für einen Großentertainer sind Quizfragen schließlich nur sperrig formulierte Konversationskärtchen.

Vor Gottschalk mussten zum Warm-Up die anderen Kandidaten ran. "Bauer sucht Frau"-Moderatorin Inka Bause hatte das Witz-ist-wichtiger-als-Wahrheit-Spiel auch verstanden. Sie berlinerte mit Jauch, ließ sich von einem vollbärtigen Jäger aus dem Publikum den Begriff "Schnepfenstrich" erklären und scheiterte an der Frage "Welcher Teil der Melkmaschine wird an der Kuh angebracht?" (Antwort: "Zitzenbecher"), um das Geld (125.000 Euro) für den guten Zweck nicht aufs Spiel zu setzen.

Manche sprechen auch einfach so

"Wer wird Millionär" zeigt stets aufs Neue, worin die Kunst besteht, gute (Quiz)-Fragen zu stellen, solche, die originelles Denken anregen und Menschen ins Gespräch bringen.

Manche sprechen auch einfach so: Die drei Jacob Sisters mit den drei Pudeln (besagte Chimären, die sich unter Langzeitbeobachtung gelegentlich in Hund und Mensch aufspalten) stimmten gerne mal ungefragt sächsisches Liedgut an, begrüßten Jauch mit dickem Schmatzer und meisterten souverän die 50-Euro-Frage.

Charmant antiquiertes "Was bin ich?" der Informationsgesellschaft

Doch dann lief es eher stockend, vor allem die 300 Euro waren eine harte Nuss, weil man "Urinstinkt" mit dreifacher Sturheit wie "Urin stinkt" betonte. Sogar die Pudel schienen irritiert - warum hatte sie niemand gefragt? Intellektuelle täten sich im 200-300-Euro-Bereich eben schwer, sagte Jauch.

Paradoxerweise besteht ein Vorzug des Formats "Wer wird Millionär" darin, dass die Show in den zehn Jahren ihres Bestehens vollends anachronistisch geworden ist. Multiple-Choice-Fragen nach entlegenen Dingen zu beantworten, ist in Zeiten der Selbstverständlichung des Internets angenehm schrullig.

Um den Begriff für eine Billardqueuespitze zu benennen, was Franziska van Almsick tun musste ("Pomeranze"), bemüht man eigentlich keinen einzigen Gedanken mehr, sondern wirft sofort die Suchmaschine an. So wirkt "Wer wird Millionär" charmant antiquiert, wie ein "Was bin ich?" der Informationsgesellschaft, mit höheren Gewinnsummen und lebendigeren Kandidaten.

Auf der zweiten Seite lesen Sie, wie Thomas Gottschalk bis zur Millionenfrage kam.

Gerne schaut man zu, wie das früher einmal war, als es noch Sachfragen gab, die kein Google beantworten konnte, und man einen Bekannten anrief, der sich mit so etwas auskennen könnte.

"Der Mann geht früh zu Bett"

Als Letzter hatte Thomas Gottschalk seinen großen Auftritt. Schon bei den scherzhaften Eingangsfragen verhielt er sich so zurückgenommen wie konzentriert. Die Angst, sich zu blamieren überwog den Showinstinkt.

Durch seine Taktik der kontrollierten Offensive hatte er plötzlich 500.000 Euro beisammen. Vor der Millionenfrage, "Wie hieß Franz Kafkas letzte Lebensgefährtin?", trieb ihn nur noch die Müdigkeit seines Telefonjokers um: "Ich mache mir Sorgen, der Mann geht früh zu Bett."

Denn am anderen Ende der Leitung wartete sein Duzfreund und Fernsehblödsinnsdebattenpartner Marcel Reich-Ranicki, um ihm zu helfen, es ausgerechnet Oliver Pocher gleichzutun, der im Mai dieses Jahres die Million geholt hatte. Die Millionenantwort "Dora Diamant" fiel Reich-Ranicki jedoch leichter als die 50-Euro-Frage den Jacob Sisters.

Auch wenn der Reiz der Prominenten-Specials von "Wer wird Millionär" in den für die Medienprofis konfektionierten Fragen besteht, die ihre Stärken und Schwächen zur Geltung bringen sollen, wirkte das dann doch zu abgekartet: "No risk" bedeutet hier wirklich "no fun". Das trübte den Jubel des Mannes im kleinen Grobmaschigen nicht. Im Goldregen der Wunderkerzen jubelte der Fußgängerzonen-Indio mit dem welthöchsten Stundenlohn.

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